Präsident der EBU (Europäische Blindenunion) kritisiert die geplante EU-Richtlinie scharf
Vor drei Jahren veröffentlichte die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf zur Barrierefreiheit von Webseiten öffentlicher Stellen.
Wir hielten den Entwurf für zu limitiert und waren sehr erfreut darüber, dass das Europäische Parlament im Februar 2014 einen signifikant erweiterten Text angenommen hat. Nun sind wir schockiert zu sehen wie die Regierungen der EU die Richtlinie von ihren wesentlichsten Inhalten befreien.
Die diesbezüglichen Verhandlungen gehen hinter verschlossenen Türen weiter und ein von der Luxemburgischen Präsidentschaft veröffentlichtes Papier zeigt, wie die Regierungen Millionen von EU Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderungen davon abhalten wollen, denselben digitalen Inhalt abzurufen, der für alle anderen selbstverständlich zur Verfügung steht. So sollen etwa Apps und bereits zum Download stehende Dokumente (z.B. PDF, Word, etc.) nicht barrierefrei zugänglich gemacht werden.
Und auch der Begriff „öffentliche Stellen“ soll sehr eng gehalten werden und nur den Staat oder regionale und lokale Behörden inkludieren und andere öffentliche Stellen ausschließen. Auch Intranet und Extranet Dienstleistungen wären exkludiert, was eine immense Benachteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Behinderungen bedeutet.
„Eine Schande“
Der Präsident der Europäischen Blindenunion, Wolfgang Angermann, reagierte folgendermaßen: „Das ist eine Schande. Unsere Regierungen ignorieren ungeniert unser grundlegendes Menschenrecht auf den Zugang zu Informationen, Inhalten und Dienstleistungen. Wir nutzen Smartphones wie alle anderen auch. Apps von einer derartigen Richtlinie zu exkludieren lässt nicht nur unsere sondern auch die nächsten Generationen blinder und sehbehinderter Bürgerinnen und Bürger im Stich. Es ist inakzeptabel.“
Unverzichtbare Applikationen
Die UN-Behindertenrechtskonvention, die auch von der EU ratifiziert wurde, beinhaltet bindende Klauseln über den gleichberechtigten Zugang zu Information und Kommunikation. Apps sind heute bei weitem die üblichste, einfachste und beliebteste Zugriffsweise auf digitale Inhalte, auch für blinde und sehbehinderte Menschen. Auch werden Apps vielfach von öffentlichen und anderen Dienstleistern in allen 28 Mitgliedsstaaten genutzt, etwa von Banken oder Transportunternehmen.
Aufruf an Entscheidungsträger
Als jene Organisation die die Interessen 30 Millionen blinder und sehbehinderter Menschen in ganz Europa vertritt, ruft die EBU alle Minister der EU dazu auf, die Rechte von Millionen Menschen mit Behinderungen zu wahren. Wir rufen auch das Europäische Parlament dazu auf, standhaft zu bleiben und sicherzustellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger das gleiche Recht auf den Zugang zu öffentlichen und anderen online Dienstleistungen haben.
Und wir rufen die Entscheidungsträger der EU dazu auf, unsere Empfehlungen einzubeziehen und gemeinsam mit uns an einer inklusiven Zukunft für alle Menschen zu arbeiten. EBU Präsident Angermann: „Wir haben drei Jahre lang auf eine gemeinsame Position gewartet. Wir warten immer noch. Und trotzdem will ich es für alle Beteiligten klar machen – was im Rat besprochen wird, ist nicht zweckmäßig.“