Der Lehrplan für Gehörlosenschulen wird novelliert - dass dabei viel am Spiel steht und seitens der Politik schon einiges schief gegangen ist, veranlasste am internationalen Tag der Muttersprache zu einer Kundgebung vor dem Unterrichtsministerium.
„Bilingualer Unterricht jetzt“ – diese Forderung war am 21. Februar 2008 (dem UNESCO Tag der Muttersprache) auf diversen Transparenten vor dem Unterrichtsministerium in Wien zu lesen.
Am Wiener Minoritenplatz hatten sich rund 50 Personen eingefunden, die an einer Kundgebung des Österreichischen Gehörlosenbundes (ÖGLB) zum Thema Schulbildung teilnahmen. Zeitgleich wurden in Tirol und Vorarlberg vor dem Sitz des jeweiligen Landesschulrates ähnliche Kundgebungen veranstaltet.
Hintergrund der kurzfristig anberaumten Versammlung ist der gerade novellierte Sonderschullehrplan für gehörlose SchülerInnen, der erneut von verpassten Chancen gekennzeichnet ist. Denn schon bisher, im alten Lehrplan, wurde der Fokus nicht auf bilingualen Unterricht gelenkt – und in der novellierten Fassung ist bilingualer Unterricht zum wiederholten Mal nicht festgeschrieben.
ÖGS ist Muttersprache
Denn, dass gehörlose Kinder vor allem in ihrer Muttersprache, der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) unterrichtet werden sollten, scheint denjenigen, die sich um die Bildungsvoraussetzungen dieser Kinder kümmern sollten, nicht augenscheinlich zu sein.
Diese Tatsache nahm der ÖGLB zum Anlass, um die Aufmerksamkeit von Politik und Medien zu gewinnen. Denn trotz einer bereits eingereichten Stellungnahme zur mangelhaften Lehrplannovelle wurde seitens der zuständigen politischen Stellen im Unterrichtsministerium nicht auf die Anregungen des ÖGLB reagiert.
Mag. Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes und selbst ausgebildete Pädagogin, betonte in ihrem Gebärdenbeitrag die Unumgänglichkeit einer „integrativen Schulsituation, die neben lautsprachlicher Erziehung den Fokus vor allem auf Unterricht in der Muttersprache gehörloser Kinder, der Österreichischen Gebärdensprache lenkt.“
Kritik am Ist-Stand
Katharina Schalber, Sprachwissenschaftlerin und Mitautorin der Studie „Sprache Macht Wissen“ kritisierte den Ist-Stand an Gehörlosenschulen scharf: „Wie soll eine Lehrerin ein gehörloses Kind unterrichten und sinnvoll kommunizieren, wenn sie es in ihrer LehrerInnenausbildung nie gelernt hat?“
Schalber fordert auch angesichts der Anerkennung der ÖGS im Jahr 2005 klar „die Anerkennung von Gehörlosen als sprachliche Minderheit“ – und dementsprechend „ihren Bedürfnissen angepassten bilingualen Unterricht.“
„ÖGS muss erste Unterrichtssprache sein“
Auch die Vorsitzende des Vereins Österreichischer Gehörloser StudentInnen (VÖGS), Barbara Hager sieht die Zukunftsperspektiven gehörloser Kinder am Bildungsweg äußerst kritisch: „Um gehörlosen Kindern eine tatsächliche Perspektive auf ihrem weiteren Bildungsweg zu geben, muss ÖGS erste Unterrichtssprache sein.“
Unterstützung im Ringen um eine sinnvolle Überarbeitung des Lehrplans wurde im Zuge der Kundgebung vom Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz zugesagt. Das Unterrichtsministerium selbst zeigte sich bei einem nachfolgenden Gesprächstermin zu positiven Schritten bereit.