Dorner: Gesellschaftspolitischer Handlungsbedarf - Ursache und Wirkung nicht verwechseln
Sehr betroffen reagierte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Walter Dorner, auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes, das den Eltern für eine in der Schwangerschaft fehlerhaft übersehene Behinderung ihres Kindes einen Schadenersatzanspruch im Umfang der Lebenshaltungskosten zuspricht. Dieses Erkenntnis stürze die Ärztinnen und Ärzte in ein ethisches Dilemma und zeige großen gesellschafts- und rechtpolitischen Handlungsbedarf auf, so der Ärztechef Mittwoch in einer Aussendung.
Er spricht sich für eine Entflechtung von Schadenersatzrecht und schicksalhafter menschlicher Behinderung aus. Ferner fordert er „eine kompromisslose Förderung behinderter Menschen durch die generelle, großzügige Übernahme des Mehraufwandes für die Lebenshaltung“. Das sei sich eine humane, demokratische und rechtsstaatlich geprägte Gesellschaft schuldig, meinte der Ärztepräsident.
Schicksalhaft gegebene Behinderung könne laut Dorner kein von Ärzten verursachter Schaden sein: „Diese Fehlentwicklungen sind keinesfalls Folge ärztlicher Fehlleistung.“ Auch bei ordnungsgemäßer medizinischer Diagnose gebe es keine Therapie gegen solche Störungen bei Embryonen.
„Es liegt hier eine fatale Vermischung von Ursache, Verschulden und Wirkung vor, ein Konflikt in der Abwägung von Gütern und Werten, deren ideelle, gesellschafts- und rechtspolitische Konsequenzen aus ärztlicher Sicht zu beachten wären.“ Eine gesetzlich mögliche Abtreibung behinderten Lebens wäre keine Therapie der Behinderung, sondern die Beseitigung des Anlasses, sagte Dorner.
Schlussfolgerungen, wonach der Oberste Gerichtshof mit seinem Urteil die Lebensberechtigung an bestimmte „qualitative Kriterien menschlichen Lebens“ binde, seien, so der Ärztepräsident weiter, nicht von der Hand zu weisen. Dorner: „Die Ärzte stehen für das Heilen und Helfen. Die Lebensberechtigung darf dabei nicht willkürlich, direkt oder indirekt an Erwartungen über körperliche, intellektuelle oder optische Qualitäten gebunden werden!“
Ärztinnen und Ärzte würden durch den Entscheid des Höchstgerichtes nun dazu gezwungen, werdende Eltern schon bei geringstem Verdacht nachweislich auf die potenzielle Behinderung ihres Kindes und die Möglichkeit einer Schwangerschaftsunterbrechung hinzuweisen.
Dies sei ethisch bedenklich und habe „einen üblen eugenischen Beigeschmack“, dem sich die Ärztinnen und Ärzte sicherlich nicht ausliefern wollten, so der ÖÄK-Chef. Dorner wird mit dieser Frage die Ethik-Kommission der Österreichischen Ärztekammer befassen.