Assistenzzeit ist Lebenszeit

Ein persönliches Plädoyer für jene Menschen, die der Motor für mein Selbstbestimmtes Leben sind

Zifferblatt eines Weckers
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Ich bin seit 2004 Assistenznehmerin. Jetzt habe ich Assistenz sowohl zu Hause als auch auf meinem Arbeitsplatz. Persönliche Assistenz hat mein Leben verändert. Ich bin jetzt, wie ich es nenne, die Baumeisterin meines eigenen Lebens geworden. Ich habe meine eigene Wohnung und lebe mit der Unterstützung eines tollen Teams aus sechs Frauen, die scherzhaft „Kathis Mädels“ genannt werden.

Kaum einer, der nicht selbst davon betroffen ist, kann sich vorstellen, was Persönliche Assistentinnen und Persönliche Assistenten für den Alltag von Menschen mit Behinderungen bedeuten. Deshalb hier ein kleines Alltagsbeispiel für Sie.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten nicht aus dem Bett aufstehen. Weil Sie nicht die Toilette aufsuchen können, wenn es nötig ist, müssen Sie eine Windel tragen.

Wie wäre es für Sie, nicht einkaufen, nicht ausgehen oder arbeiten gehen zu können? Denken Sie daran, wie es wäre, nicht dort wohnen zu können, wo Sie wollen, sondern in einem Heim zu leben, wo Sie aufgrund von Personalmangel in Ihrer persönlichen Freiheit und manchmal sogar in Ihren Grundbedürfnissen (Stichwort: Duschtage) eingeschränkt werden.

Dort könnte es auch mit Ihrer Privatsphäre vorbei sein. Vielleicht müsste man dort bei offener Türe gepflegt werden, auf der Toilette sitzen, während andere im Raum sind. Oder die Tage Ihrer monatlichen Periode wären an der Tür ausgehängt.

Das alles ist schon vorgekommen. Dies sind nur einige Beispiele aus einem Leben ohne Assistenz. Und jetzt stellen Sie sich die Frage: „Will ich so leben?“. Wenn Sie diese mit „Nein!“ beantworten, beginnen Sie die Wichtigkeit von Persönlicher Assistenz zu verstehen.

Einige Missverständnisse im Zusammenhang mit Persönlicher Assistenz

Nein, meine Persönliche Assistentin ist keine Betreuerin. Ich entscheide, wobei mir die Persönliche Assistentin hilft und wie sie das tut.

Nein, Persönliche Assistentinnen und Assistenten sind nicht nur Arme und Beine. Lange Zeit existierte das Schlagwort „Eine Persönliche Assistentin oder ein Persönlicher Assistent wären die Arme und Beine der Kunden“. Das ist falsch. Persönliche Assistentinnen und Assistenten sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Sie haben nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte.

Das Recht auf eine gute Bezahlung.

Das Recht auf Respekt.

Das Recht auf Freizeit.

Das Recht auf angemessene Dienstzeiten und einiges mehr.

Nein, Persönliche Assistenz ist keine Wohltätigkeit, sondern ein Beruf.

Ich habe Verantwortung

Ich weiß, dass ich als Assistenznehmerin meinen Assistentinnen gegenüber eine Verantwortung habe. Ich habe die Verantwortung, ihnen ein sicheres und gutes Arbeitsumfeld zu bieten, auf ihre Bedürfnisse zu achten und sie so zu behandeln, wie ich selbst in meinem Beruf behandelt werden möchte.

Ein Berufsfeld, das „lebenswichtig“ ist

Gerade weil diese Menschen so zentral für unseren Alltag sind, ist es wichtig, die Assistenztätigkeit aufzuwerten. Persönliche Assistenz muss als Berufsfeld mehr bekannt und anerkannt werden. Es muss ein Beruf werden, von dem man leben kann.

Das heißt, einen guten Stundenlohn, Anstellungsverhältnisse, Weiterbildungsmöglichkeiten und eine Gewerkschaft, die die Interessen der Assistentinnen und Assistenten vertritt. Um diesen so wichtigen Berufszweig auf Dauer zu gewährleisten, müssen diese Dinge ermöglicht werden.

Wir können es nicht alleine

Derzeit haben Assistenznehmerinnen und Assistenznehmer nicht genug Mittel zur Verfügung, um das zu finanzieren. Entsprechende Leistungen wie zum Beispiel die Wiener Pflegegeldergänzungsleistung müssen daher erhöht werden und zwar in Hinblick auf rechtliche Rahmenbedingungen. Auch sollte sich die Leistung den sich verändernden Lebensumständen der Assistenznehmerin bzw. des Assistenznehmers anpassen.

Ein Assistenzverhältnis besteht aus zwei Personen. Es ist wichtig, dass es beiden gut geht, sodass die Assistenznehmerin oder der Assistenznehmer sagen kann: „Ich lebe glücklich und selbstbestimmt mit meinen Assistentinnen und Assistenten“, und dass die Assistentin oder der Assistent sagen kann: „Ich bin glücklich in meinem Job“.

Eine Investition in Persönliche Assistenz ist eine Investition in das Leben.

Lassen Sie uns gemeinsam mit den Persönlichen Assistentinnen und Assistenten für ein faires, bedarfsgerechtes Assistenzsystem kämpfen. 

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2 Kommentare

  • Liebe Katharina,
    herzlichen Dank für diesen Beitrag. Danke für das Asussprechen, dass wir Assistent*innen nicht nur Arme und Beine sind! Wir sind hier in Berlin gerade dabei, darum zu kämpfen, dass diese tätigkeit nach nun über 40 Jahren endlich ihren Stellenwert in der Gesellschaft und vor allem in den gestzten findet.
    Herzliche Grüße Pia aus Berlin
    Bin seit 9 Jahren persönliche Assistentin

  • Danke für diesen Artikel, den ich lebe nun seit 18 Jahren mit Persönlicher Assistenz in Salzburg und teile jedes Wort mit Ihnen genau in diese Richtung muss es gehen!
    Haben sie genaue Ideen zu den nächsten Schritten, die uns dem Ziel näher bringen können?
    Ich würde gerne dazu mit ihnen im Austausch bleiben!
    So sende ich ihnen kräftige Selbstbestimmt Leben Grüße aus Salzburg
    Ihre Sonja Stadler