Stadtwerke wollen U-Bahn wieder ganz haben

So übertitelte der Standard am 15. Februar 2009 einen Bericht zu den höchstriskanten und umstrittenen Cross-Border-Deals rund um die Straßenbahnen und U-Bahnen in Wien.

alte Straßenbahn in Wien
BIZEPS

Derzeit dürfte es ziemlich rund gehen hinter den Kulissen der Wiener Stadtregierung. Der Standard überraschte mit der Meldung, dass die Wiener Stadtwerke nun versuchen, teilweise aus den Cross-Border-Leasing auszusteigen. Aus einem dieser Verträge ist Wien soeben ausgestiegen, weitere könnten folgen.

„Das Gesamtvolumen belief sich auf 1,5 Milliarden Dollar, nach heutigem Geld 1,18 Mrd. Euro“, erläutert die Tageszeitung den Umfang der Verträge, die so kompliziert sind, dass sie kaum von jemandem verstanden werden, außer den daran verdienenden US-Anwälten. („Es darf bezweifelt werden, dass alle, die an diesen Deals beteiligt waren, sich auch nur halbwegs ausgekannt haben“, mutmaßt der Standard.)

„Die Wiener Stadtwerke haben zwischen 1998 und 2003 in sechs Transaktionen Straßenbahn- und U-Bahn-Garnituren verleast und zurückgemietet“, wird das Ausmaß beziffert. Nun will sich die Stadt aber schnell und – wenn möglich – mit wenig Verlusten daraus zurückziehen.

Neue Linie?

Vor wenigen Wochen klang dies in einer Profil-Geschichte noch völlig anders. Ein Ausstieg aus den Verträgen – wie beispielsweise in Zürich – ist in Wien nicht geplant. Wien will – laut Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) – die Leasingverträge „vereinbarungsgemäß erfüllen“.

Nun dürfte aber auch im Wiener Rathaus klar geworden sein, wie hoch das Risiko sein könnte und dass es nicht egal ist, wer bestimmt, welche Straßenbahnen in Wien fahren. Es wurde im Profil-Beitrag von Bernhard Odehnal vermutet, dass dies der Grund ist, warum die Wiener Linien um viel Geld die alten Straßenbahnen umbauen, die sie laut Cross-Border-Vertrag betreiben müssen, statt – dem Behindertengleichstellungsgesetz entsprechend – barrierefreie Fahrzeuge ankaufen.

Aufhorchen ließ eine Wortmeldung von Bürgermeister Dr. Michael Häupl, der am Jahresanfang in einem ORF-Interview sagte: „Ich will nicht, dass jemand anderer als die Wienerinnen und Wiener bestimmen, welche Straßenbahn bei uns fährt.“

Opposition übt massive Kritik

„Die Wienerinnen und Wiener sollen endlich erfahren, wie viel von ihrem Steuergeld letztlich als verloren gelten werde“, so FPÖ-Abgeordneter Johann Herzog. Er forderte die Offenlegung der Verträge.

Kritik an der Geheimniskrämerei der SPÖ in Sachen Cross-Boarder-Leasing kommt von den Wiener Grünen. „Im heutigen Finanzausschuss verweigerte Stadträtin Brauner nähere Auskünfte zu den aufgelösten Cross-Border-Leasing-Transaktionen der Wiener Linien. Wie viel die jetzige vorzeitige Vertragsauflösung den Wiener Linien und somit der Stadt Wien kostet, bleibt also im Unklaren“, so der Budgetsprecher der Grünen Wien, Martin Margulies.

„Stadträtin Brauner verniedlicht die Probleme“, kritisiert er und erinnert in seiner Presseaussendung ergänzend daran: „Cross Border Leasing-Geschäfte dieser Art sind in den USA seit 2004 verboten und werden mittlerweile, wie auch schon einige Urteile amerikanischer Gerichte zeigen, als versuchte Steuerhinterziehung eingestuft.“

Skurille Begründung

Für behinderte Menschen ist die skurille Begründung für diese vielleicht sogar sittenwidrigen Geschäfte besonders interessant.

„Ein Teil des Geldes wurde zur Nachrüstung von Aufzügen im U-Bahn-Netz verwendet, ein anderer Teil zur Anschaffung neuer Niederflurfahrzeuge auf der U6“, schreibt der Standard und zitiert dann Martin Krajcsir, Finanzvorstand und stv. Generaldirektor der Wiener Stadtwerke Holding: „Ohne das Geld aus den Cross-Border-Leasings wäre das nicht so rasch gegangen.“

Welchen Schluss soll man daraus ziehen? Barrierefreiheit wird nur geschaffen, wenn man gesetzeswidrige Geschäfte abschließen kann? Oder vielleicht: Wenn man diese Geschäfte nicht lösen kann, dann betreibt man gesetzeswidrige alte Fahrzeuge? Fragen über Fragen. Aber die Stadtregierung schweigt sich derzeit dazu aus.

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