Test: „Stadt Wien – bitte melden“

Behinderte Menschen werden ermutigt, Barrieren in der Stadt Wien zu melden, damit diese umgehend beseitigt werden. Soweit die Theorie - hier nun ein unfreiwilliger Praxistest.

Blindenarmbinde
ÖBSV

Unter der Internetadresse www.barrierefreiestadt.wien.at können Barrieren in Wien gemeldet werden. „Begegnen Sie in der Stadt baulichen Barrieren wie etwa Stufen, die nicht mit einer Rampe abgeschrägt sind, oder fehlenden Blindenleitsystemen, können Sie diese Barrieren der Stadtverwaltung melden“, werden die Besucherinnen und Besucher der Webseite wien.at zur Mitarbeit aufgefordert.

Schon im Jahr 2006 berichtete BIZEPS-INFO über dieses Online-Meldesystem der Stadt Wien und wir hielten fest: „Interessant wird auch sein, wie der Bericht über das heurige Jahr aussehen wird. Wie viele Barrieren wurden beim Online-Service gemeldet? Wie viele Barrieren konnten beseitigt werden? Und die vielleicht spannendste Frage: Warum blieben manche Barrieren bestehen? Wir werden Sie über einen Bericht der Stadt Wien natürlich umfassend informieren; falls er vorgelegt wird.“

Zebrastreifen fehlt

„Es geht um die Überquerung der Industriestraße auf Höhe Benatzkygasse/Ing. Sarek-Weg im 22. Wiener Gemeindebezirk“, berichtet Mag. Michael Krispl von seinem Anliegen, welches er im Februar 2009 per Onlineformular gemeldet hat. Es gibt dort zwar „einen barrierefreien Zugang – Gehsteigabsenkung, Zufahrtsrampe zur Alten Donau – zu den Gartensiedlungen an der Alten Donau und den Lokalen an der Promenade und auch eine Haltestelle der Autobuslinie 93a“, erläutert der blinde Jurist, „aber leider keinen Schutzweg (Zebrastreifen), so dass die Überquerung ein tägliches Überlebenstraining und eine echt diskriminierende Barriere darstellt“.

„Wir wohnen seit Anfang Juni 2008 in der Siedlung Mexiko an der Alten Donau und müssen die Industriestraße jeden Tag mehrmals ohne Schutzweg überqueren“, erzählt er von der alltäglichen Herausforderung, die er, seine stark sehbehinderte Frau und ihr knapp 3jähriger Sohn, ob sie wollen oder nicht, auf sich nehmen müssen. Dies bedeutet „einen hohen Stressfaktor und eine tägliche Gefährdung für Gesundheit bzw. und unter Umständen sogar Leben“.

Aber nicht nur für die Familie Krispl wäre dieser Schutzweg hilfreich – immerhin liege dort auch eine Busstation der Linie 93a -, sondern auch für eine Reihe behinderter Menschen aus dem nahe gelegenen Wohnheim des Vereins Balance und natürlich auch für die Bewohner der Gartensiedlungen, die zu einem hohen Anteil betagte Menschen und seit einiger Zeit auch immer mehr Familien mit Kindern sind.

Bisher keine Veränderung

„Wir haben am 17. Februar 2009 dem Beauftragten für Barrierefreiheit der Stadt Wien, Herrn Robert Labi, diese diskriminierende Barriere angezeigt und bislang keinerlei Rückmeldung erhalten“, ärgert sich Mag. Michael Krispl. Es kann nicht sein, dass die Stadt Wien Meldungen von Barrieren völlig ignoriert.

Er habe vorab – seit Februar 2007 – auch schon mehrfach versucht, der Bezirksvorstehung 22 das Anliegen näher zu bringen, doch da stieß man auf „gehörlose Ohren“. Schutzwege behindern den Verkehr, sind teuer und geben nur Scheinsicherheit und bevor man ihnen das zumute, mache man lieber keinen Schutzweg, erfuhren die Krispls vom Bezirk; und das, obwohl es ansonsten einige Schutzwege über die Industriestraße gibt, die offenbar keine Scheinsicherheit bringen und auch nicht zu teuer oder verkehrsbehindernd sein dürften.

„Faktum ist, dass ich als blinder Passant – und meine Frau, die hochgradig sehbehindert ist, mit Kleinkind – seit einem 3/4 Jahr dort nahezu jeden Tag mehrmals mit zwei Blindenschleifen und weißem Stock ausgerüstet die Industriestraße ohne Zebrastreifen überqueren muss und kein einziger Autofahrer anhält, um uns drüber gehen zu lassen“, zeigt Krispl sich verärgert. „Wir fühlen uns von der Stadt Wien völlig im Regen stehen gelassen und unsere berechtigten Anliegen werden locker vom Hocker ignoriert; aber wahrscheinlich muss erst ein Unfall passieren, damit die Stadt – sicher mit höchstem Bedauern – reagiert“, fügt er hinzu.

Kein Einzelfall

Das völlige Ignorieren von Meldungen von Barrieren wurde schon mehrfach an BIZEPS herangetragen. Es stellt sich die Frage, ob die sich präsentierende Vorgangsweise den Service nicht ad absurdum führt.

„Vieles wird von der Bearbeitung der Meldungen abhängig sein“, prophezeite DSA Manfred Srb, Experte für barrierefreies Bauen bei BIZEPS, schon zu Beginn des Serviceangebotes. Wie recht er doch hat.

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