Auftakt zur Sensibilisierungskampagne "Behindert ist, wer behindert wird"
„Nicht das Handicap, nicht die sogenannte geistige oder psychische Behinderung ist es, die es Menschen verunmöglicht, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden, sondern die vielfach mangelnde Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft,“ ist der Wiener Caritasdirektor Michael Landau überzeugt.
„Mit der notwendigen Unterstützung, mit der Rücksichtnahme auf die Schwierigkeiten jedes und jeder einzelnen ist Integration möglich. Dazu aber braucht es die Bereitschaft der Gesellschaft, die Bereitschaft jedes einzelnen von uns, Hilfestellung, Chancen zu geben“, appelliert Landau zum Auftakt der Caritas-Sensibilisierungskampagne „Behindert ist, wer behindert wird“.
Die Caritas ist eine der größten Behindertenorganisationen Österreichs und unterstützt in 69 Einrichtungen über 3.000 Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Mit über 100 Veranstaltungen und Aktionen – von der Ausstellung bis zum Erlebnisparcours, von der Verkaufsaktion bei Baumax bis zur Schaufenstergestaltung – macht die Caritas heuer auf die vielfältigen kleinen und großen Barrieren im Alltag von Menschen mit Behinderungen aufmerksam und ermöglicht Begegnung von behinderten und nichtbehinderten Menschen, damit Barrieren abgebaut werden.
Behindertengleichstellungsgesetz ergänzen und konkretisieren
Menschen mit Behinderungen haben gleiche Rechte und Pflichten, das heißt Chancengleichheit. Der Artikel 7 der Österreichischen Bundesverfassung, der die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung ausdrücklich verbietet, muss mit Leben erfüllt, und er muss durch ein Behindertengleichstellungsgesetz ergänzt und konkretisiert werden, fordert die Caritas. Das heißt beispielsweise auch, dass bei allen Neu- und Umbauten die Ö-Normen zur behindertengerechten Bauweise verpflichtend angewandt werden müssen.
Behindert ist, wer bei der Arbeit behindert wird
Arbeit ist für jeden Menschen wichtig, denn sie trägt nicht zuletzt zu einem guten Selbstwertgefühl bei. Die Behindertenmilliarde hat hier einiges in Bewegung gebracht hat. „Doch diese Bewegung droht zu verebben, wenn nicht die notwendigen Mittel erhalten und ausgebaut werden. Die Behindertenmilliarde darf keine politische Eintagsfliege bleiben“, so Landau.
Nach wie vor halten Einstiegsbarrieren Menschen mit Behinderungen vom Arbeitsmarkt fern. Die Erfahrung der Caritas zeigt jedoch, dass Jobcoaches und Arbeitsassistentinnen bei der Einschulung eines behinderten Mitarbeiters oder einer behinderten Mitarbeiterin unterstützen können. Diese Clearing- und Jobcoachingprogramme und die Angebote zur Arbeitsassistenz sind weiterzuentwickeln und auszubauen. Ebenso könnte eine Informationsoffensive für Unternehmen hier entscheidend mithelfen, Barrieren abzubauen und Menschen mit Behinderungen Chancen zu eröffnen.
Wert des Pflegegeldes wird von Jahr zu Jahr weniger
Mit dem Pflegegeld ist bereits ein Meilenstein in der Behindertenpolitik gelungen, weil es hilft, Menschen mit Behinderung aus der Bittstellerrolle zu befreien. Allerdings ist das Pflegegeld seit seiner Einführung nie valorisiert worden, kritisiert der Generalsekretär der Caritas Österreich, Stefan Wallner-Ewald. „Die Möglichkeit ein selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Leben zu führen wird konterkariert, wenn der Wert dieser Geldleistung Jahr für Jahr sinkt.“
Qualität und Verfügbarkeit der Pflegeleistungen sind ausschlaggebend für die Lebensqualität. Die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen und ihrer Angehörigen hängt davon ab, ob die Unterstützung durch professionelle mobile Dienste gewährleistet werden kann. Diese Angebote können längst nicht flächendeckend angeboten werden. Es ist daher notwendig, familienentlastende Dienste auszubauen und diesbezügliche Pläne der Bundesländer rasch umzusetzen. „Es wäre sinnvoll, dass Bund, Länder und NGOs gemeinsam einen Nationalen Aktionsplan für den Bereich der Pflege und Betreuung erarbeiten“, schlägt der Caritas-Generalsekretär vor.
Der Caritas geht es darum, Menschen mit Behinderung in ihren Fähigkeiten und Stärken zu erleben und nicht die Beeinträchtigung in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise zu stellen. Dieser Ansatz bringt eine Überzeugung zum Ausdruck, die wichtig ist: Selbstbestimmung, Integration, Normalisierung sind möglich. Und wo sie gelingen, bereichern sie beide Seiten. Denn es ist normal, verschieden zu sein!