In einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Hamburg (Az. S 61 SO 328/08) spielt erstmals das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen eine wichtige Rolle.
In einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Hamburg geht es darum, ob eine junge, pflegebedürftige, aber Zeit lebens selbstständig lebende Frau aus Kostengründen ins Heim gezwungen werden darf – und dabei auch um die Bedeutung des gerade erst in Kraft getretenen UN-Abkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
In einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Hamburg (Az. S 61 SO 328/08) spielt erstmals das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen eine wichtige Rolle. In dem Verfahren geht es um die persönliche Assistenz einer jungen Frau, die die Freie und Hansestadt Hamburg nicht mehr leisten will. Sie hat deswegen verfügt, dass statt der erforderlichen Gelder für die persönliche Assistenz nur noch die Kosten für einen Heimplatz gezahlt werden sollen.
Die Klägerin, die bislang selbstständig und selbstbestimmt leben konnte soll also nach dem Willen der schwarz-grün regierten Freien und Hansestadt Hamburg gegen ihren Willen in ein Heim abgeschoben werden. Die Rechtsgrundlage dafür ist § 13 SGB XII, der den prinzipiellen Vorrang der ambulanten Versorgung für den Fall aushebelt, dass die stationäre Versorgung zumutbar ist und die ambulante Versorgung erhebliche Mehrkosten verursacht, heißt es in einer Presseinformation der Kanzlei Menschen und Rechte.
Nach Auffassung der Klägerin, die von der Kanzlei Menschen und Rechte vertreten wird, stellt diese Bestimmung einen Verstoß gegen Artikel 19 des Gesetzes zu dem – vor kurzem auch in Deutschland in kraft getretenen – Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Bundesgesetzblatt 2008 Teil II Nr. 35, 1419 ff.) dar.
Artikel 19 regelt, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, zu entscheiden, wo und mit wem sie leben und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben. Die Vertragstaaten, auch Deutschland, haben sich in dieser Vorschrift verpflichtet volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause, einschließlich der persönlichen Assistenz, gewähren.
Die Freie und Hansestadt Hamburg vertritt in diesem Verfahren nunmehr die Auffassung, dass das Menschenrechtsübereinkommen auch nach seiner Umsetzung ins deutsche Recht die Auslegung von Sozialrechtsnormen nicht beeinflussen könnte, da es sich ebenfalls nur um einfaches Gesetzesrecht und nicht um höherrangiges Recht handle.
Eine andere Sichtweise, sei schon aus Kostengründen abzulehnen. Außerdem würde Artikel 19 des Abkommens einer Einweisung ins Heim gegen den Willen der Betroffenen auch nicht entgegenstehen. In der Vorschrift werde nur ein Anspruch auf notwendige Assistenz gegeben, hier sei diese Assistenz zur Vermeidung von Ausgrenzung aber nicht notwendig, da es ja um ein „geeignetes Heim“ gehe.
Dazu erklärt Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein von der Kanzlei Menschen und Rechte: „Die Auffassung der Hansestadt Hamburg ist rechtlich nicht haltbar. Das Menschenrechtsübereinkommen würde, wenn man es so interpretierte, zu einem unbedeutenden Stück Papier. Vor allem aber zeigt die Hansestadt eine bestürzende Ignoranz, was die Menschenrechte von Behinderten angeht. Die Einweisung gegen den Willen der Betroffenen in ein Heim ist vergleichbar einer freiheitsentziehenden Maßnahme, weil sie das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen dramatisch einschränkt. Genau diesen dramatischen Eingriffen soll Artikel 19 entgegentreten. Und es wird Zeit, dass in Deutschland Menschen ihr Selbstbestimmungsrecht auch wenn sie in erheblichem Maße pflegebedürftig sind, in vollem Umfang wahrnehmen können.“