Behindertenbewegung in Deutschland bleibt viel zu tun

Ottmar Miles-Paul: "Vor allem müssen wir Druck machen, dass das Bundesteilhabegesetz umgesetzt und wo es noch nicht im Sinne der Selbstbestimmung behinderter Menschen greift, schnell weiterentwickelt wird."

Miles-Paul am Telefon
Susanne Göbel

Die Ehrung mit dem Bundesverdienstkreuz am 20. September 2022 bestärkt Ottmar Miles-Paul in seinem politischen Engagement.

„In der Behindertenbewegung müssen wir zusammenhalten, wenn wir etwas erreichen wollen. Das ist unsere Stärke und das hat sich immer wieder gezeigt“, so Miles-Paul, den kobinet nach der Ehrung in den USA erreichte.

Der Behindertenrechtler dankte allen, die seinen Weg gekreuzt haben und mit denen er zusammen etwas bewegen durfte. „Diese Auszeichnung gebührt auch euch“, sagte er dem Berliner kobinet-Korrespondenten Franz Schmahl.

Vor allem müssen wir Druck machen, dass das Bundesteilhabegesetz umgesetzt und wo es noch nicht im Sinne der Selbstbestimmung behinderter Menschen greift, schnell weiterentwickelt wird.

kobinet: Lieber Ottmar, herzlichen Glückwunsch im Namen des kobinet-Teams. Wie fühlt sich heute der Mann, der sich bald das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland anstecken kann?

Ottmar Miles-Paul:
Vielen Dank für die Glückwünsche. Meine Gefühle sind sehr gemischt, denn als Mensch mit Sternzeichen Krebs mag ich es für mich persönlich gerne bescheidener, mache lieber die Menschenrechtulationensarbeit, die noch zu tun ist, als Ehrungen entgegen zu nehmen.

Da ich mich andererseits aber sehr darüber freue, wenn andere Engagierte für ihr Engagement ausgezeichnet werden, habe ich meinen Frieden mit dieser Auszeichnung gefunden. Dabei hat mich besonders gefreut, dass Jenny Bießmann vom Vorstand der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) die Gratulationen für mich entgegen nahm.

Jenny macht eine solch gute Arbeit, beispielsweise in der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) des Vereins aktiv und selbstbestimmt (akse) in Berlin und durch ihr politisches Engagement für ein selbstbestimmtes und barrierefreies Leben. Sie steht quasi für all die Menschen, die überhaupt erst eine solche Ehrung für mich möglich gemacht haben.

kobinet: Als da wären?

Ottmar Miles-Paul: Seien es die Engagierten der Selbstbestimmt Leben Bewegung behinderter Menschen, die vielen netten und engagierten Leute, mit denen ich während meiner fünf Jahre als Landesbehindertenbeauftragter in Rheinland-Pfalz zusammen arbeiten durfte oder das Team der kobinet-nachrichten, das es mir ermöglicht, dass ich fast täglich über behindertenpolitische Themen berichten kann. Mein Dank gilt euch allen und noch vielen mehr.

Denn in der Behindertenbewegung müssen wir zusammenhalten, wenn wir etwas erreichen wollen. Das ist unsere Stärke und das hat sich immer wieder gezeigt. Also danke euch allen, die ihr meinen Weg gekreuzt habt und mit denen ich zusammen etwas bewegen durfte. Diese Auszeichnung gebührt also vor allen auch euch.

kobinet: Das war ein bewegender Abend, als Bundesminister Hubertus Heil den Verdienstorden an Persönlichkeiten überreichte, die mit Herz und Verstand dafür kämpfen, dass unsere Welt gerechter wird. Einem nun geehrten Behindertenrechtler bleibt noch viel zu tun oder?

Ottmar Miles-Paul: Ich hätte gerne die vielen Gäste und natürlich auch diejenigen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales getroffen, die mit mir zusammen ausgezeichnet wurden. Ich freue mich besonders, dass auch die Inklusionsbotschafterin Ines Helke vom Hamburger Gebärdenchor HandsUp für ihr Engagement gewürdigt wurde.

Auch dass Norbert Müller-Fehling ausgezeichnet wurde, gibt mir Hoffnung, dass es uns bald gelingt, die Inklusion im Kinder- und Jugendbereich entscheidend voranzutreiben, für die er sich einsetzt. All den anderen Ausgezeichneten an dieser Stelle meinen Glückwunsch.

kobinet: Was bleibt zu tun?

Ottmar Miles-Paul: Ja, diese Welt hat noch sehr viel Luft nach oben zum gerechter Werden. Deshalb gibt es vor allem in den nächsten Monaten vor allem auch in Deutschland einiges zu tun, wenn die im Koalitionsvertrag verankerten behindertenpolitischen Vorhaben angepackt und in Gesetzesform gegossen werden sollen.

Nicht nur die Gesetzgebung zur Vermeidung von Diskriminierungen im Falle von Triage-Situationen steht an, die Erhöhung der Ausgleichsabgabe und hoffentlich weitere Initiativen zur Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind geplant. Vor allem müssen wir Druck machen, dass das Bundesteilhabegesetz umgesetzt und wo es noch nicht im Sinne der Selbstbestimmung behinderter Menschen greift, schnell weiterentwickelt wird.

Es gilt nun, dass wir endlich die privaten Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur Barrierefreiheit verpflichten. In den USA konnte ich in den letzten Tagen wieder erleben, was für einen großen Unterschied es dort in Sachen Barrierefreiheit zu Deutschland gibt, wo es klare gesetzliche Anforderungen zur Barrierefreiheit und Nichtdiskriminierung schon seit fast 30 Jahren mit dem Americans with Disabilities Act (ADA) gibt.

kobinet: Viel Spaß noch in Amerika! Guten Heimflug dann! Wir brauchen dich hier.

Ottmar Miles-Paul: Danke. Ich verspreche gut erholt und mit neuen Energien zurückzukommen.

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