2006 – Ein ereignisreiches Jahr erwartet uns

Das Jahr 2006 ist zwar erst wenige Stunden alt, hat aber bereits jede Menge Neuerungen gebracht und hält noch viele, auch für Menschen mit Behinderungen wesentliche, Ereignisse bereit.

Flagge Österreich
BIZEPS

2006 als Jahr des umfassenden Diskriminierungsschutzes für Menschen mit Behinderungen: Seit Jahrzehnten kämpft die Österreichische Behindertengleichstellungs- und Menschenrechtsbewegung für umfassende Behindertengleichstellungsrechte. Nun kann die Bewegung nach ihrem ersten großen Sieg, der Aufnahme des Benachteiligungsverbotes für behinderte Menschen in Artikel 7 Abs. 1 der Bundesverfassung, den zweiten großen Erfolg feiern:

Behindertengleichstellungspaket

Das Behindertengleichstellungspaket mit seinen Kernstücken, dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und den Diskriminierungsschutzrechten für die Arbeitswelt im Behinderteneinstellungsgesetz, tritt mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Nun sind alle Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen aufgerufen, Diskriminierungen wegen einer Behinderung in den verschiedensten Lebensbereichen bei der Schlichtungsstelle in den Landesstellen des Bundessozialamtes oder, sollte eine gütliche Einigung dort nicht zu Stande kommen, bei den Gerichten zu bekämpfen.

Hier finden Sie einen Überblick über den neuen Rechtsschutz nach dem Behindertengleichstellungspaket und wie man ihn geltend macht.

Anwalt für Gleichbehandlungsfragen

Der Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen wurde als Unterstützung für die Wahrung dieser neuen Diskriminierungsschutzrechte von Sozialministerin Haubner am 23. Dezember 2005 bestellt. Auch wenn es offenbar Meinungsverschiedenheiten um das Auswahlverfahren geben dürfte, steht dennoch Mag. Herbert Haupt als Behindertenanwalt ab 1. Jänner 2006 in seinem Büro im Bundessozialamt in der Wiener Babenbergerstraße 5 zur Beratung und Unterstützung in Diskriminierungsfällen nach dem Behindertengleichstellungspaket zur Verfügung. Die Behindertenanwaltschaft ist unter der österreichweit gebührenfreien Servicehotline 0800 80 80 16 bzw. unter der E-Mail-Adresse office@behindertenanwalt.at erreichbar.

Behindertengleichstellungshotline 0800 311 899

Die Behindertengleichstellungshotline 0800 311 899 soll als österreichweit gebührenfreie Servicenummer der Schlichtungsstelle beim Bundessozialamt ab 1. Jänner 2006 in Sachen des Diskriminierungsschutzes nach dem Behindertengleichstellungspaket zur Verfügung stehen.

Etappenpläne Bundesgebäude und Verkehr

Bis Ende 2006 sollte der Bund unter Anhörung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation auch zwei Etappenpläne zum schrittweisen Abbau von Barrieren bei öffentlichen Gebäuden des Bundes und im öffentlichen Verkehr erarbeiten.

Begleitgesetz

Das Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz als erster Teil des auch im Regierungsprogramm bereits paktierten Bündelgesetzes, mit dem Behindertendiskriminierungen im Bundesrecht beseitigt werden und materielle Behindertengleichstellungsrechte geschaffen werden sollen, liegt derzeit im Entwurf zur Begutachtung bis 31. Jänner 2006 vor und dürfte voraussichtlich noch vor dem Sommer im Nationalrat beschlossen werden. Auf weitere Behindertengleichstellungs-Begleitgesetze darf im Hinblick auf das eigentliche Ziel, die Schaffung einer umfassenden Behindertengleichstellung, gehofft werden.

Bund-Länder Staatsvertrag zum barrierefreien Bauen und zur Behindertengleichstellung

Geplant sind auch zwei Staatsverträge zwischen dem Bund und den Bundesländern gemäß Artikel 15a der Bundesverfassung. Der eine, den es bereits als Entwurf gibt, befasst sich insb. mit einem österreichweit einheitlichen Standard des barrierefreien Bauens auf Bundes- und Landes-/Gemeindeebene und könnte, mit viel Glück und politischem Willen noch heuer ratifiziert und damit wirksam werden.

Ein weiterer solcher 15a-BVG-Staatsvertrag zum Thema österreichweit einheitlicher Standard der Behindertengleichstellung ist nach den Erläuterungen zum Behindertengleichstellungspaket auf Initiative des Bundes auszuverhandeln beabsichtigt; mit dem Beginn dieses Aushandlungsprozesses zwischen Bund und Ländern sollte ebenfalls noch im heurigen Jahr zu rechnen sein.

EU-Verfassungsentwurf

In der ersten Jahreshälfte des Jahres 2006 hat Österreich die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union inne. Eines der wesentlichen Themen während dieser österreichischen Ratspräsidentschaft soll auch die derzeit auf Eis liegende Verfassung für die Europäische Union sein. Ziel sollte es sein, die EU-Mitgliedstaaten zu bewegen, für die Ratifizierung dieses Verfassungsentwurfes zu stimmen. Damit würden auch umfassende Sozial- und Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen im Recht der Europäischen Union geschaffen.

Eng damit verknüpft ist aber auch die langjährige Forderung des Europäischen Behindertenforums (EDF) und des Europäischen Parlaments der Menschen mit Behinderung, eine allgemeine Antidiskriminierungsrichtlinie für Menschen mit Behinderungen zu beschließen. Die neuerliche Diskussion rund um die EU-Verfassung könnte auch die Chance sein, die Forderung einer allgemeinen Antidiskriminierungsrichtlinie für Menschen mit Behinderungen nach dem Vorbild des Entwurfes des EDF verstärkt zum Thema werden zu lassen.

EU-Dienstleistungsrichtlinie

Auch die EU-Dienstleistungsrichtlinie wird Thema im Rahmen der österr. Ratspräsidentschaft sein und damit auch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingung für die grenzüberschreitende Erbringung von Pflege- und Sozialdienstleistungen.

Sozialversicherungsrechtliche Absicherung pflegender Angehöriger

Mit Wirkung vom 1. Jänner 2006 gibt es nun auch eine weitere neue begünstigte Selbstversicherungsmöglichkeit in der Pensionsversicherung für Personen, die ihre nahen Angehörigen mit einem Pflegegeldanspruch ab zumindest der Pflegestufe 3 zuhause pflegen und deren Arbeitskraft dadurch erheblich in Anspruch genommen wird. Damit ist jetzt eine sozialversicherungsrechtliche Lücke auch für jene Personen geschlossen worden, die entweder noch nie in einer pflichtversicherten Erwerbstätigkeit gestanden sind bzw. für jene Personen, für die die übrigen begünstigten Versicherungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegriffen haben.

Die geplanten Verbesserungen im Bereich der Familienhospizkarenz hängen nach einem Veto des Bundesrates noch von einem Beharrungsbeschluss im Nationalrat ab.

Dienstleistungsscheck

Mit 1. Jänner 2006 tritt aber auch das sogenannte Dienstleistungsscheckgesetz in Kraft; dabei können Personen, die für Dienstleistungen im Haushalt – z. B. auch in der Pflege, soweit dazu keine qualifizierte Ausbildung in der Alten- und Krankenpflege erforderlich ist – jemand auf höchstens ein Monat befristet – auch wiederholt – geringfügig beschäftigen, Dienstleistungsschecks in der Trafik, bei der Post oder der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau erwerben, durch die Entlohnung mittels Dienstleistungsscheck diese Dienstleistungserbringer unfallversichern und ihnen die Möglichkeit einer freiwilligen Kranken- und Pensionsversicherung einräumen und die Dienstleistungserbringung damit zu einer legalen und sozialversicherungsrechtlich abgesicherten machen. Das Wirtschaftsministerium hat auf seiner Website umfassende Infos zum Thema mit Infobroschüre, Gesetzestext und Erläuterungen zum Download und bietet auch eine eigens dafür eingerichtete Servicetelefonnummer unter 0810 555 666 an.

2006 als Jahr der Chance

Das Jahr 2006 ist eine Chance auf einen Einzug weiterer qualifizierter Menschen mit Behinderung in den Nationalrat, da voraussichtlich im Oktober 2006 wieder Wahlen zum Nationalrat über die Bühne gehen werden. Dies wäre eine neuerliche Gelegenheit für alle politischen Parteien, nicht zuletzt im Jahr des Inkrafttretens des Behindertengleichstellungspaketes qualifizierten Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmende Chancen auf ein wählbares Mandat im Nationalrat einzuräumen, um so die Interessen von Menschen mit Behinderungen auch in der Bundespolitik effektiv vertreten zu können. Bloße „Feigenblatt-Listenplätze“, wie sie in der Vergangenheit oftmals als bemerkenswerter Fortschritt in der Politik verkauft wurden, reichen jetzt nicht mehr aus.

Nun, das war nur ein kurzer und bei weitem nicht vollständiger Überblick über die zu erwartenden Highlights des Jahres 2006, doch das Jahr 2006 verspricht wahrlich sehr ereignisreich und spannend zu werden. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein „Prosit 2006!“.

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