„In Arbeit kommen und bleiben“ – geschützte und unterstützte Beschäftigungsformen

Eine Möglichkeit zur Inklusion von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt?

Erwin Buchinger Maria Egger Angela Wegscheider
Behindertenanwaltschaft/Michael Schiener

„In Arbeit kommen und bleiben“, das war das Thema einer Pressekonferenz am 2. März 2016 unter der Leitung von Behindertenanwalt Dr. Erwin Buchinger. Aktuelle Zahlen zeigen, dass sich die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen in den letzten Jahren noch weiter erhöht hat. 2015 hatte bereits jeder fünfte Arbeitslose eine Behinderung.

Beschäftigungspolitische Initiativen für Menschen mit Behinderungen sind daher eine dringliche Notwendigkeit. Eine aktuelle Studie zeigt den Nutzen von geschützter Arbeit und den vielfältigen Formen von Kombinationen und Übergängen von geschützter Arbeit und Arbeit im Regelarbeitsmarkt auf.

Studie

Die Studie „In Arbeit kommen und bleiben: Geschützte Arbeit und unterstützte Beschäftigung in vergleichender Perspektive“ untersucht aktuelle Reformen und Reformvorhaben von geschützter Arbeit und unterstützter Beschäftigung in Deutschland, Großbritannien, denNiederlanden, Schweden und Oberösterreich. Durchgeführt wurde die Studie von der Johannes Kepler Universität Linz. Die Studie wurde von der Behindertenanwaltschaft und dem Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung in Auftrag gegeben.

Im Hinblick auf die Situation in Österreich lassen die Ergebnisse der Studie folgende Schlussfolgerungen zu. Österreich müsse weg von dem Entweder-Oder-Prinzip, das heißt, entweder geschützte Beschäftigung oder erster Arbeitsmarkt. Es sollte einen Zwischenraum geben, welcher ein arbeitsmarktnahes, absicherndes, sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis für Menschen mit Behinderungen darstellt.

Es sollte ein Ineinandergreifen der rechtlichen Rahmenbedingungen geben, das heißt, es sollte möglich sein, zwischen den einzelnen Arbeitssystemen zu wechseln. Man sollte ein Rückkehrrecht haben, wenn der Versuch am ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten nicht funktioniert und man sollte auch die Transferleistungen nicht verlieren. Zudem sollen die Rahmenbedingungen in geschützten Arbeitsbereichen den Rahmenbedingungen der Arbeit am ersten Regelarbeitsmarkt angepasst werden.

Das bedeutet Leistungs- und Lohnansprüche auch für Menschen, die als erwerbsunfähig eingestuft wurden. Der geschützte Bereich sollte nicht konjunkturabhängig sein, also unabhängig von der wirtschaftlichen Lage. Er soll die Arbeitsfähigkeit und die Selbstständigkeit der Menschen mit Behinderungen erhalten.

Es ist wichtig, Menschen in geschützten Bereichen immer wieder zu motivieren und zu empowern, auf den ersten Arbeitsmarkt zu gehen, dort auch zu bleiben und sie auf ihrem Weg dorthin zu begleiten und zu unterstützen. Ziel ist die Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt, aber es soll auch die vorher genannten Zwischenräume geben. Diese sollten den Menschen zwar Sicherheit geben, aber auch die Selbstständigkeit fördern.

Behindertenanwalt Buchinger fordert Initiativen

Für den Behindertenanwalt Dr. Erwin Buchinger ist klar, dass die steigende Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen nicht einfach hingenommen werden darf. Hier muss es eine beschäftigungspolitische Initiative geben, die den Schwerpunkt auf den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt legt. Deshalb hat Dr. Erwin Buchinger folgende Forderungen an die Politik. 

  • Eine Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderungen mit Mitteln aus dem Budget des AMS und SMS. Ausweitung der Einstellungsbeihilfen im privaten Sektor und eine höhere Ausgleichstaxe. Aussetzung des weitgehenden Einstellungsstopps für Menschen mit Behinderungen im Bundesdienst.
  • Einbeziehung von Jugendlichen mit Behinderungen in die Regelungen des geplanten Jugendausbildungsgesetzes, keine Einstellung der Ausbildungspflicht für Jugendliche mit körperlichen, intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen, die derzeit nicht oder dauerhaft nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden können.
  • Menschen mit Behinderungen sollen eine eigene prioritäre Zielgruppe mit quantitativen und qualitativen Zielsetzungen im Zielkatalog des AMS werden.
  • Entgeltanspruch über der Geringfügigkeitsgrenze für Menschen, die in tagesstrukturierten Einrichtungen beschäftigt sind.
  • Ausbau von persönlicher Assistenz am Arbeitsplatz unabhängig von der Einstufung für das Pflegegeld in Richtung Bereitstellung des individuellen Unterstützungsbedarfes am Arbeitsplatz.

Die Lockerung des Kündigungsschutzes brachte laut Buchinger keine Verbesserung für die Arbeitssituation für Menschen mit Behinderungen. Eine deutliche Änderung könnte hingegen eine massive Erhöhung oder Verdoppelung der Ausgleichtaxe bringen.

„Best practice“ Beispiel FAB:

Beispielhaft für das gute Zusammenspiel zwischen geschütztem Arbeitsmarkt und unterstützter Beschäftigung ist laut Buchinger die oberösterreichische Organisation FAB. Die Zielgruppe des FAB sind Menschen, die nachweislich noch nicht auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind.

Der FAB versteht sich nicht als Einrichtung, sondern als ein Angebot integrativer Arbeit in betrieblicher Struktur. Das Besondere an seinem Angebot ist, dass der FAB seinen Beschäftigten ein sozialversicherungsrechtlich abgesichertes Dienstverhältnis bietet, mit einer Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze aber unter dem Kollektivvertragsniveau. Maria Egger, Inklusionsbeauftragte der BBRZ Gruppe, glaubt, mit diesem Modell in Oberösterreich gerade Menschen, denen es noch nicht möglich ist, einer existenzsicherenden Arbeit nachzugehen, einen Zwischenraum zu bieten, in dem sie sinnstiftenden Arbeiten nachgehen können.

Auch wenn die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt das Ziel ist, gibt es Menschen, die ganz dringend die geschützten Arbeitsplätze in den Produktionsstätten des FAB brauchen, so Egger. Dabei sind auch Wahlfreiheit und ein vielfaltiges Arbeitsangebot in verschiedenen Bereichen wichtig. Der FAB bietet sowohl Arbeit in eigenen Produktionsstätten als auch die Möglichkeit, mit Unterstützung eines Arbeitsbegleiters oder einer Arbeitsbegleiterin auf einen Einzelarbeitsplatz in den Regelarbeitsmarkt zu wechseln.

Worum es dem FAB vor allem geht, ist, dass die Arbeit von Menschen mit Behinderungen als Arbeit bewertet und auch dementsprechend bezahlt wird. Erwerbsarbeit hat laut Egger den Zweck der sozialen Einbindung, den Zweck des Erhalts eines entsprechenden Gehaltes und den Zweck der Existenzsicherung. Arbeit ist aber auch wichtig für die soziale Identität eines Menschen. Insgesamt ist Egger davon überzeugt, dass es vielfältige Angebote für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen braucht. Ein Ziel ist auch, dass Menschen, die in Werkstätten arbeiten und bis jetzt nur ein Taschengeld bekommen, ein existenzsicherendes Einkommen erhalten.

Fazit

Es braucht derzeit noch geschützte Arbeitsformen und unterstützte Beschäftigungsformen. Wichtig ist, dass diese Systeme nicht geschlossen sondern nach beiden Seiten durchlässig sind und bleiben. Die Wahlmöglichkeit und Selbstbestimmung der zukünftigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen soll im Vordergrund stehen. Das Ziel geschützter Beschäftigungsformen muss weiterhin die Inklusion auf dem besten Arbeitsmarkt bleiben. Geschützte Arbeitsformen, auch jene in Werkstätten, sind selbst dann aufzuwerten, wenn sie nur eine Zwischenstation sind.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Die Kommentarfunktion für diesen Artikel ist abgeschalten.

Ein Kommentar

  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich möchte gerne eine Ausbildung für Kreativtherapeutin machen und suche daher im Sozialpädagogischen Bereich Werkstatt eine Anstellung.

    Mit freundlichen Grüßen
    Hoda Sabine