Am 17. Jänner 2017 veranstaltete BIZEPS einen Kongress zum Thema „Gleichstellung vor dem Gesetz und im Alltag“.
Am BIZEPS-Kongress „Gleichstellung vor dem Gesetz und im Alltag“ am 17. Jänner 2017 erhielt man eine Rückschau auf 11 Jahre Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz. Durch den Tag führte die Moderatorin Petra Plicka.
Wenn Sie nicht die Gelegenheit hatten, den Kongress zu besuchen, dann geben Ihnen diese Fotos vielleicht einen kleinen Eindruck.
Ernüchternder Blick zurück
Das Fazit aus 11 Jahren Gleichstellungspolitik fiel eher ernüchternd aus. Mit rostigen VW-Käfern und Schnecken wurde das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz verglichen.
„Wir brauchen ein besseres Gleichstellungsgesetz“, fordert BIZEPS-Obmann Martin Ladstätter in seinem Eröffnungsvortrag. Indem er einen sehnsuchtsvollen Blick auf das Gleichstellungsgesetz der USA wirft, das er mit einem Rennwagen vergleicht.
In seinem Vortrag kritisierte Ladstätter vor allem die Umsetzung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes. 2006 waren darin Etappenpläne zur Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden des Bundes wie z.B. Bundesschulen, Polizeischulen und Finanzämter vereinbart worden. Diese sollten bis Ende 2015 fertig umgesetzt sein.
Das ist bis jetzt noch nicht geschehen, weil der damalige Sozialminister, Rudolf Hundstorfer, die Frist verlängerte und freie Hand bei der Umsetzung ließ.
Verbesserungsbedarf, so lautete auch das Fazit der anderen Vorträge. Behindertenanwalt Erwin Buchinger bemängelte bei seiner Rückschau zum Beispiel, dass es schwer sei, vor Gericht zu klagen.
Dies gilt vor allem im Falle einer sogenannten mittelbaren Diskriminierung (das ist zum Beispiel das Fehlen einer Rampe, mit der Folge, dass ein Geschäft für Menschen im Rollstuhl nicht zugänglich ist). Auch ein großes Problem sei, dass man nur Anspruch auf eine Schadenersatzsumme hat, nicht aber darauf, dass die Barriere beseitigt wird. Dieses Problem sahen auch viele andere Vortragende als schwerwiegend an.
So zum Beispiel Andrea Ludwig vom Klagsverband. Sie schilderte vier Fälle von Gleichstellungsklagen, deren Ergebnisse genau das bestätigten, was schon Erwin Buchinger in seinem Beitrag festgestellt hatte. Wenn das Verfahren gewonnen werden konnte, bekam man nur einen finanziellen Schadenersatz, die Barriere blieb.
Auch die Schilderungen ihres Kollegen Volker Frey, der über die UN-Individualbeschwerde referierte, stimmten nicht gerade positiv. Eine Klage gegen die Linz Linien, die sogar bis zur letzten Instanz, nämlich vor den UN-Fachausschuss, ging, wurde abgewiesen.
Bei Problemen mit Reisen per Bus, Bahn, Schiff oder Flugzeug kann die von Maria-Theresia Röhsler vorgestellte Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte helfen.
Die eher ernüchternden Schilderungen der Vortragenden zeigen, wie wichtig der von Christina Wurzinger vorgestellte Monitoringausschuss und das Instrument der Staatenprüfung sind.
Die Arbeit des Monitoringausschusses ist in Österreich eine Herausforderung. Mangelnde Koordination zwischen Bund und Ländern und eine strukturiere Aufarbeitung fehlen. Bedauerlich ist auch, dass Menschenrechte immer noch als Luxus angesehen werden.
Volksanwalt Günther Kräuter wies in seinem Vortrag auf die Wichtigkeit von Kontrollbesuchen in Einrichtungen hin. Diese müssen nicht nur genau sein, sondern vor allem auch unangekündigt. Bei angekündigten Kontrollbesuchen wird die Situation oft besser dargestellt als sie ist.
Klagen und sich wehren hilft
Auch wenn die geschilderten Ereignisse eher wenig Grund zur Freude geben, sind Klagen wichtig und sinnvoll, wie dieses Zitat eines Rollstuhlfahrers, der eine Bäckerei wegen fehlender Barrierefreiheit verklagt hatte und Recht bekam, zeigt: „Dieses Urteil ist ein Sieg für unsere Menschenrechte. Ich hoffe, es macht allen Betroffenen Mut, sich ebenfalls gegen Benachteiligungen zur Wehr zu setzen.“
Kampfgeist noch nicht gebrochen
Den Mut, sich zur Wehr zu setzen, braucht es, um etwas zu verändern. Auch das eifrig mitdiskutierende Publikum stimmte dem zu. Selbst aktiv werden, uns auch an die eigene Nase fassen. Wenn mehrere klagen, kann man eine größere Wirkung erzielen. Diese Bemerkungen zeigten den Kampfgeist, der im Publikum herrschte. Man will sich nicht unterkriegen lassen, sich nicht länger mit Etappenplänen und leeren Versprechungen zufriedengeben.
Das hoffnungsvolle Fazit dieses spannenden Tages könnte man wie folgt zusammenfassen: Ein Neustart ist dringend notwendig. Es ist schwierig, aber nicht unmöglich!
Vortragsfolien als Download
Verbesserungsbedarf am Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz / Behindertenanwaltschaft
Der Monitoringausschuss und die Staatenprüfung / Monitoringausschuss
Individual-Beschwerden als Kontrollverfahren / Klagsverband
Schlichtung bei Bahn, Bus, Schiff und Flug / Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte