Diese Frage beschäftigt Menschen mit Behinderungen, Eltern von Jugendlichen mit Behinderungen, Integration Wien, und Fachkräfte schon lange.
Das Ministerium für Bildung, Kunst und Kultur (bm:ukk) legt wiederum einen Gesetzesentwurf vor, der das Recht auf schulische Integration lediglich in Polytechnischen Schulen und in einjährigen Haushaltungsschulen vorsieht. Dieser soll mit dem heutigen Tag, 19. Jänner 2012, im Nationalrat beschlossen werden. Integration Wien lehnt diese Schmalspurvariante ab.
Kinder mit Behinderungen haben seit den Jahren 1993 und 1997 das Recht, gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen die Volksschule, die Unterstufe der allgemein bildenden höheren Schule, die Hauptschule/Kooperative Mittelschule oder die Neue Mittelschule zu besuchen. Seit über zehn Jahren fehlt die gesetzliche Verankerung auf das Recht der schulischen Integration in der neunten Schulstufe sowie in der Sekundarstufe II. Eine Ausnahme ist der Besuch der Berufsschule im Rahmen der Integrativen Berufsausbildung, ab dem 10. Schuljahr.
Zum jetzigen Zeitpunkt können SchülerInnen mit Behinderungen das neunte Schuljahr, ausschließlich an Polytechnischen Schulen und an einzelnen berufsbildenden Schulformen- in Form von Schulversuchen – besuchen. Viele SchülerInnen die Integrationsklassen besucht haben, wechseln in Sonderpädagogische Zentren. Grund dafür ist, dass sie dort weitere Schuljahre absolvieren können.
Ein Kampf seit über 11 Jahren
Im Jahr 2001 wurde von der zuständigen Ministerin des bm:ukk ein Gesetzesentwurf zur Weiterführung der schulischen Integration für ein Schuljahr und ausschließlich an Polytechnischen Schulen vorgelegt. Der Entwurf ist aufgrund der Widerstände der Opposition, Elternvertretung und engagierten PädagogInnen im Parlament gescheitert, da nur die Polytechnische Schule als mögliche Schulform angedacht war. Der Forderung nach Öffnung aller Berufsbildenden Schulen wurde somit nicht entsprochen. Elf Jahre später wird erneut ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der ausschließlich die gesetzliche Verankerung der schulischen Integration in Polytechnischen Schulen und in einjährigen Haushaltungsschulen enthält.
„Integration Wien lehnt diesen Entwurf ab, da dieser ebenso wie im Jahr 2001, eine Schmalspurvariante darstellt. Eine gesetzliche Regelung der schulischen Integration an lediglich zwei Schultypen und für ein Schuljahr ist nicht zielführend“, so Renate Seper die Vereinsvorsitzende von Integration Wien.
Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit
Im Sinne des Artikels 24 „Inklusive Bildung“ der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat sich die Bundesrepublik Österreich mit Oktober 2008 verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem nach den Prinzipien der Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit zu gewährleisten.
„Wir fordern die Verankerung von gesetzlichen Grundlagen für inklusive Bildung in allen Schularten in der Sekundarstufe II einschließlich aller privaten Bildungseinrichtungen. Es braucht pädagogische Konzepte, ausreichend personelle und materielle Ressourcen, AssistentInnen, GebärdensprachdolmetscherInnen, inklusive Aus- und Fortbildung von PädagogInnen u.a“, so Seper.
Abschließend hält Renate Seper fest: „Für die Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems braucht es nicht nur politischen Willen, sondern auch massive strukturelle Veränderungen. Acht Jahre schulische Integration – und dann? Eine Frage, die sich junge Frauen und Männer mit Behinderungen und deren Eltern bzw. Angehörige, für weitere elf Jahre stellen müssen?!“