Armutsfalle Pflege: Benachteiligung für pflegende Angehörige in der Mindestsicherung beenden!

Die Pflege eines Angehörigen führt oft zu finanziellen Nachteilen.

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Der Bezug von Bedarfsorientierter Mindestsicherung (BMS) verschärft in den meisten Bundesländern die Situation. Denn das Pflegegeld wird rechtlich als pauschalierte Abgeltung für pflegebedingte Mehraufwendungen definiert. Wenn nun die pflegebedürftige Person dieses Pflegegeld an den mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden pflegenden Angehörigen weitergibt, dann wird das in der BMS-Berechnung als Haushaltseinkommen gewertet.

Pflege für Angehörige als Armutsfalle

Wenn Angehörige dauerhaft die Pflege innerhalb der Familie übernehmen, stehen neben den großen Herausforderungen viele offene Fragen bezüglich sozialer Absicherung an. In den letzten Jahren gab es hier Verbesserungen, beispielsweise bei der Weiter- und Selbstversicherung.

Unbestritten bleibt aber, dass die Notwendigkeit der Pflege ein großes Armutsrisiko, sowohl für die pflegende Person als auch für Pflegebedürftige, birgt. Bei Anrechnung des Pflegegeldes wirkt die BMS diametral zur Zieldefinition Armutsvermeidung, verschärft die Dynamik der Gefährdung und erhöht das Armutsrisiko.

Ein aktuelles Beispiel aus Niederösterreich verdeutlicht das: Einer pflegenden Mutter werden vom Pflegegeld der Stufe 3 – derzeit € 451,80 – rund € 352,– als Einkommen abgezogen und die BMS entsprechend gekürzt. Ein kleiner Betrag verbleibt der Tochter als Taschengeld. In der öffentlichen Debatte rund um die Situation dieser Familie kündigte die nö. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner eine Reparatur an, wonach zukünftig die Anrechnung unterbleiben solle.

Menschen mit Beeinträchtigungen haben das Nachsehen

Doch nicht nur Familien mit pflegebedürftigen Kindern sind von dieser Regelung betroffen, auch erwachsene Menschen, die Pflegegeld beziehen und in der Familie unterstützt und gepflegt werden, sind benachteiligt. Das Grundproblem dabei ist, dass Angehörige mit professionellen Einrichtungen gleichgesetzt werden.

Bei stationärer Pflege muss das Pflegegeld mit bis zu 80 Prozent eingesetzt werden.  Damit werden jedoch nicht die Gesamtaufwendungen abgedeckt. Die Mehrkosten der Einrichtungen werden im Regelfall von den Ländern getragen. Die für die öffentlichen Haushalte günstigere Lösung, die Pflege durch Angehörige, wird nicht in dieser Dimension unterstützt. Im Gegenteil, hier wird versucht, Sozialleistungen gegeneinander aufzurechnen.

Neben den finanziellen Aspekten geht es noch um eine grundsätzliche Frage: Pflegende Angehörige stellen mit ihrer Hilfe sicher, dass Menschen mit Beeinträchtigungen ein selbstbestimmtes Leben führen können. Doch kann ein Mensch mit Beeinträchtigungen seinen Wohnort selbst wählen, wenn damit das Armutsrisiko für die pflegenden Angehörigen massiv steigt?

Die UN-Behindertenrechtskonvention, zu deren Umsetzung sich Österreich verpflichtet hat, stellt in Artikel 19 dieses Wahlrecht sicher. Es sollte daher nicht durch Anrechnungsfragen in der BMS gefährdet werden.

Ein Fleckerlteppich der Anrechnungsbestimmungen

Der Bund hätte verfassungsrechtlich die Kompetenz für eine bundesweite Regelung der Mindestsicherung. Diese hat er aber bislang nicht wahrgenommen und damit den föderalen Fleckerlteppich unterschiedlicher Landesregelungen hervorgerufen. Vereinheitlichungsversuche gab es mehrere. Letztlich sind sie alle an den Sonderinteressen einzelner Bundesländer gescheitert. Und so ist es weiter Angelegenheit der Länder, die Details der BMS zu regeln.

Derzeit sieht die Situation in den Ländern folgendermaßen aus: Niederösterreich will, wie erwähnt, die Anrechnung des Pflegegeldes als Einkommen in der BMS ausschließen. Diesem Beispiel möchte Kärnten folgen, wenn die Finanzierung klar ist. Oberösterreich bestreitet die Anrechnung, es gibt aber dokumentierte Gegenbeispiele.

In Salzburg ist die Reduktion seit Jahren Praxis und soll nun überdacht werden. Tirol rechnet ebenfalls an. Auch hier gibt es schon eine Initiative zur Änderung. Vorarlberg deklariert klar die Anrechnung und sieht keinen Änderungsbedarf. Das Burgenland rechnet angeblich nicht an, es gibt aber keine Regelungen dazu. Die Steiermark hat seit 2015 eine eigene Anrechnungsregelung.

In Wien wird laut Stadträtin Sandra Frauenberger das Pflegegeld auch als Einkommen angerechnet. Sie beruft sich auf die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte. Im Herbst soll es einen Begutachtungsentwurf für eine Novelle des Mindestsicherungsgesetzes geben. Hier muss dringend die Nicht-Anrechnung außer Streit gestellt werden. Ein klares politisches Statement im Rahmen der Begutachtung ist erforderlich.

Generell wäre endlich eine bundeseinheitliche Lösung, wie dies auch von der Armutskonferenz gefordert wird, anzustreben. Entweder als Neuauflage der Bund-Länder-Vereinbarung zur BMS oder in einer eigenen Regelung, die sich an der aktuell beim Pflege-Regress gewählten Variante orientiert.

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5 Kommentare

  • In Letze Zeit habe ich viel über die Verbesserungen der Situation für pflegende Angehörige, sowie die Möglichkeiten der Unterstützung in der Urlaubszeit gelesen, daher wirft der Antrag auf Zulassung einige Fragen auf:

    1. „Damit sich pflegende Angehörige durch eine professionelle oder private Ersatzpflege vertreten lassen können, kann finanzielle Unterstützung gewährt werden. Es können nur nachgewiesene Kosten berücksichtigt werden.“

    Wie kann ein pflegender Angehöriger einen Vorschuss für die Ersatzpflege sich leisten können, wenn der nicht berufstätig ist?

    2. Warum wird der Ersatzpfleger bezahlt, und dem pflegenden Angehörigen steht nichts zu?

    3. Warum muss der Ersatzpfleger seinen Urlaub (4 Wochen oder 28 Tage), welche ihm gesetzlich zusteht, für die Vertretung der pflegenden Angehörigen opfern, und noch dazu die Steuer von den erhaltenen Betrag zahlen?

    4. Warum muss der pflegende Angehörige 7 Tage auf einmal nehmen, und nicht z. B. 1, 2, 3 oder 4 Tage? Da ein kurzer Urlaub auch sehr hilfreich und entlastend sein kann, und für den Ersatzpfleger ist es auch einfacher mit Berufsleben zu vereinbaren.

    5. Warum muss eine Urlaubsadresse angegeben werden? Warum ein solcher Bürokratischer Aufwand und Misstrauen gegenüber dem pflegenden Angehörigen? Die Berufstätige nehmen doch auch Urlaube in Anspruch, und bekommen noch zusätzlich Urlaubsgeld. Pflegende Angehörige dagegen arbeiten bis zu 20 Std. am Tag.

    6. In vielen Fällen wollen die pflegebedürftigen Personen mit keinem Ersatz Pflegepersonal, nicht einmal mit den Verwandten bleiben. Nicht nur pflegebedürftige Menschen, sondern auch deren pflegende Familien und Angehörige benötigen Unterstützung, denn sie nehmen große Belastungen auf sich.

    7. Grundsätzlich gehören zum Pflegenden Angehörigen, Ehegatten, Kinder und Eltern. Wenn z. B. eine Frau pflegt ihren Mann und kann daher nicht arbeiten gehen, hat sie auch kein eigenes Einkommen. Der Ehemann sagt dass das Pflegegeld gehört lt. Gesetz ihm, er ernährt sie und sie soll darüber glücklich sein. Da sie seine Frau ist, muss sie ihn unentgeltlich pflegen. Da sie keine Möglichkeit hat weder physisch noch finanziell ihren Anspruch auf Urlaub war nehmen, erkrankt sie, und schließlich sagt ihr Mann zu ihr, dass er sie nicht mehr braucht.

    Nach der Scheidung verliert die Ehefrau alles:

    · Da sie nicht gearbeitet hat, hat sie auch keine Ersparnisse

    · Wenn sie bereits über 50 ist, ist sie auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar

    · der Unterhalt nach der Scheidung wird ihr höchstwahrscheinlich auch nicht zugesprochen, da der Ehemann selber pflegebedürftig ist, und das Geld für die Pflege benötigt.

    · Die Frau verliert das Recht auf die Wohnung, wenn die Wohnung nicht ihr gehört, und in vielen Fällen ist es so.

    · Da sie über die nötigen Mittel nicht verfügt, um sich eine Wohnung zu mieten, hat der Staat noch eine weitere obdachlose gebildet.

    · Nach der Scheidung verliert sie auch das Recht ein Teil der Erbschaft zu erhalten, auch wenn die meisten Jahre ihres Lebens sie ihren Mann gepflegt hat.

    8. Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer mehr Familienmitglieder verweigern ihren kranken Männer, Eltern oder andere Verwandten die Pflege. Das Pflegepersonal wird für die Pflege bezahlt, und die Familienmitglieder müssen es unentgeltlich machen.

    9. Sollte eine Ehefrau ihren Pflegebedürftigen Mann überleben, da nimmt es sofort ein anderes Szenario die Wirkung.

    10. Lt. Gesetz stehen die Witwe nur 1/3 von Eigentum und 2/3 dem Kind zu, und nun hat sie jahrelang ihren Ehemann gepflegt und zum Schluss hat sie keinen Platz mehr im Haus, da die neue Generation einen Anspruch auf die Wohnbedürfnisse stellt.

    11. Von 60% der Witwenrente ist es nicht möglich zu leben, und jetzt ist die Armut nicht mehr weit. Kein Wunder, dass man sagt, dass Armut ein weibliches Gesicht hat.

    12. Die Politiker sprächen ständig darüber, dass die Situation für die pflegenden Angehörigen sich verbessert hat, dass es zwischen Männern und Frauen Gleichberechtigung herrscht, aber die Wahrheit sieht anders aus. Die Frauen sind nach wie vor sozial benachteiligt, und neue Gesetze sind nur Spiegelfechterei und Geschreibsel.

  • Wieder geht es um die Mindestsicherung und die sehr eigenwillige Interpretation der Behörden des Pflegegeldes als Einkommen. Seit Jahren weisen Betroffene und deren Interessensvertretungen energisch darauf hin, dass das Pflegegeld bei der Berechnung der Mindestsicherung nicht als Einkommen gewertet werden darf. Mit der gleichen Beharrlichkeit wird die Tatsache, dass das Pflegegeld einen pflegebedingten Aufwandersatz darstellt, von den oberösterreichischen Behörden ignoriert. Regelmäßig muss ich meinen alleinerziehenden Klientinnen die ihre Kinder mit Behinderung pflegen erklären, dass das Pflegegeld als Einkommen gewertet wird. Kommt es dann zu Pflegegelderhöhungen (weil der Pflegeaufwand steigt), wird dem durch Reduzierung der Mindestsicherung umgehend Rechnung getragen. Vielfach müssen diese Eltern/Mütter sämtliche pflegebedingten Ausgaben nachweisen, damit sie zumindest einen kleinen Mindestsicherungsbetrag erhalten. Wenn die Eltern dann noch Sachwalter ihrer Kinder mit Behinderung sind, müssen sie vor dem Gericht darlegen, weshalb sie das Pflegegeld für Miete, Strom und das tgl. Leben verbrauchen, da das Pflegegeld ja Aufwandersatz und nicht Einkommen sei. Auch für Banken bedeutet das Pflegegeld kein Einkommen, weshalb diese Menschen wegen „Einkommenslosigkeit“ dann keinen Kredit erhalten. Volljährige Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen müssen bisweilen ihre meist wenig begüterten Eltern auf Unterhalt klagen, weil die Behörden dies als Voraussetzung für die Beantragung der Mindestsicherung verlangen. Man kann sich ausmalen, wie belastend das für das gesamte Familiengefüge ist.
    Es hat den Anschein, als würde das Pflegegeld je nach dem ob es für die jeweilige Behörde opportun ist oder nicht, als Einkommen oder Aufwandersatz bewertet werden. Rechtsstaatlich ist das höchst bedenklich und sozial ist das allemal nicht!

  • Es ist eine Schikane wie mit Menschen umgegangen wird. Es ist empörend das Menschen mit Absicht in der Armut falle gefangen gehalten werden. Es ist entsetzlich wie Sachwalter siCh wichtig machen auf Kosten pflegenden Angehörigen und gehandicapten Menschen. Es ist unglaublich dass Vergleiche abgeschlossen werden welche 30J. Gelten. Ich bin selbst in dieser Misslichen Lage weil es Gesetze gibt die Familien zerstören damit der Staat sich bereichern kann.

  • Inwieweit “pflegende Angehörige ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung sicherstellen“ möchte ich in Frage stellen.

    • Frau Schmerold ich stelle sie in Frage. . Schon allein ihr Kommentar zeigt mir was Mensch einfach für einen Schwachsinn in die Welt setzt. Sie gehören für mich in eine Schublade wo oben steht. . Öffnen auf eigene Gefahr.