Aus für Lucas an der Europäischen Schule in Brüssel

Wasilios Katsioulis, der von Hamburg nach Brüssel gezogen war, um dort für die Barrierefreiheit im Europäischen Parlament zu arbeiten, ist nach dieser Entscheidung zutiefst verärgert und verzweifelt.

Lucas Katsioulis vor der Schule
Katsioulis, Wasilios

Im Streit um den Schulbesuch des behinderten Kindes Lucas Katsioulis hat der für Integrationsfragen zuständige stellvertretende Generalsekretär der Europäischen Schule nach Informationen von Wasilios Katsioulis den weiteren Schulbesuch des 9Jährigen Lucas, der atypischen Autismus hat, nun endgültig untersagt.

Wasilios Katsioulis, der von Hamburg nach Brüssel gezogen war, um dort für die Barrierefreiheit im Europäischen Parlament zu arbeiten, ist nach dieser Entscheidung zutiefst verärgert und verzweifelt. (Siehe auch kobinet-nachrichten vom 6.5.2009)

Man könne „derart schwierige Lernbehinderungen“ grundsätzlich nicht in die Schule aufnehmen und die „Betreuung nicht übernehmen“ und müsse deshalb diese Kinder grundsätzlich aus dem Schulbetrieb ausselektieren und den Eltern „empfehlen eine angemessenere Schule zu suchen, die über qualifizierteres Personal für den spezifischen Bereich verfugt“, zitiert Wasilios Katsioulis den stellvertretenden Generalsekretär der Europäischen Schule. Eine nur vier Monate laufende Pilotphase müsse deshalb beendet werden, denn es habe sich gezeigt, dass man nicht auf die Behinderung vorbereitet sei. Schließlich hätten die Eltern zu Beginn der Pilotphase einem entsprechenden Vertrag zugestimmt, so der Beschwerdebeschluss der Schule.

Aber genau dies sei hier nicht der Fall, so der Vater Wasilios Katsioulis: „Es wurde sehr früh mit der Schule vereinbart, ein deutsches Expertenteam für verhaltensauffällige Kinder in die Schule zu holen, damit den Mitarbeitern dort die erforderlichen Kenntnisse der sogenannten applied behaviour Methode (ABA) beigebracht und die Schule weitergehend beraten werden kann“.

Statt diese ExpertInnen in die Integration aufzunehmen wurde nach Informationen des Vaters kurzerhand die Pilotphase nicht verlängert und der Expertin aus Deutschland – die zuvor von der Schule selbst angefordert worden war – einfach der Zugang zur Schule verweigert, mit der prophanen Begründung, die Pilotphase habe nicht zum Erfolg geführt. Eine Beratung fand dann nur noch beim Generalsekretariat der Schule, statt bei den LehrerInnen statt und die Autismus Expertin hat mitgeteilt, dass die Integration von Lucas Katsioulis ohne Weiteres in der Europäischen Schule fortgeführt werden könne, wenn ABA in das Programm aufgenommen werde und ab dann auch „erfolgreich“, weil dann die erforderliche Adaption verfügbar sei.

„Darauf wollte aber niemand eingehen, was deutlich zeigt, dass man schwierige Lernbehinderungen gar nicht an der Europaischen Schule haben will, was sogar in der sogenannten Schulkonvention steht“, so Wasilios Katsioulis. Damit widerspreche die Schulkonvention dem Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention.

„Am Montag werden die Ferien beendet sein, aber die Schule hat bisher versäumt, uns eine Alternative in Brüssel zu benennen, auf die mein Sohn weiter gehen kann“, so Katsioulis, „man weiß nämlich, dass es gar keine Alternative in Brüssel gibt, auf der mein autistischer Sohn weiter deutsch sprechen kann und die ‚über qualifizierteres Personal für den spezifischen Bereich‘ verfügt“, erklärte Wasilios Katsioulis.

„Gehen Sie zurück nach Hamburg“, sei der Familie Katsioulis empfohlen worden, denn dort sei der Sohn ja vor Arbeitsbeginn offensichtlich auch betreut worden. „Dass dies aber bedeuten würde, dass ich meinen Job für das Europäische Parlament aufgeben muss, hat man unkommentiert und desinteressiert einfach hingenommen, denn vor mir hat es in der Vergangenheit bereits viele andere Bedienstete der EU-Institutionen gegeben, die wegen ihrer behinderten Kinder auch kündigen und erneut umziehen mussten, weil sich die Europäische Schule für nicht kompetent erklärt hat“, so Katsioulis.

„Auf diese Weise werden MitarbeiterInnen der EU-Institutionen mit behinderten Kindern automatisch und systematisch ausselektiert und benachteiligt“, so Katsioulis, der gleichzeitig Behindertenbeauftragter des Deutschen Antidiskriminierungsverbandes ist.

Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) jüngst geurteilt hat, sind alle Verträge, die zu Diskriminierungen führen, „null und nichtig“. Hierbei habe der EuGH sehr genau definiert, was eine Diskriminierung ist.

Auch von Behinderungen betroffene Familienmitglieder sind geschützt, so der EuGH in einem weiteren Urteil. Die Schule hat mit ihrer „Beschwerdebegründung sehr eindeutig bestätigt, dass sie auch in diesem Fall diskriminiert hat“, so Katsioulis, daher könne sie sich auch nicht auf „Agreements“ berufen, die von Anbeginn die Selektion bestimmter Behinderungen vorsehen und die die Voraussetzung einer Aufnahme des Kindes waren und somit nicht ganz freiwillig zu Stande kommen. Und sich darauf berufen zu können, wird noch schwieriger, wenn erfolgversprechende Adaptionen einfach nicht zum Einsatz kommen und sogar Gutachten der Universität Aachen, die noch gar nicht vorliegen, willkürlich nicht abgewartet werden, meint Wasilious Katsioulis.

„Ich kenne keine einzige Schule in Europa, auf der ich jemals einen sogenannten Integrationsvertrag unterschreiben musste, aber vielleicht hält man dies ausgerechnet bei der Europäischen Schule doch für erforderlich. Solch einen Vertrag würde ich nie mehr gutgläubig unterschreiben, nach diesen Erlebnissen in der neuen Stadt. Hätte die Schule unseren Rat verfolgt und die Autismusexpertin in die Integration aufgenommen, so könnte mein Sohn am kommenden Montag auch seiner Schulpflicht nachkommen. Aber so wird er wohl mehrere Monate keine geeignete Schule haben, die sich um ihn kümmern kann. Zumindest sind wir sehr froh, dass uns einige Kinder aus Lucas Klasse hier zu Hause nachmittags besuchen kommen und mit ihm spielen, so hat ihn nur die Schule aber nicht die Gesellschaft als Ganzes, ausselektiert“, erklärte Wasilios Katsioulis.

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