Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung: Volksanwaltschaft ortet „unbefriedigende und unzulässige“ Situation

Die schwierige arbeits- und sozialrechtliche Situation von Menschen mit Behinderung stand im Mittelpunkt der Debatte im Nationalratsplenum über einen Sonderbericht der Volksanwaltschaft (VA).

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„Unbefriedigend und unzulässig“ lautet das negative Resümee der Volksanwälte, dem auch die Abgeordneten unisono beipflichteten. Die Opposition legte direkt in der Sitzung Entschließungen vor, die jedoch keine Mehrheit fanden. ÖVP und Grüne haben demgegenüber einen selbständigen Antrag eingebracht, der im Sozialausschuss behandelt werden soll. Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft wurde einhellig zu Kenntnis genommen.

Abgeordnete drängen auf Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt

Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft zur Lage der Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt zeigt ein tristes Bild: mangels inklusiven Arbeitsmarkts müssten die Betroffenen in Werkstätten für ein Taschengeld und ohne eigenen Anspruch auf Sozialversicherung arbeiten. Dadurch werde ihnen eine Abhängigkeit von der Sozialhilfe und ein Leben auf unterstem Existenzsicherungsniveau aufgezwungen, auch junge Personen würden häufig allzu schnell als nicht arbeitsfähig qualifiziert.

Mit Hinweis auf die 2020 anstehende Überprüfung Österreichs durch den UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung empfiehlt die Volksanwaltschaft der Bundes- und der Landespolitik mehrere Maßnahmen, die auf einen besseren Arbeitsmarktzugang für Menschen mit Behinderung samt gerechter Entlohnung und Versicherung abzielen.

Die Abgeordneten waren sich darin einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht – sowohl seitens des Bundes, in dessen Kompetenz das Sozialversicherungsrecht fällt, als auch seitens der Länder, die für das Behindertenrecht zuständig sind. Als nicht mehr tragbar wurde in der Debatte vor allem die Tatsache kritisiert, dass Menschen mit Behinderung keinen Lohn für ihre Arbeit in Tagesstrukturen oder in den Werkstätten erhalten, nicht selbständig sozial- und pensionsversichert sind und mehr oder weniger immer als Kind gelten. Sie seien mit den Eltern mitversichert und stünden mit der Waisenrente am Existenzminimum. Das entspreche nicht der UN-Behindertenrechtskonvention.

Als entscheidenden Punkt nannten Kira Grünberg (ÖVP) und Heike Grebien (Grüne) die Kriterien, mit denen Arbeitsfähigkeit bzw. dauerhafte Arbeitsunfähigkeit attestiert wird. Dabei orientiere man sich ausschließlich am medizinischen und nicht am sozialen Modell, kritisierte Grebien. Mit dem Befund der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit hätten die Betroffenen auch keinen Zugriff auf das bedarfsgerechte und ausdifferenzierte Netzwerk der beruflichen Assistenz, stellte Grünberg fest.

Die beiden Behindertensprecherinnen der Koalitionsparteien informierten daher über ihren diesbezüglichen selbständigen Antrag, der im Sozialausschuss behandelt werden soll. Im Kern geht es darum, dass die Feststellung der Arbeitsfähigkeit bzw. der dauernden Arbeitsunfähigkeit dem Paradigma des sozialen Modells entsprechen muss. Im Vordergrund müsse die Kompetenz der betreffenden Personen stehen, so Grünberg und Grebien.

Die drei Oppositionsparteien legten ebenfalls einen Antrag vor, der jedoch in der Sitzung abgestimmt wurde und nicht die erforderliche Mehrheit erhielt. Darin forderten Rudolf Silvan (SPÖ), Christian Ragger (FPÖ) und Fiona Fiedler (NEOS) die Bundesregierung auf, Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, wonach alle Menschen das Recht haben, in einem richtigen Arbeitsverhältnis zu arbeiten und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dieses Recht soll sowohl im Behindertengleichstellungsgesetz als auch im Bundesbehindertengesetz verankert werden. Ebenso müsse dies in den Zielsetzungen der Behindertengesetze der Länder fixiert werden.

Weitere Forderungen betreffen unter anderem den Entfall der Figur der Arbeitsunfähigkeit im Sozialrecht, den Einbau der Legalvermutung, dass alle Menschen mit Behinderungen bis zum Nachweis des Gegenteils als arbeitsfähig gelten, ferner die Schaffung eines erweiterten, durchlässigen Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderungen, den Zugang zu Leistungsangeboten für alle Menschen mit Behinderungen zu den Leistungen des Sozialministeriumservice sowie des Ausgleichstaxfonds und schließlich den Zugang zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in inklusiven Betrieben im Rahmen des Arbeitsrechts auf Grundlage einer kollektivvertraglichen Entlohnung.

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