Gerhard Wagner hat im Rahmen von Freak-Radio mit seinen Gästen im ORF-KulturCafe über die Schwierigkeiten gesprochen, als Waisenpensionsbezieher eine Arbeit ohne Risiko, viel Geld zu verlieren, anzunehmen und hat die Sendung zusammengefasst.
Irmgard Kampas ist Absolventin an einem von der Behindertenmilliarde geförderten Journalismuslehrgang. Da im Journalismus – vor allem im Anfangsstadium – sehr oft ohne fixe Anstellung auf Basis der Selbständigkeit gearbeitet wird, kommt sie in Konflikt mit den Bestimmungen der Waisenpension.
Wenn sie nämlich nur in einem Monat die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, riskiert sie, die Versicherungsberechtigung auf Dauer zu verlieren und sich trotz Behinderung ohne soziale Absicherung wiederzufinden. Dieses Risiko ist sehr vielen Menschen zu groß.
Bleibt sie unter der Geringfügigkeitsgrenze, verdient sie trotzdem nicht mehr als die kleine Pension mit Ausgleichszulage, von der man kaum leben kann (kaum mehr als 400 für alles!), weil ihr Verdienst fast zur Gänze auf die Ausgleichszulage angerechnet wird.
Dies führt dazu, dass behinderte Menschen mit Waisenpension, wenn sie nicht auf längere Zeit fix angestellt werden, kaum Möglichkeiten haben, sich auf eine Beschäftigung (schon gar eine selbständige) einzulassen.
Wie könnte man die Versicherung also so gestalten, dass selbständige Arbeit behinderter Menschen nicht automatisch bedeutet, die Pension auf Dauer zu verlieren oder „gratis“ zu arbeiten?
„Nur schwarz oder weiß“
Irmgard Kampas stört vor allem, dass der Gesetzgeber keine Möglichkeiten in den Berufseinstieg geschaffen hat:
„Es gibt nur schwarz oder weiß: Entweder man bekommt die Pension oder man ergreift einen Beruf und lebt davon. Aber dass es langsame Wege in die Berufstätigkeit gibt, dafür gibt es noch immer keine Lösung.
Um berufstätig zu werden, kann man meist nicht heute auf morgen mit einem Vierzigstunden-Beruf beginnen, sondern man braucht Praktika und muss klein anfangen, muss Kontakte knüpfen und so einen Weg finden, um sich hinauf zu arbeiten.
Im Journalismus gibt es für mich interessante Projekte, an denen ich mitarbeiten kann. Arbeite ich jetzt aber für eine befristete Zeit auf Honorarbasis mit, dann riskiere ich, aus dem Pensionsnetz heraus zu fallen. Da ich danach auch keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung hätte, fehlt mir dann jede Existenzsicherung. Genau das ist die Schwierigkeit, die Menschen mit Behinderungen den Einstieg in die Berufstätigkeit erschwert.“
Wie sieht dies bei der Dauerleistung in Wien aus?
Um arbeitswillige behinderte Menschen finanziell abzusichern, gibt es seit April 2001 eine neue Reglung der Dauerleistung für behinderte Menschen, die (noch) erwerbsunfähig sind: Damit verlieren behinderte Menschen nicht sofort ihre Dauersozialhilfe, wenn sie zu arbeiten beginnen, sondern die Dauersozialleistung wird weiterhin gewährt. Das monatlich erzielte Einkommen wird allerdings abgezogen. Wer mit Behinderung arbeitet, geht also hier kein unnötiges Risiko mehr ein, die sozialen Unterstützungen auf Dauer zu verlieren. Wer arbeitet, kann dann auch nicht weniger Geld haben als zuvor.
Auf der Suche nach Information über die Pension
Um die Frage, ob es vielleicht doch eine Möglichkeit zu arbeiten gibt, hat sich Irmgard Kampas an verschiedene Behindertenberatungsstellen gewandt und schließlich auch im Lauf der Zeit auch an verschiedene Personen in ihrer zuständigen Pensionsversicherungsanstalt:
„Die Auskunft, die ich immer bekommen habe, war: Sie sollten die Geringfügigkeit anstreben, sonst gibt es Probleme. Auf meine Frage was geschehen wird, wenn ich die Möglichkeit nütze, im Sommer einen Job anzunehmen, eine Berufstätigkeit auszuprobieren und in einem Monat 800 zu verdienen, kam dann immer die Antwort: „Sie müssen die Geringfügigkeit anstreben.“ Denn sonst muss die Sache einer Kommission vorgelegt werden und die entscheidet dann. Aber im Vorhinein konnte man mir daher über die Konsequenzen solch einer Berufsentscheidung keine Auskünfte geben – es könnte dann sein, dass ich meine Waisenpension auf Dauer verliere. Mein Arbeitsassistent rät mir jedenfalls ab, und er meint, das Risiko, die Pension zu verlieren, ist auf alle Fälle zu groß.“
Geringfügig beschäftigt – aber ohne Zuverdienst
Dass geringfügige Beschäftigung für viele Waisenpensionsbezieher überhaupt keine finanziellen Vorteile bringt, zeigt Franz Hoffmann. Er ist derzeit bei mehreren Projekten in der Integration:Österreich beschäftigt: „Ich arbeite derzeit zehn Stunden, mehr wurde mir nicht bewilligt. Es ist ja so, wie auch schon die Frau Kampas gesagt hat, dass das alles in einer Kommission der Pensionsversicherung entschieden werden muss: Ob man arbeiten gehen darf oder nicht, dass hängt von denen ab! Bei mir wurde es eben so entschieden, dass ich zehn Stunden geringfügig arbeiten darf.
Die Geringfügigkeitsgrenze liegt ja jetzt bei 309,38. Ich bin zwar immer am Wege, das zu ändern, denn zehn Stunden sind für meinen Job einfach zu wenig: Ich war eine Zeit in einer Beschäftigungstherapie in einer Werkstätte und ich wollte das nicht, denn ich wollte schon immer arbeiten gehen.
Und weil man, wenn man das Risiko eingeht zu arbeiten, seine Ansprüche verliert, habe ich zur Zeit nur eine geringfügige Anstellung. Aber das Ziel, eine Arbeit zu haben, die auch 20 oder 30 Stunden dauert, das geht eben jetzt noch nicht.
Weil mein Verdienst aber von der Ausgleichszulage der Pension abgezogen wird, arbeite ich fast zum Nulltarif. Das ist eigentlich eine Katastrophe: Es gibt so viele Leute, die arbeiten könnten, aber nicht wollen, und bei uns Menschen mit Behinderung ist es so, wenn sie arbeiten wollen, dürfen sie es nicht.
Es wäre ja für die Pensionsversicherung ja auch einfacher, wenn man ein Abkommen für eine Befristung etwa auf ein Jahr findet. Und dass man dann sagt, ok, man streicht nur einen Teil, nicht alles oder dass es andere Möglichkeiten gibt …
Frau Irmgard Kampas sieht nicht, sie braucht Assistenz bei ihrer Arbeit. Wenn Sie geringfügig beschäftigt ist, dann muss sie von dem Geld, das sie nicht verdient, weil es ihr die Pensionsversicherung wieder abzieht, auch noch ihre Arbeitsassistenz bezahlen. Deshalb meint sie mit leiser Bitterkeit: „Im Endeffekt steigt man, wenn man arbeitet, finanziell schlechter aus, als wenn man zu Hause im Eck sitzt“
Der Standpunkt des Sozialministeriums: Arbeitsversuch einreichen, „um optimale Lösungen bemüht“
Das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen hat dazu eine Stellungnahme geschickt:
„Die Waisenpension verfolgt in der gesetzlichen Sozialversicherung grundsätzlich den Zweck, Kinder im Falle des Ablebens eines Unterhaltspflichtigen zu versorgen.
Waisenpensionen werden für die Dauer der Kindeseigenschaft gewährt, im Falle einer Erwerbsunfähigkeit auf Grund einer Krankheit oder eines Gebrechens auch über das 18. Lebensjahr hinaus für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit. Ähnliches gilt für die erhöhte Familienbeihilfe, die im Fall der Unfähigkeit zur Selbsterhaltung ebenfalls über das 18. Lebensjahr zusteht.
Im Falle einer Erwerbstätigkeit des behinderten Menschen gilt Folgendes: Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze (309,38 monatlich) sind grundsätzlich unschädlich für den Bezug der Waisenpension. Auf Grund der strengen Einkommensabhängigkeit der Ausgleichszulage wird allerdings jegliches erzielte Einkommen auf eine allfällige Ausgleichszulage anzurechnen sein.
Erzielt der behinderte Mensch ein Einkommen, welches über der Geringfügigkeitsgrenze liegt so hat der Pensionsversicherungsträger die Angelegenheit auf Grund der individuellen Umstände des Einzelfalles zu überprüfen. Es ist darauf hinzuweisen, dass über diese Frage im Rahmen der Selbstverwaltung durch den zuständigen Pensionsausschuss zu entscheiden ist. Ob das Einkommen auf Grund unselbständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit zufließt, ist unerheblich.
Um vor unliebsamen Überraschungen gefeit zu sein, ist es einem Waisenpensionsempfänger dringend zu empfehlen, vor Antritt einer Erwerbstätigkeit seine Absicht dem zuständigen Pensionsversicherungsträger bekannt zu geben. Dies gilt gleichfalls für die erhöhte Familienbeihilfe, wo eine geplante Erwerbstätigkeit dem zuständigen Finanzamt vorab angezeigt werden sollte.
Es erscheint im Zweifelsfalle ratsam, bei dieser Meldung darauf hinzuweisen, dass zunächst ein Arbeitsversuch geplant ist. Sobald mit einer dauerhaften Erwerbstätigkeit gerechnet werden kann, wird eine Waisenpension als finanzielle Grundversorgung in aller Regel ohnehin nicht mehr benötigt werden.
Es wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Vielzahl der vom Bundessozialamt durchgeführten Qualifizierungsprojekte die dargestellte Problematik äußerst selten auftritt. Das Bundessozialamt ist grundsätzlich bestrebt, individuell angepasste, für den behinderten Menschen optimal geeignete Lösungen zu finden.“
Bedenkliche psychosoziale Folgen
Irgendwann einmal wird jeder erwerbsunfähige behinderte Mensch die Waisenpension beziehen, weil ja, je älter man wird, die Wahrscheinlichkeit desto größer ist, dass einer der beiden Elternteile stirbt: In diesem Augenblick fällt man in die Waisenpension, so man nicht vorher selbständig gearbeitet hat. Die Sozialhilfe des Bundeslandes ist ab dann nicht mehr zuständig.
Die Gruppe der Menschen, die vom Arbeitsverbot bei Waisenpension betroffen sind, ist daher nicht so klein, wie manche vielleicht annehmen.
Die Sendung „Arbeitsverbot bei Waisenpension?“ wird am Sonntag, dem 6. April 2003 um 20.30 (bis 21.00) Uhr auf der Mittelwellenfrequenz 1476 ausgestrahlt und am Dienstag dem 8. April ebenfalls um 20.30 wiederholt. Wer die Mittelwelle nicht empfängt, kann auch im Internet unter 1476.orf.at die Sendung live abhören oder ab Dienstag für fünf Wochen die Sendung kostenlos als MP3 herunterladen. Siehe Link „Freak-Radio“.