Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Medizin ist weiter notwendig

Nationalratspräsidentin Bures eröffnet im Palais Epstein Ausstellung "Erfasst, verfolgt, vernichtet" zu Medizinverbrechen der NS-Zeit

Ausstellung: Erfasst, verfolgt, vernichtet
BIZEPS

„Wir sind es den Opfern schuldig, die Geschichte der NS-Medizin aufzuzeigen. Wir haben aber auch eine Verpflichtung gegenüber jetzigen und nachkommenden Generationen“ sagte Nationalratspräsidentin Doris Bures heute bei der Eröffnung der Ausstellung „Erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus„. (Fotos der Ausstellung)
Bures erinnerte in ihrer Rede unter anderem an das Schicksal von Friedrich Zawrel, der wie viele andere erst spät als Opfer anerkannt wurde, und an seinen langen Kampf gegen Diskriminierung und Abwertung von gesellschaftlichen Randgruppen. Dieses Anliegen sei nach wie vor aktuell, sagte Bures. Sie hoffe daher, dass die Ausstellung von vielen Menschen besucht wird und dieser dunkle Teil unserer Geschichte auch in Zukunft vor dem Vergessen bewahrt wird.

Chefarzt Georg Psota sprach als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie über die Verantwortung der Medizin im allgemeinen, insbesondere aber der Fachrichtung der Psychiatrie, sich der Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Medizin zu stellen.

Mordaktionen wie etwa der so genannten „Aktion T4“, fielen in Krankenanstalten, die zu Tötungszentren umfunktioniert worden waren, mehr als 200.000 Menschen zum Opfer. Die Mordaktionen der „Euthanasie“ stellen eine direkte Vorstufe des Holocaust dar und wurden auch auf dem Gebiet des heutigen Österreich durchgeführt.

Herwig Czech vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes erinnerte an den langen Weg, der in Österreich zurückzulegen war, bis das Bewusstsein über die Verbrechen an kranken und behinderten Menschen im gesellschaftlichen Mainstream angekommen war. Bis heute stelle die Aufarbeitung dieses Kapitels eine Aufgabe für die Medizin und die wissenschaftliche Forschung dar.

Während der zentral gesteuerte Mord der „Aktion T4“ heute schon weitgehend bekannt sei, gebe es zu den darauffolgenden, dezentralen Mordaktionen durch Hunger, systematische Vernachlässigung und Gift noch viel zu erforschen. Hier spiele auch die nach wie vor bestehende Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen eine Rolle. Es sei wichtig, auch diesen Opfern Namen und Gesicht zu geben. Das könne auch zu einer Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft beitragen, meinte Czech.

Podiumsdiskussion zur Ausstellung Dienstag kommender Woche

Die Ausstellung im Innenhof des Palais Epstein ist vom 20. bis zum 30. Jänner bei freiem Eintritt zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag zwischen 09.00 und 16.00 Uhr sowie samstags zwischen 10.00 und 15.00 Uhr.

Aus Anlass des Internationalen Holocaust-Gedenktages lädt zudem Nationalratspräsidentin Bures am 26. Jänner gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie zu einer Podiumsdiskussion. Sie findet um 18.00 Uhr im Abgeordneten-Sprechzimmer des Parlaments statt. Die Moderation übernimmt Heidemarie Uhl (Österreichische Akademie der Wissenschaften).

An der Diskussion nehmen Georg Psota (Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie – ÖGPP),Frank Schneider (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde – DGPPN), Herwig Czech (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes) und Brigitte Kepplinger (Obfrau des Vereins Schloss Hartheim) teil.

Die Wanderausstellung „Erfasst, verfolgt, vernichtet“ entstand auf Anregung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde und wird auf Initiative der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie in Wien gezeigt. Ergänzende Beiträge kommen von der Gedenkstätte Steinhof aus der vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes gestalteten Ausstellung „Der Krieg gegen die ‚Minderwertigen‘. Zur Geschichte der NS-Medizin in Wien“.

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