Barbara Tschann

„Am eigenen Leib erlebt, wie hoch die Bereitschaft zur Diskriminierung ist“

Barbara Tschann hat im Jahr 2006 ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck abgeschlossen. Nun möchte sie Richterin werden. Da sie blind ist, sehen einige ein Problem darin.

Die Wellen schlugen wieder hoch. Nicht zum ersten Mal wurde in Österreich diskutiert, ob eine blinde Person Richter bzw.Richterin werden kann. Der Vorsitzende der Bundessektion Richter und Staatsanwälte, Dr. Klaus Schröder, hat mehrfach – unter anderem im BIZEPS-INFO Interview – öffentlich Stellung genommen und „auf gewisse Probleme hingewiesen„.

Sehr deutlich hat dagegen die Justizministerin, Dr. Maria Berger, (SPÖ) gegenüber BIZEPS-INFO dazu Position bezogen. Es bestehe kein Zweifel, dass es einen gleichberechtigten Zugang zum Richterberuf geben muss.

Ausführlichen meldet sich nun Mag. Barbara Tschann zu Wort. Im folgenden Interview legt sie deutlich ihre Beweggründe dar und hofft, ihrem „Ziel einige Schritte näher zu kommen“. Auch wenn die öffentliche Diskussion schwierig war ist sie froh, „Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf Gleichstellung und Diskriminierung geleistet zu haben“.

Zur Person

Mag. Tschanns beruflicher Werdegang führte sie sogar ins Ausland. Sie kommt aus Dornbirn, wo sie auch die Volksschule besuchte. Danach ist sie in einem Internat für sehbehinderte und blinde Menschen in der Schweiz gewesen; anschließend hat sie eine Handelsschule in Zürich absolviert, welche die Integration von blinden Schülern ermöglichte.

Sie erzählt, dass sie von Geburt an stark sehbehindert war und mit knapp 13 Jahren am rechten Auge erblindete. „Am linken Auge, kann ich heute noch Schatten wahrnehmen“, berichtet sie weiter. Ihr sportliches Ziel ist es, sich als Dressurreiterin für die Paralympics 2008 in China zu qualifizieren.

„Will mich für Gerechtigkeit einsetzen“

BIZEPS-INFO: Warum haben Sie sich entschlossen, Jus zu studieren?

Mag. Barbara Tschann: Weil ich den Wunsch habe, in meinem Leben etwas in der Gesellschaft zu bewegen. Weil ich mich für Gerechtigkeit einsetzen will. Weil ich gegen Diskriminierung kämpfen möchte. Zu all dem braucht man aber eine juristische Ausbildung, welche einem die Grundlage für so ein Vorhaben liefert.

Ich wollte auch aufzeigen, was trotz einer Behinderung möglich ist und anderen behinderten Menschen Mut machen, dass auch sie ihre Ausbildungswünsche verwirklichen können, ohne sich von Vorurteilen davon abhalten zu lassen.

BIZEPS-INFO: In den Medien wurde sehr emotional berichtet. Wie kam es dazu, dass Ihr Berufswunsch „Richterin“ öffentlich diskutiert wurde?

Barbara Tschann: Als ich als Rechtspraktikantin am Gericht anfing und nachfragte, ob ich die gleichen Chancen bekommen würde, wie ein normalsehender Mensch. Ich fragte auch nach, ob, wenn meine Leistungen während der Gerichtspraxis angemessen sind, ich auch gleich wie alle anderen zum Übernahmeverfahren zugelassen werde.

Zeitungen wurden dann auf mich aufmerksam. Ich habe ja gewusst, dass es in Österreich ein Tabuthema ist, dass blinde Meschen Richter werden sollen und dieses Tabuthema wollte ich brechen. Ich wollte Vorurteile und Barrieren abbauen, die es zu Genüge gibt.

BIZEPS-INFO: Fühlten Sie sich durch die öffentliche Diskussion diskriminiert?

Barbara Tschann: Ich habe ja dazu beigetragen, dass diese öffentliche Diskussion stattfindet. Ich fühle mich nur teilweise diskriminiert und zwar von den Leuten, welche sich vehement gegen mein Vorhaben, Richterin zu werden, aussprechen, aber anstatt Gegenargumente nur Vorurteile haben.

BIZEPS-INFO: Was meinen Sie konkret?

Barbara Tschann: Zum Beispiel, wenn ich Richterin werde, dann haben meine Richterkollegen mehr Arbeit, weil sie meine Arbeit miterledigen müssen. Die nächsthöhere Instanz hat mehr Arbeit, weil ich keine brauchbaren Urteile schreiben kann. Augenschein ist nicht möglich usw.

„Leute reden über etwas, das sie gar nicht beurteilen können“

BIZEPS-INFO: Wie empfinden Sie das?

Barbara Tschann: Im Prinzip reden diese Leute über etwas, das sie gar nicht beurteilen können, denn sie kennen mich nicht, sie kennen meine Arbeitsweise nicht und es hat noch nie einen oder eine blinde Richterin in Österreich gegeben, also woher nehmen diese Leute ihre Erfahrungswerte, und da sie noch keine Erfahrungen mit blinden Richtern gemacht haben, können es nur Vorurteile sein, welche ich als diskriminierend empfinde.

Ich finde es traurig, dass in unserer Gesellschaft in der heutigen Zeit noch so ein primitives Denken herrscht, und es hat mir gezeigt, dass dringend Handlungsbedarf in unserer Gesellschaft besteht. In Deutschland sind sie offensichtlich weiter wie bei uns in Österreich, denn da gibt es derzeit 60 blinde Richter und das Rechtssystem ist bis jetzt daran noch nicht zusammengebrochen.

BIZEPS-INFO: Wie erklären Sie sich, dass über Ihren Berufswunsch diskutiert wird, obwohl Sie – spätestens seit dem Vorjahr – ein Recht auf die Berufswahl „Richterin“ haben?

Barbara Tschann: Vorurteile vieler Richter, die Angst davor haben, mit etwas konfrontiert zu werden, mit dem sie nicht umgehen können. Sie haben Angst, dass sie meine Arbeit miterledigen müssten, weil ich ja unfähig dazu bin. Die Gesellschaft allgemein leidet unter extremen Vorurteilen gegenüber behinderten Menschen.

Die Leute haben Berührungsängste und wollen nicht mit Menschen konfrontiert werden, welche eine Behinderung haben. Andererseits zeigt ein Mensch mit Behinderung den „nicht behinderten“ Menschen auf, welche Defizite diese haben. Menschen, die in ihrem Leben nie etwas erreicht haben, oder immer durch andere im Leben weiter gekommen sind, fühlen sich von Menschen, welche mit Behinderung ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, angegriffen, weil dies ihnen ihre eigenen Schwächen aufzeigt und das wollen sie nicht.

Viele Leute in unserer Gesellschaft befassen sich überhaupt nicht mit Menschen, welche eine Behinderung haben und leiden somit unter solch mittelalterlichen Vorurteilen, dass es einem durchschnittlich gebildeten Menschen in unserer Gesellschaft schlecht werden könnte. Ich habe durch diese Diskussion am eigenen Leib erlebt, wie hoch die Bereitschaft zur Diskriminierung in unserem Land ist und es hat mich erschreckt.

„Es ist noch ein sehr, sehr langer Weg“

BIZEPS-INFO: Wie schätzen Sie den Stand der Gleichstellung in Österreich ein?

Barbara Tschann: Es ist noch ein sehr, sehr langer Weg, bis die Gleichstellung in der österreichischen Gesellschaft verankert ist. Gesetze sind schön und gut, aber das Umdenken der Menschen fehlt und es bedeutet viel Aufklärungsarbeit an Schulen, in Arbeitsbetrieben, im privaten Bereich, damit die Gleichstellung auch funktionieren kann.

Ich bin der Meinung, dass Österreich noch lange nicht so weit ist. Das zeigt die Diskussion zu meinem Berufswunsch „Richterin“ nur zu deutlich. Eigentlich sollte nicht darüber diskutiert werden, denn eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen mit Behinderung, mit gleicher Qualifikation, Richter werden können.

BIZEPS-INFO: Freut es Sie, dass die Bundesministerin, Dr. Maria Berger, (SPÖ) klar Stellung genommen hat?

Barbara Tschann: Ich finde es sehr mutig von ihr und ich war sehr erfreut zu hören, dass sie mir keine Steine in den Weg legt. Die Aussagen der Frau Bundesministerin Berger, lassen mich hoffen, dass doch noch irgendwann ein Umdenken in unserer Gesellschaft stattfindet. Ich danke ihr auf jeden Fall für ihre Unterstützung durch ihre klare Stellungnahme.

BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview und wünschen Ihnen viel Erfolg!

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