Mehr als fünf Stunden dauerte das ÖAR-Hearing zur Findung einer Nachfolgerin / eines Nachfolgers des scheidenden Behindertenanwaltes Erwin Buchinger. Ein Bericht und Kommentar.
Am 27. März 2017 fand ein von der ÖAR organisiertes Hearing im Sozialministeriumservice statt. Ziel war es, nach dem Rücktritt von Erwin Buchinger, die sechs geeignetsten Kandidatinnen und Kandidaten (aus 24 Bewerbungen) anzuhören und dem Sozialminister eine Entscheidungsgrundlage zu liefern.
Die ÖAR hatte folgende sechs Personen eingeladen, die in dieser Reihenfolge beim Hearing waren:
- Ursula Naue: Senior Lecturer am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, Mitglied der Wiener Monitoringstelle
- Hansjörg Hofer: stv. Sektionsleiter im Sozialministerium, Mitglied des Menschenrechtsbeirates der Volksanwaltschaft
- Dorothea Brozek: Unternehmerin, Mitbegründerin verschiedener Organisationen im Behindertenbereich
- Franz-Joseph Huainigg: ÖVP-Behindertensprecher im Parlament, Autor
- Monika Schmerold: Obfrau von knack:punkt Selbstbestimmt Leben Salzburg, Mitglied der Prüfkommission 2 der Volksanwaltschaft
- Günter Porta: Unternehmer, ehemaliger Telfser Vizebürgermeister
Wie lief das Hearing ab?
Von 9.30 bis 15 Uhr befragten Präsidiumsmitglieder der ÖAR der Reihe nach die Kandidatinnen und Kandidaten, denen jeweils 45 Minuten zur Verfügung standen. Allen wurden die selben 15 Fragen aus 3 Themenbereichen – primär, um Kompetenzen abzufragen – gestellt. Ergänzend gab es noch zwei weitere Fragen; eine zur De-Institutionalisierung und eine zur persönlichen Motivation zur Bewerbung.
Im sehr gut besuchten öffentlichen Hearing verfolgten die Besucherinnen und Besucher stundenlang aufmerksam diesen Prozess.
Alle sechs Personen haben sich sehr gut geschlagen, resümiert Gabriele Sprengseis, ÖAR-Geschäftsführerin, gegenüber BIZEPS und sie führt aus: „Es war ein gelungenes Hearing.“ Sie bedankt sich auch beim Sozialministeriumservice für die Zurverfügungstellung des Raums und allen, die gekommen sind, dass sie daran mitgewirkt haben.
Ich habe das Hearing zur Gänze verfolgt und live darüber im Internet berichtet. Das Hearing verlief wirklich außerordentlich gut und widerlegt die Ansicht all jener, die im Vorfeld von angeblich schon getroffenen Entscheidungen sprachen.
Alle Kandidatinnen und Kandidaten bemühten sich sehr und waren der Situation entsprechend nervös. Auch die Präsidiumsmitglieder lauschten stundenlang gespannt den Antworten und zeigten in den Pausengesprächen keinerlei Präferenz oder Voreingenommenheit.
Die einzelnen KandidatInnen – meine Einschätzungen
Dass schlussendlich doch eine Entscheidung bezüglich einer Reihung getroffen werden muss, ist klar. Ich habe live auf Facebook berichtet, wie sich die Kandidatinnen bzw. Kandidaten darstellten. Am Ende erlaubte ich mir, ein persönliches Fazit pro Person zu schreiben. Hier zum Nachlesen.
Mein Fazit zu Kandidatin Ursula Naue:
Sehr engagierter Auftritt, gut verständlich, strukturiert, sehr in die Zukunft orientiert, inhaltlich kompetent.
Mein Fazit zu Kandidat Hansjörg Hofer:
rechtlich höchst kompetent mit viel Verwaltungserfahrung, Teamplayer, betont seine Fähigkeit zuzuhören, authentisches Bemühen es zu werden, kurze und prägnante Antworten.
Mein Fazit zu Kandidatin Dorothea Brozek:
Betont ihre Kommunikationsqualifikation und Erfahrungen in Öffentlichkeitsarbeit, bringt viele Beispiele aus dem Alltag, vermittelt starke Visionen, sehr engagiert.
Mein Fazit zu Kandidat Franz-Joseph Huainigg:
Verweist auf 15 Jahre Erfahrung in der Politik, bringt viele Beispiele seiner Öffentlichkeitsarbeit, humorvolle Antworten, kommunikativ, bemüht.
Mein Fazit zu Kandidatin Monika Schmerold:
Antwortet kompetent, zeigt ihre Fähigkeiten auf, sprachlich gewandt, inhaltlich meist am Punkt, weniger Erfahrungen als andere KandidatInnen.
Mein Fazit zu Kandidat Günter Porta:
Erfahrungen in der Kommunalpolitik, viel Erfahrung mit Verwaltung, spricht viel über Wirtschaft und Barrierefreiheit, weniger über Rechte, redet über allgemeine Behindertenpolitik, weniger über Behindertengleichstellung, inhaltliche Lücken.
Meine Einschätzung
Die ÖAR wird höchstwahrscheinlich – wie im Jahr 2013 – eine zusammenfassende Beurteilung im Schulnotensystem durchführen, die dann verbal zwischen „sehr gut geeignet“ und „nicht geeignet“ ausformuliert wird. Damals sind beide zum Hearing stehenden Personen mit „gut geeignet“ bewertet worden, aber die Detailwertungen waren leicht unterschiedlich.
Da ich mich in diesem Bereich (Aufgabengebiet der Behindertenanwaltschaft und dem Gleichstellungsrecht) auskenne, wage ich eine Einschätzung der Kandidatinnen und Kandidaten.
Wenn es nur um Qualifikation, Kommunikation und Darbietung beim Hearing geht waren Ursula Naue, Hansjörg Hofer und Dorothea Brozek deutlich besser als die anderen KandidatInnen. Je nachdem, welchen der Punkte man höher wertet, liegt meiner Einschätzung nach eine der drei Personen vorne.
Als Außenstehender kann ich aber auch nicht ausschließen, dass die ÖAR andere zusätzliche Kriterien anwendet. Beispielsweise könnte sein, dass die ÖAR Ursula Naue als evtl. Bestplatzierte nicht vorschlagen will, weil sie die einzige nichtbehinderte Person beim Hearing war. Auch könnte Franz-Joseph Huainigg trotzdem genommen werden, weil er in der ÖAR als Behindertensprecher und somit automatisches ÖAR-Vorstandsmitglied gut vernetzt ist und man wieder einen bekannten Politiker nehmen will.
Wie geht es weiter?
Derzeit wird noch über das Ergebnis des Hearings beraten, informiert Gabriele Sprengseis BIZEPS zum Stand der Bewertung. Sie kündigt an, dass das Ergebnis wahrscheinlich bis Ende der 14. Woche an das Sozialministerium weitergeleitet wird.
Am 20. April 2017 wird das Hearing-Ergebnis dem Bundesbehindertenbeirat zur Anhörung vorgelegt werden. (Update am 12. April 2017: Es wurde bekannt, dass der Bundesbehindertenbeirat auf den 24. April 2017 verschoben wurde.)
Erst danach entscheidet Sozialminister Alois Stöger, wer die Leitung der Behindertenanwaltschaft übernimmt.
Gleichbehandlung
04.04.2017, 20:37
Der Artikel zeigt eine persönliche Wunschreihung des Autors. Eine derartige Einschätzung öffentlich abzugeben ist unseriös. Immerhin gibt es Bewerbungsschreiben und Lebensläufe, die nicht öffentlich bekannt sind und weit mehr aussagen, als ein Hearing, das niemals alles abdecken kann. Ich hoffe die ÖAR schätzt seriöser ein!
Markus Ladstätter
05.04.2017, 11:34
Warum ist es denn unseriös eine persönliche Meinung kundzutun?
Dazu gab es ja ein öffentliches Hearing, um sich eine Meinung über die Kandidatinnen und Kandidaten zu bilden.
Insider
07.04.2017, 13:02
Die ÖAR bzw. diejenigen von der ÖAR, die die Bewerbungen bewertet haben, hat bzw. haben schon eingeschätzt und es wurden sechs Personen zum Hearing geladen. Ich bin auch der Meinung, dass ein Journalist, der das Hearing besucht und sogar live auf einer Social-Media-Plattform darüber berichtet, seine persönliche Meinung kundtun darf. Auch, wenn diese lediglich subjektive Wahrnehmungen und Hintergrundinformationen preisgeben.
Thomas
03.04.2017, 19:03
Liebe theresia,
wenn du’s schon weißt, warum sagst du es uns nicht?
theresia
03.04.2017, 20:35
weil sonst
1. der neue Behindertenanwalt um seine Vorstellungspressekonferenz gebracht werden würde und
2. weil ich sonst vielleicht von dieser „Quelle“ nichts mehr erfahren würde und
so und jetzt äußere ich mich nicht mehr dazu. hätte es vielleicht gar nicht tun sollen, denke ich jetzt.
Insider
04.04.2017, 15:42
Viele denken, dass es Dr. Hans Jörg Hofer werden wird… Da brauch man keine geheime Quellen – lass mich aber auch gerne überraschen…
theresia
03.04.2017, 18:34
bin mir sehr sicher, die Entscheidung ist schon vorher gefallen, das Hearing hat halt sein müssen, weil es so üblich ist! Darf es nicht schreiben, doch hab ich schon gehört, wem Herr stöger das „Amt“ überträgt. Es wird wieder ein Mann sein, soweit meine Informationen.