(K)ein Erfolg für E-Voting bei der ÖH-Wahl

Erstmals wurde eine Woche vor der Papierwahl vom 18. Mai bis zum 22. Mai 2009 E-Voting bei der Wahl der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) durchgeführt. Der Erfolg der Wahl ist höchst umstritten. Ein Kommentar.

ÖH-Wahl E-Voting
BIZEPS

Überraschend kam E-Voting in Österreich nicht. Schon im Regierungsprogramm aus dem Jänner 2007 wurde die „Prüfung der elektronischen Stimmabgabe (E-Voting)“ vereinbart. Einige Monate später beschäftigte sich der Verfassungsausschuss mit dem Thema.

Im Herbst 2007 kündigte Wissenschaftsminister Dr. Johannes Hahn an: „Das E-Voting soll bei den nächsten ÖH-Wahlen möglich sein„. Schon damals regte sich Widerstand, wenn auch von der breiten Öffentlichkeit eher unbemerkt.

„Der Grund für die Einführung der Stimmabgabe via Internet liege in der sich reduzierenden Wahlbeteiligung bei sämtlichen Wahlgängen auf den unterschiedlichsten politischen Ebenen“, gab das Ministerium – unter der Leitung von Wissenschaftsminister Dr. Johannes Hahn – im Herbst 2007 als Grund an.

Wie stand es um die Barrierefreiheit?

„Wir hoffen, dass wir mittels E-Voting auch neue Wählergruppen ansprechen, zudem wird künftig die Möglichkeit geschaffen, dass barrierefreies Wählen – gerade im Hinblick auf behinderte Menschen – möglich wird“, so Hahn in einer Aussendung.

Doch kurz vor der Wahl wurde nach Tests klar, dass dieses Versprechen nicht eingehalten werden kann. Die Vorbereitungen verliefen – so wie viele rund um die Wahl – sehr hektisch und mangelhaft. Es wurde von einem blinden Studenten daher Schlichtungen mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung sowie der Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft eingeleitet, um Klarheit zu erhalten.

Auch wenn beide Schlichtungsverfahren positiv abgeschlossen wurden, muss man nun nach der Wahl leider sagen, dass die getroffenen Vereinbarungen nur mangelhaft eingehalten wurden. Aber auch die bei der Nationalratswahl seit vielen Jahren üblichen Wahlschablonen für stark sehbehinderte bzw. blinde Wählerinnen und Wähler gibt es bei der ÖH-Wahl nicht, obwohl diese verpflichtend vorgesehen sein dürften, wie der Klagsverband in einer Stellungnahme festhält.

Wir planen mit Wissenschaftsminister Dr. Hahn diesbezüglich ein Interview und werden in Kürze darüber berichten.

ÖH-Wahl

Im Vorfeld der ÖH-Wahl eskalierte der Streit über die neue zusätzliche Wahlmöglichkeit. Gegner warfen dem E-Voting vor, dass es verfassungswidrig sei und gleich mehrere Parteien kündigten an, die Wahlen anfechten zu wollen.

In einem sehr aufrüttelnden Vortrag hielt Prof. Peter Purgathofer (TU-Wien) fest, warum wir auf E-Voting verzichten sollten und legte die Gründe dar, weshalb diese Art der Wahl gefährlich ist. (Weitere Infos auf der Seite papierwahl.at.)

Die Befürworter der Wahl – also das Ministerium sowie die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft – traten massiv für das System ein. Man verwies darauf, dass es nur eine zusätzliche Wahlmöglichkeit sei und dass alle technischen Probleme gelöst wären. Das Ministerium gab für die Wahlvorbereitungen „über eine halbe Million Euro aus“ und verschenkte rund 12.000 Kartenlesegeräte an Studierende.

E-Voting durchgeführt

Das E-Voting fand vom 18. Mai bis zum 22. Mai 2009 statt. Nach Angaben des Ministeriums waren 230.749 Studierende an 21 österreichischen Hochschulen wahlberechtigt.

Es gab eine Reihe von dokumentierten Fehlern und falschen Bezeichnungen der wahlwerbenden Listen. Doch die Wahl konnte trotzdem durchgeführt werden.

„Die Premiere ist technisch einwandfrei gelaufen“, zeigt sich Minister Hahn erfreut. Gewählt haben 2.162 Studentinnen und Studenten mittels E-Voting – was allerdings noch unter dem von Minister Hahn niedrig gestrecktem Ziel von 1 % der Wahlberechtigten liegt.

Wie viele der 2.162 abgegebenen Stimmen wirklich zählen ist noch unklar. Nikola Donig, Sprecher von Wissenschaftsminister Johannes Hahn, erläutert am 22. Mai 2009: „Wir prüfen nun am Wochenende nach, ob an einer Stelle nur drei oder weniger Personen gewählt haben, um diese dann aus Datenschutzgründen zur Papierwahl zu bitten.“

Wie geht es weiter?

Wenn die ÖH-Wahl vorbei ist und sich die Aufregung darüber wieder gelegt hat, wird es hoffentlich eine sachliche Diskussion darüber geben.

Besondere Bedeutung kommt sicherlich auch der jüngsten Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes zu, die klar festhielt:

  1. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl … gebietet, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen.
  2. Beim Einsatz elektronischer Wahlgeräte müssen die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können.

Allfällige Wahlanfechtungen sowie die hoffentlich breite Diskussion über das Thema werden dann zeigen, ob E-Voting in Zukunft wieder durchgeführt wird. Neben rechtlichen Fragen wird es auch darum gehen, ob eine Wahl, der ein Teil der Bevölkerung nicht traut, demokratiepolitisch sinnvoll ist.

Aus der Sicht der Barrierefreiheit muss auch sichergestellt werden, dass bei der nächsten Wahl für stark sehbehinderte bzw. blinde Wählerinnen und Wähler Wahlschablonen zur Verfügung stehen. Wenn E-Voting als zusätzliche Wahlmöglichkeit angeboten wird, dann muss sie wirklich barrierefrei werden und gut im Vorfeld erklärt werden.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich