Behindertenanwalt Hofer: „Es gibt noch Luft nach oben“

Bilanz des Behindertenanwalts zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen 2019

Portrait des Behindertenanwalts Dr. Hansjörg Hofer
Behindertenanwaltschaft

Heute wird der diesjährige Internationale Tag der der Menschen mit Behinderungen begangen. Aus diesem Anlass setzt die globale Kampagne #PurpleLightUp ein sichtbares Zeichen, um auf die ökonomische Selbstbestimmung, wirtschaftliche Teilhabe und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen aufmerksam zu machen.

Im Jahr 2019 gab es im Sinne der Inklusion von Menschen mit Behinderungen keine bahnbrechenden Reformen. Immerhin brachte das „Freie Spiel der Kräfte“ einige Verbesserungen.

So wurde die Befreiung von Menschen mit Behinderungen, denen die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar ist, von der Normverbrauchsabgabe, eine laufende Valorisierung des Pflegegeldes sowie die Anhebung von Steuerfreibeträgen zum Ausgleich von behinderungsbedingten finanziellen Mehraufwendungen im Nationalrat beschlossen.

Viele Maßnahmen, die von der Behindertenanwaltschaft und Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderung seit längerer Zeit gefordert werden, harren jedoch weiterhin ihrer Umsetzung und sollten in ein zukünftiges Regierungsprogramm aufgenommen werden.

Auch der Nationale Aktionsplan Behinderung für die Jahre 2022 bis 2030, an dessen Erstellung bereits gearbeitet wird, bietet die Möglichkeit die Behindertenpolitik in Österreich auf neue Beine zu stellen.

Der Behindertenanwalt begrüßt, dass die Frist für dessen Erarbeitung im Sinne eines möglichst qualitätsvollen Ergebnisses verlängert wurde. Der Prozess zur Erstellung des Nationalen Aktionsplans muss alle relevanten AkteurInnen – insbesondere die Menschen mit Behinderungen – miteinbeziehen, transparent und partizipativ sein. Für die darin enthaltenen Maßnahmen müssen die erforderlichen Geldmittel bereitgestellt, zur Überprüfung von deren Umsetzung klare Indikatoren vorgesehen werden.

Eine der bestehenden Forderungen an die kommende Bundesregierung ist die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung im Bereich der Behindertengleichstellung. Mit dem Behindertengleichstellungspaket wurde mit Beginn des Jahres 2006 in der Arbeitswelt und im täglichen Leben ein Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen auf Ebene des Bundes eingeführt.

Die Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung gestaltet sich aber meist schwierig. Ein Grund dafür ist das mit einer Klage verbundene Kostenrisiko. Hier könnte eine ähnliche Regelung wie im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz eingeführt werden, das in bestimmten Verfahren den Ersatz der gegnerischen Verfahrenskosten durch KlägerInnen, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, ausschließt.

Daneben bedarf es der Einführung eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs in allen Belangen der Behindertengleichstellung, um die lückenlose Wirksamkeit des Diskriminierungsschutzes zu gewährleisten.

Eine Maßnahme, um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt voranzubringen, wäre eine Reform des Ausgleichstaxensystems.

Die Ausgleichstaxe, die sich in ihrer derzeitigen Ausgestaltung zur Bekämpfung der zunehmenden Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen als weitgehend unwirksam erwiesen hat, ist von Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten zu entrichten, die ihre Verpflichtung, begünstigte Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, nicht oder nur unzureichend erfüllen.

Die Ausgleichstaxe sollte durch einen Solidarbeitrag ersetzt werden, der von allen Unternehmen gemeinsam mit den sonstigen Abgaben für die beschäftigten ArbeitnehmerInnen eingehoben wird; die Einnahmen sollten den ArbeitgeberInnen zugutekommen, die die Beschäftigungspflicht übererfüllen oder begünstigte Menschen mit Behinderung beschäftigen, obwohl sie dazu nicht verpflichtet sind.

Die Einführung eines Inklusionsfonds nach dem Beispiel des Pflegefonds zur Abdeckung behinderungsbedingter Mehrbedarfe wäre ein wichtiger Beitrag zur Gewährleistung der Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen, die von Behinderungen betroffen sind.

Besonderer Handlungsbedarf besteht bei der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung für Menschen, die in Tagesstrukturen beschäftigt sind. Diese gelten meist nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften als arbeitsunfähig und sind damit, mangels Unterstützung zur Arbeitsmarktintegration, in der Regel auf Angebote der Länder angewiesen.

Sie beziehen dann statt eines Arbeitsentgelts ein, meist geringes, Taschengeld, sind nicht in der gesetzlichen Pensionsversicherung versichert und können aufgrund ihrer Mitversicherung auch nicht den vollen Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen.

Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, die schwerwiegende Konsequenzen hat, ist meist irreversibel und keinem Rechtszug unterworfen. Vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten werden dabei meist nicht oder nur unzureichend berücksichtigt.

„Allgemein gibt es im Hinblick auf die umfassende Gleichstellung im Sinne der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen noch Luft nach oben. Ich bin zuversichtlich, dass die berechtigten Anliegen von Menschen mit Behinderungen bei der zukünftigen Bundesregierung Gehör finden werden“, so Behindertenanwalt Hansjörg Hofer.

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