Auftaktveranstaltung zur Erstellung des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderung

Am 15. Februar 2011 fand im Kardinal König Haus in Wien die Auftaktveranstaltung zur Erstellung eines Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderung statt. Ein Bericht.

Eindrucke Arbeitstreffen NAB 15.2.2011
BIZEPS

Wie im Vorjahr angekündigt, wird heuer ein Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Behinderung erstellt und auch beschlossen. Er soll die Periode 2011 bis 2020 umfassen.

Sektionschef Mag. Manfred Pallinger (Sozialministerium) hielt gleich zu Beginn fest: „Wir beginnen nicht bei null“ und verwies auch den 1. Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sowie den Behindertenbericht 2008 der Bundesregierung. Diese Berichte „stellen wichtige Dokumente dar“.

Ziel der heutigen Veranstaltung sei, „die Basis zu diskutieren“ und Argumente sehr ernsthaft zu sammeln. (Siehe Fotos von der Veranstaltung)

Er hoffe, dass 2020 das Ziel der Selbstbestimmung erreicht werde. Der Nationale Aktionsplan wird daher „vom Ministerien unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft“ erstellt. Auch andere Staaten wie Deutschland, Finnland oder Tschechien arbeiten an Aktionsplänen, informierte der Sektionschef.

Inhaltliche Schwerpunkte werden sein:

  • Menschenrechte und Diskriminierungsschutz
  • Barrierefreiheit
  • Bildung
  • Beschäftigung
  • Selbstbestimmt Leben
  • Gesundheit und Rehabilitation sowie
  • Bewusstseinsbildung und Information

Als Zeitplan wurden ins Auge gefasst: Nach der ersten Arbeitstagung am 15. Februar 2011 wird bis Ende April 2011 vom Sozialministerium der Aktionsplan erstellt und im Sommer mit den anderen Ministerien und den Bundesländern abgestimmt. Im September soll dann eine zweite Arbeitstagung stattfinden, um Ende 2011 den dann vorliegenden Text abzustimmen. Anschließendes Ziel wäre eine Beschlussfassung im Ministerrat.

Arbeitsgruppen

In vier Arbeitsgruppen („Menschenrechte und soziale Teilhabe“, „Bildung“, „Beschäftigung und berufliche Teilhabe“ sowie „Unterstützungsleistungen“) sollen im Laufe des Tages Ziele und dann Umsetzungsschritte erarbeitet werden.

Die Leiterinnen und Leiter der Arbeitsgruppen – durchgängig Beamte aus dem Sozial- bzw. Bildungsministerium – berichteten VOR den Arbeitsgruppen, welche Visionen und Ziele sie für den Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderung haben. Man wolle damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer motivieren, sich eine der Arbeitsgruppe auszusuchen, begründete man die Vorgangsweise.

Wichtig sei dem Ministerium die Partizipation, hörte man mehrfach in den Eingangsstatements.

Echtes Bemühen oder Alibi?

Spätestens nach diesem Punkt war eine gewisses Unbehagen im Raum zu spüren. Welche Rolle sollten die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Erstellung des Nationalen Aktionsplans spielen? War der Aktionsplan vielleicht sogar schon zu großen Teilen fertiggestellt und ihre Rolle nur mehr die des Publikums, das dem Spektakel zusehen durfte und nachher als Begründung für eine – ach so tolle Beteiligung der Zivilgesellschaft – herhalten darf?

Fragen über Fragen. In der Kaffeepause wurde klar, dass sich eine große Verunsicherung unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereitmachte. Auch die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit – aus dem Ministerium kamen in den letzten Monaten eine Reihe von unausgesprochenen Gesetzesvorschlägen, alle zum Schaden behinderter Menschen – werden nicht unbedingt als vertrauensbildende Maßnahme empfunden.

Arbeitsgruppensitzungen: Ziele

Im ersten Teil der Arbeitsgruppensitzungen ging es um das Sammeln der Ziele. Der Eindruck der Nichtbeteiligung verflog ein wenig und die Mitarbeit – zuerst verhalten – wurde stärker.

Es tauchten Ideen auf, die auch ausgiebig diskutiert wurden. Eine davon war beispielsweise, das Ergebnis nicht „Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Behinderung“ zu nennen, sondern „Nationaler Aktionsplan für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“. Eine Idee, die Anklang fand. Ministerumsvertreter zeigten sich offen für diesen Namen; man wird sehen, wie weit die Partizipation geht.

Impulsreferate

Zwischen dem ersten Teil der Arbeitsgruppensitzungen und dem zweiten Teil fanden Impulsreferate von Marianne Schulze (Unabhängiger Monitoringausschuss), Klaus Voget (Präsident von ÖAR und ÖZIV) und Erwin Buchinger (Behindertenanwaltschaft) statt.

Schulze verwies darauf, dass Pläne nur dann wirklich Sinn machen, wenn die Umsetzung auch gemessen werden kann. Ohne Indikatoren werde dies nicht möglich sein und Österreich habe derzeit im Bereich Behinderung sehr wenige Statistiken. Wert legte sie auch auf den Hinweis, dass einem der reichsten Staaten der Erde eine unmittelbare Umsetzung der Menschenrechte zumutbar sei.

Die Zivilgesellschaft wolle „auf Augenhöhe diskutieren“, fasste Klaus Voget die Stimmung bei der Tagung eindeutig zusammen und kritisierte, dass nur zwei Treffen geplant seien. „Das ist zu wenig“, so Voget, der eine „echte Partizipation“ einforderte: „Wir wollen wirkliche Partner sein.“

Ihn erinnere der gesamte Prozess an das im Jahr 1992 erstellte Bundesbehindertenkonzept. Deshalb mahnte er, wenn das wieder so wie damals ablaufe, werde „wieder nur ein Papier in einer Schublade“ liegen.

„Wichtig sein wird der nötige Mut zur Klarheit und Verbindlichkeit“, so Erwin Buchinger, der diese Verbindlichkeit von der Regierungsspitze und den Landeshauptleuten einforderte. „Das Budget darf keine Ausrede sein“, ging er schon auf mögliche Vorbehalte ein und forderte „Umschichtung der Förderungen“. Auch ihm sei die Messbarkeit von Veränderungen ein wichtiges Anliegen.

Arbeitsgruppensitzung: Umsetzung

Im zweiten Teil der Arbeitsgruppensitzungen nach dem Mittagessen ging es darum, konkrete Umsetzungsschritte aufzuzeigen, um die benannten Ziele auch erreichen zu können. Hier gab es spannende Diskussionen zur Sachwalterschaft, zu Persönlicher Assistenz, Barrierefreiheit sowie Gleichstellung. „Wie können Großeinrichtungen abgebaut werden“, fragte etwa Max Rubisch vom Sozialministerium.

Vieles wurde ausführlich besprochen und die Zeit wurde daher knapp. Eine Reihe von interessanten Ideen musste stark gekürzt präsentiert werden. Es bestehe aber die Möglichkeit, in den nächsten zwei Wochen noch Informationsmaterial an das Sozialministerium zu schicken.

Abschluss und nächste Schritte

Die von 9 Uhr früh bis 17 Uhr am Nachmittag dauernde Arbeitstagung endete ziemlich abrupt. Auch der vorgebrachte Wunsch, über das eine oder andere im Plenum zu diskutieren, musste aus Zeitgründen unterbleiben.

Ermunternd waren die abschließenden Worte des Sektionschefs, Manfred Pallinger, der – rückblickend auf den Tag und unter Bedachtnahme auf die vorgebrachten Wortmeldungen – meinte, dass es vielleicht mehr als zwei Arbeitstagungen geben werde. Er habe den deutlichen Wunsch nach mehr Mitarbeit vernommen und möchte diesem – soweit wie möglich – nachkommen.

Es wird spannend sein zu beobachten, wie der Prozess zur Erstellung eines Planes weiter verläuft und wie die stark eingeforderte Partizipation der Zivilgesellschaft realisiert wird. Ob er FÜR behinderte Menschen oder MIT ihnen erstellt wird, werden die nächsten Monate zeigen.

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