Das Luxusschiff Titanic streift am 14. April 1912 - mehrere Warnungen ignorierend - mit Volldampf einen Eisberg.
Dies wurde anfangs gar nicht richtig wahrgenommen, doch es war schicksalsbestimmend für das angeblich unsinkbare Luxusschiff. Der Rest ist Geschichte.
Dieses Bild schoss mir durch den Kopf, als ich von der Verleihung des „Deutschen Internetpreises“ am 12. November 2004 und den Begleitumständen in Bremen las. „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) zeichnet mit dem Deutschen Internetpreis 2004 herausragende Internet-Entwicklungen von kleinen und mittleren Unternehmen aus“, vermeldet eine eigens dafür eingerichtete Internetseite.
Mit einer großen Feier unter dem Motto „Fit fürs Informationszeitalter“ werden Siegerprojekte mit je 50.000 Euro ausgezeichnet. Überreicht werden sollen die Preise von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der dieser Veranstaltung damit eine noch höhere Bedeutung gibt.
Schön, könnte man sich denken. In einer Zeit, da in beängstigender Regelmäßigkeit berichtet wird, dass tausende Arbeitsplätze von Konzernzentralen gestrichen werden, könnte doch der Mittelstand als Beschäftigungsmotor einspringen. Jetzt sind Innovationen gefragt. In einer Aussendung zum Internetpreis wird hervorgehoben, dass „innovative Internet-Lösungen“ ausgezeichnet werden. Sie sollen „fit fürs Informationszeitalter“ sein.
Doch keiner der Nominierten erfüllt die Mindestanforderungen an barrierefreie Seiten, erläutert Diplom-Informatiker Hubertus Thomasius aus Berlin gegenüber kobinet-nachrichten. Sicher war hier kein Wettbewerb um die besten barrierefreie Seiten angesagt, aber wenn Anwärter auf einen Internetpreis ihren Auftritt im Web wie früher stricken und eine weltweite Entwicklung verschlafen, ist das schlimm genug.
Noch schlimmer wiegt aber, dass seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit Barrierefreiheit oder zumindest Ansätze der Barrierefreiheit bei der Ausschreibung des Wettbewerbs offenbar nicht gefordert wurden. So blieb die große Kundengruppe jener unberücksichtigt, die von barrierefreien Internetseiten profitieren. Dies ist weder innovativ noch macht es fit für die Zukunft.
Hinweise von seit Jahren um Barrierefreiheit bemühten Betroffenen sollten nicht verdrängt werden wie damals die Eisbergwarnungen auf hoher See. Hier wurde zunächst noch munter weiter gefeiert, ehe sich später der Untergang der Titanic mit der Redensart „Hochmut kommt vor dem Fall“ verband.