Anlässlich des bevorstehenden fünften Jahrestages der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) in Deutschland am 26. März fand kürzlich eine Fachveranstaltung im Kleisthaus in Berlin statt.
Zu der ganztägigen Konferenz am 17. März 2014 lud die Beauftragte der deutschen Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele, gemeinsam mit der BRK Allianz ein.
Sind die Etappenziele erreicht?
„Die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist ein Grundstein für eine Gesellschaft, in der sich jeder beteiligen und entfalten und seinen Platz finden kann“ so Verena Bentele anlässlich der Feier zum fünften Jahrestag der Ratifizierung der Konvention.
Als mehrfache Paralympics-Siegerin betrachte sie die Umsetzung sportlich und stellte unter anderem Fragen wie „Sind die Etappenziele erreicht?“ und „Wie sieht der Trainingsplan aus?“
Bentele betonte auch, dass es viele Leuchttürme in der Umsetzung gebe, nach denen man Ausschau halten müsse.
Kommt deutsches Teilhabegesetz 2016?
Das geplante Teilhabegesetz müsse laut Bentele den Paradigmenwechsel weg vom Fürsorgegedanken verwirklichen, es müsse sichergestellt werden, dass die Einkommens- bzw. Vermögensgrenze fallen und konkrete Ziele zur Änderung der Sozialgesetzbuch 12 vorliegen.
Aufhorchen ließ die Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeits- und Sozialministerium, Annette Kramme, die im Laufe der Veranstaltung ein Teilhabegesetz für das Jahr 2016 ankündigte.
Inklusion als Menschenrecht
Die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen „ist ein Meilenstein“, hielt Christoph Strässer, Beauftragter für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe der deutschen Bundesregierung, fest und betonte, „dass Inklusion ein Grund- und Menschenrecht ist“. Strässer meinte weiters, dass „Inklusion auch dadurch verwirklicht wird, dass Verwaltung, Regierung und Zivilgesellschaft zusammen arbeiten.“
Er ermutigte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, weiter „zu insistieren“, damit Menschenrechtspolitik Anregungen erhalte.
Abschließend bezog er sich auf den Spruch des chinesischen Philosophen Konfuzius „Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt“. Es sei schon mehr als ein Schritt getan, aber es bleibe noch ein gutes Wegstück, so der Beauftragte für Menschenrechtspolitik der deutschen Bundesregierung.
Verwirklichung von Rechts- und Geschäftsfähigkeit
Klaus Lachwitz, Präsident von Inclusion International, ging auf die laufende Diskussion zur Verwirklichung von Rechts- und Geschäftsfähigkeit (Artikel 12 der Konvention), – es liegt ein Entwurf des UN-Fachausschusses in Genf zum Thema vor – ein: „Den Menschen soll nichts genommen, sondern gegeben werden: ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit.“ Lachwitz betonte die Notwendigkeit, das Wahlrecht für alle Menschen uneingeschränkt sicherzustellen.
Er kritisierte die Deutsche Bundesregierung in diesem Zusammenhang scharf. Deren Stellungnahme zum Entwurf des UN-Fachausschusses sei „eine einzige Frechheit“ gewesen, zeigte er sich verärgert und hob als Positivbeispiel Norwegen hervor.
Dort habe man die Konvention konsequenterweise mit einem Vorbehalt zu Artikel 12 ratifiziert, jedoch in der Stellungnahme deutlich gemacht, dass die Intentionen der Bestimmung verstanden wurde. Vor allem die Notwendigkeit klarer Kriterien, um Missbrauch zu verhindern sei von Seiten Norwegens hervorgestrichen worden, wie Lachwitz lobend anmerkte.
Herausforderung ist die Gewährleistung der Partizipation
Marianne Schulze, Menschenrechtskonsulentin und Vorsitzende des österreichischen Monitoringausschusses, berichtete in einem humorvoll vorgetragenen Bericht über die Entwicklungen in Österreich und zog Vergleiche mit Deutschland.
„In Österreich hat es offenbar sehr moderate Erwartungen an das Monitoringgremium der Konvention gegeben“, blickte Schulze zurück und führte aus: Als Sub-Gremium des Bundesbehindertenbeirats – dessen Aufgabe die Beratung des Sozialministers in Anliegen von Menschen mit Behinderungen ist – war weder in Sitzungsfrequenz noch in inhaltlicher Positionierung vom Ausschuss viel erwartet worden. Die sieben Mitglieder, allesamt von der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation bestellt, sind also dem historisch zuständigen Fachministerium beigegeben und arbeiten ohne ein eigenes Budget.
Um Partizipation zu ermöglichen, hält der Monitoringausschuss zwei mal jährlich öffentliche Sitzungen ab, „zuletzt eine zu den Handlungsempfehlungen unter Teilnahme von mehr als 300 Personen“, informierte Schulze.
Die Bemühungen um Partizipation auf Augenhöhe spiegeln sich gut in der Gestaltung der Arbeitsgruppe zu unterstützter Entscheidungsfindung des Justizministeriums wider. Diese wurde in Reaktion zur Kritik am Sachwalterrecht – die österreichische Variante des Betreuungsrechts – initiiert und hat zum Ziel, Alternativen zu entwickeln.
Themen, die in beiden Ländern ein „mehr an Aufmerksamkeit und insbesondere Diskussion mit SelbstvertreterInnen bedürfen“, sind das Unterbringungsrecht und die Frage der De-Institutionalisierung.
Österreichs Staatenprüfung hat im September 2013 stattgefunden, vor ziemlich genau einem halben Jahr wurden die Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Diese trafen in der Intensivphase des österreichischen Wahlkampfs ein und scheinen noch nicht so recht angekommen zu sein.
„Bisher ist wenig passiert“, musste Schulze festhalten und führte aus: Aber es gibt einige positive Aktivitäten. Eines der Beispiele wäre eine Arbeitsgruppe im Außenministerium, die die Übersetzung der Konvention ins Deutsche nachjustiert. Österreich wird diese Änderungen unabhängig von anderen deutschsprachigen Ländern vornehmen.
Die Kampagne der deutschen Bundesregierung zur Konvention und ihren Inhalten ist eindeutig positiv zu werten, „in Österreich fehlt es bis dato an solchen Maßnahmen“, wie auch an grundlegenderen Bemühungen, ein modernes Bild von Menschen mit Behinderungen zu prägen, zeigt sie auf und verweist auf Landesaktionspläne. Aus österreichischer Sicht sind die Länderaktivitäten in Deutschland vielversprechender.
Stand der Umsetzung aus zivilgesellschaftlicher Sicht
Sigrid Arnade, eine der SprecherInnen der BRK Allianz, erläuterte in ihrer Bilanz über fünf Jahre Konvention für Deutschland den Stand der Umsetzung in aus zivilgesellschaftlicher Sicht. Es gebe bereits 11 Landesaktionspläne und vier weitere sind in Planung.
Am Nationalen Aktionsplan bemängelte sie unter anderem die fehlende Menschenrechtsperspektive und Anbindung an die Konventionsverpflichtungen. „Die Demonstrationsfreiheit wird nicht unter Vorbehalt behandelt,“ insistierte Arnade zur Frage der Finanzierung von Implementierungsmaßnahmen. Unter Bezug auf die Kostenexplosion des neuen Berliner Flughafens hielt sie trocken fest: „Geld gibts derzeit nur für Flughäfen.“
Die Wichtigkeit „angemessener Vorkehrungen“ sei noch nicht hinreichend berücksichtigt und die Partizipation von SelbstvertreterInnen noch „nicht echt“, führte Arnade abschließend aus.