Behinderte Menschen in Rumänien und Estland werden von der Europäischen Kommission im Stich gelassen

ENIL und die Validity Foundation reichten zwei getrennte Beschwerden bei der Europäischen Kommission gegen die Verwaltungsbehörden in Rumänien und Estland ein, weil diese die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) für den Bau neuer Einrichtungen für Menschen mit Behinderung verwendeten.

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Die Kommission kam zu dem überraschenden Urteil, dass die Mitgliedsstaaten nicht gegen EU-Recht verstoßen, wenn sie ESI-Fonds verwenden, um in neue Einrichtungen zu investieren.

Es sind EU finanzierte Menschenrechtsverletzungen, anders kann man es nicht ausdrücken, wenn man sich die Zustände in zum Beispiel rumänischen Heimen, die mit Geldern der EU finanziert werden, ansieht.

Internationale Medien wie ALJAZEERA haben schon seit 2014 auf die furchtbaren Zustände in diesen Einrichtungen hingewiesen. Zuletzt hat ENIL in Zusammenarbeit mit zwei Europaabgeordneten eine Studie über die Verwendung der ESI-Fonds erstellt.

Fortführung der Aussonderung in Rumänien und Estland

ENIL und die Validity Foundation reichten zwei getrennte Beschwerden gegen die Verwaltungsbehörden in Rumänien und Estland ein. In Rumänien beschwerte sich ENIL über eine Ausschreibung, die den Bau von „betreuten Wohneinheiten“ für Menschen mit Behinderung zum Ziel hat.

Die Ausschreibung wird zum Bau von mindestens 57 Wohneinrichtungen und 18 Tagesstätten führen. Die meisten Projekte, für die ENIL detaillierte Informationen gefunden hat, betreffen Komplexe für bis zu 30 Bewohnerinnen und Bewohner.

Die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Einrichtungen werden den Betreuungspraktiken und Routinen der Institutionen unterworfen sein. Sie werden gezwungen sein, in Tagesstätten zu leben, ohne die Möglichkeit zu entscheiden, wo, mit wem und wie sie ihr Leben verbringen wollen.

In Estland beschwerte sich Validity über den Bau eines ganzen „Sonderpflegedorfes“ zur langfristigen Unterbringung von Menschen mit Autismus, Down-Syndrom und anderen „seltenen Krankheiten“ im ländlichen Dorf Liikva im Landkreis Harju. Mehr als eine Million Euro erhielt das Projekt.

Es steht kurz vor der Fertigstellung und wird aus drei Blockhütten bestehen, von denen jede eine Kapazität von bis zu 10 Erwachsenen hat. Das Dorf wird in sich abgeschlossen und von der Gemeinschaft abgeschnitten sein, mit einem Bauernhof, einem Obstgarten und allen therapeutischen Angeboten in der Umgebung, wobei nach offiziellen Angaben die Bewohnerinnen und Bewohner wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens dortbleiben werden.

EU missachtet die UN-Behindertenrechtskonvention

Die Europäische Kommission beschränkte sich bei der Prüfung der Beschwerden auf die Bewertung von Strategien, Plänen und anderen Dokumenten, die von den Verwaltungsbehörden (d. h. den zuständigen Ministerien) der beiden Länder vorgelegt wurden.

Auf dieser Grundlage kam die Kommission zu dem Schluss, dass „weder im operationellen Programm noch in den Dokumenten irgendwelche Hinweise gefunden werden, die als Verstoß“ gegen die Grundrechtecharta, die UN-Behindertenrechtskonvention oder die ESI-Fonds-Verordnungen angesehen werden könnten.

Eine unabhängige Bewertung, etwa durch eine nationale Menschenrechtsorganisation oder Nichtregierungsorganisationen wurde nicht eingeholt, um laufende oder mögliche Menschenrechtsverletzungen in den ESI-finanzierten Einrichtungen festzustellen.

Entscheidung der EU-Kommission enttäuschend

ENIL und Validity sind zutiefst enttäuscht von dieser Einschätzung. In ihren jeweiligen Antworten auf die Entscheidung der Kommission stellen ENIL und Validity die Interpretation der UN-Behindertenrechtskonvention in Frage, die von den Anwälten der Kommission vorgebracht wurde.

Diese zielt darauf ab, die fortgesetzte Aussonderung von behinderten Menschen in stationären Einrichtungen mit langer Verweildauer zu rechtfertigen und zu erleichtern. Die beiden Organisationen kritisieren, dass die Kommission ihre Untersuchungen auf strategische Dokumente beschränkt hätte.

Indem die Kommission ihre Untersuchung auf den Kontakt mit der Verwaltungsbehörde beschränkt, hat sie es versäumt, behinderte Menschen in der EU vor Diskriminierung zu schützen. ENIL und Validity haben daher die Kommission aufgefordert, die Beschwerden wieder aufzunehmen und einen Verstoß gegen EU-Recht festzustellen.

Wer meint, das Problem der EU finanzierten Aussonderung gibt es bei uns nicht, der irrt sich. Wie in einem BIZEPS-Beitrag aufgezeigt, wurden in Oberösterreich 7,5 Millionen € aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) für den Neubau von Wohneinrichtungen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen verwendet.

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