Alles auf Anfang?

Heute vor zehn Jahren - am 19. August - wurde in Kassel die "Kooperation Behinderter im Internet e.V." gegründet .

Vereinsgründung kobinet am 19. August 2002 in Kassel
BIZEPS

Der Wiener Martin Ladstätter und der Berliner Franz Schmahl waren dabei. (Siehe Artikel). Sie blicken ein wenig auf den Anfang zurück und machen sich Gedanken, wie es mit kobinet weitergehen könnte. Ihr Gespräch haben sie per Skype, SMS und Mail geführt.

Schmahl: Hi Martin, im Duderstädter Sommercamp habt ihr schon mit Sekt auf das Jubiläum angestoßen. Friede, Freude, Eierkuchen! Wirklich ein Grund zum Feiern?

Ladstätter: Servus Franz, warum nicht? Ja, aus meiner Sicht ist es 100 %ig ein Grund zum Feiern. 10 Jahre sind eine lange Zeit und es zeigt, wie kontinuierlich wir an dem Betrieb eines tagesaktuellen Nachrichtendienstes arbeiten. Aber natürlich ist Kritik am Erreichten ernst zu nehmen. Es gibt Stimmen von Leserinnen und Lesern, dass unser Online-Nachrichtendienst inzwischen etwas angestaubt ist.

Schmahl: Kritik sollte uns anspornen, das Profil des Angebots tagesaktueller Meldungen und Berichte zu schärfen. Die Ansprüche an die Qualität, also vor allem Neuigkeitswert und Informationsgehalt, sind gestiegen. Vielleicht ist weniger manchmal mehr?

Ladstätter: Was meinst du damit genau?

Schmahl: Als wir am Anfang dieses Projekts standen, hatten wir dafür zu sorgen, dass jeden Tag was Neues zu lesen war. Je mehr wir brachten, desto mehr Interesse an diesem Nachrichtenangebot gab es. Mit den Zugriffszahlen auf die kobinet-nachrichten sind aber nun die Ansprüche an die Qualität gestiegen. Dem müssen wir uns stellen.

Ladstätter: Der an uns gestellte Qualitätsanspruch ist natürlich teilweise schon herausfordernd. Immer wieder gibt es bei uns auch Nachrichten, die nicht so gut gelungen sind. Manches Mal setzen sie mir viel zu viel Insiderwissen voraus, manch andere Meldung ist schlicht gar keine Nachricht, sondern eine „billige“ Terminankündigung.

Schmahl: Ja, für Termine haben wir extra eine Rubrik eingerichtet, die mehr oder weniger gut funktioniert. Aber manche Terminankündigung hat Nachrichtenwert. Ich brenne schon darauf, die Veranstaltung am 26./27. Oktober für Menschen mit Behinderungen im Deutschen Bundestag anzukündigen …

Ladstätter: Meinst du etwa die im vergangenen Jahr verschobene Veranstaltung, weil zu viele Frauen und Männer im Rollstuhl eingeladen worden waren. Wie ist denn jetzt der Einladungsmodus geregelt?

Schmahl: Das weiß ich noch nicht. Aber der Termin ist eine Nachricht wert. Insiderwissen braucht jeder, der News in die Welt setzt. Doch Nachrichten müssen einfach und verständlich geschrieben sein. Gefährlich ist es, Floskeln von Politikern, Fremdwörter und Abkürzungen von Verbandsfunktionären zu übernehmen, um so mit vermeintlichem Insiderwissen zu glänzen.

Ladstätter: Wo sollten wir uns unbedingt verbessern? Brauchen wir einen Neuanfang?

Schmahl: Alles auf Anfang – das geht nur im Film. Zusammen mit Leserinnen und Lesern dieses Nachrichtendienstes müssen alle Beteiligten daran interessiert sein, jeden Tag neu zu überlegen, ob kobinet mit den Nachrichten, Berichten und gelegentlich Kommentaren tatsächlich am Puls des Zeitgeschehens arbeitet oder nur noch als Pinnwand für alle möglichen Akteure unserer bunten Behindertenszene fungiert. Unser Nachrichtendienst ist bei aktiver Mitarbeit seiner Leserinnen und Leser gewachsen. Diese Mitarbeit müssen wir noch besser organisieren. Sie bleibt entscheidend für die Zukunft.

Ladstätter: Im Leserbriefforum wird immer mehr anonym gepostet. Sollen Infos von Verfassern mit Alias-Namen nun etwa auch in den redaktionellen Teil gelangen?

Schmahl: Nein, natürlich nicht! Im Forum müssen wir es hinnehmen, dass jemand sich nicht traut, seine Meinung unter seinem Namen zu veröffentlichen. Im redaktionellen Teil geht das nicht.

Ladstätter: Zumindest nicht als anonymer Artikel. Wichtig fände ich aber, dass sich die Anzahl der Hinweise unserer Leserinnen und Leser auf Vorgänge erhöhen würde, über die zu berichten wäre. Wichtig fände ich auch, dass unser Nachrichtendienst mehr Interviews zu aktuellen Vorgängen bringt. Pressemeldungen auf das Wesentliche zu reduzieren ist das eine, aber Originalaussagen sind einfach eine andere Qualität – besonders, wenn die Fragen wohlüberlegt sind. Wie siehst du das?

Schmahl: Genau so! Ein aktuelles Interview kann mit wenigen Fragen auf den Punkt kommen, wenn der oder die Interviewte mitmacht.

Ladstätter: Abschließend noch eine Frage. Wie soll sich deiner Meinung nach der Nachrichtendienst in den nächsten zwei Jahren weiterentwickeln?

Schmahl: Mit Nachrichten, die zur Diskussion anregen, zur Diskussion auch über Aktion. Handlungsbedarf diktiert die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Am Ende des Jubiläumsjahrs müssen wir gemeinsam überlegen, wie es weiter gehen soll und ob überhaupt. Wir werden ja alle nicht jünger. Nachwuchs heranzuziehen – das haben wir bisher nicht geschafft. Aber ein tagesaktueller Nachrichtendienst sollte auch für junge Leute interessant sein.

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