Behinderteneinstellungsgesetz – zukunftsweisende Reformen?

Schon vor knapp 1 1/2 Jahren sollte das Behinderteneinstellungsgesetz novelliert werden. Der Entwurf wurde von vielen Seiten vehement bekämpft.

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Dann passierte lange Zeit nichts. Im November 1998 wurde diese Novelle als Regierungsvorlage – mit leichten Abänderungen – präsentiert.

Leider könnten wir hier fast wortgleich einen Artikel aus BIZEPS-INFO vom August 1997 abdrucken – so wenig hat sich an der Situation geändert. Auch der vorliegende Entwurf ist keine zukunftsweisende Reform, sondern nur Systemkosmetik.

Trotzdem zeigt sich Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (SPÖ) „stolz“, daß die Novelle zur besseren Integration von Behinderten in den Arbeitsmarkt beschlossen werden wird. Die Handlungsfähigkeit der Regierung ist durchaus gegeben, bestätigte auch der Verhandler Familienminister Dr. Martin Bartenstein (ÖVP). Doch nun im Detail:

Bund, Länder und Gemeinden mußten bisher weniger behinderte Menschen anstellen als private Firmen. Das wurde u. a. auch in den Arbeitsgruppen des Bundeskanzleramtes zur Druchforstung von diskriminierenden gesetzlichen Bestimmungen einstimmig als Benachteiligung beurteilt. Dies soll nun endlich geändert werden.

Wieder nicht beseitigt wurde eine Ausnahmebestimmung für bestimmte Wirtschaftszweige. Obwohl das Sozialministerium in offiziellen Dokumenten schreibt: Es besteht „einhellig die Auffassung, daß diese Ausnahmeregelungen behindertenbenachteiligend und daher zu streichen sind“.

Positiv zu vermerken ist, daß die Arbeitsassistenz ausgebaut werden soll. Die Arbeitsassistenz verfolgt das Ziel, behinderten Menschen durch besonders intensive Begleitung und Beratung zu einem Arbeitsplatz zu verhelfen.

Die Zahl der von einem Dienstgeber zu beschäftigenden behinderten Menschen hängt von der Gesamtzahl seiner Dienstnehmer ab. Bisher waren Lehrlinge bei dieser Berechnung voll einzubeziehen. In Zukunft soll das nicht mehr der Fall sein. Dieser Vorschlag wurde schon voriges Jahr von der Arbeiterkammer vehement kritisiert, weil hier verschiedene Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Die Regierung hält aber an ihrem Vorhaben fest: Lehrlinge sind wichtiger als behinderte Menschen.

Infolge der zunehmend kritischen Betrachtung des erhöhten Kündigungsschutzes für begünstigte Behinderte bei Neuanstellungen ist im vorliegenden Novellenentwurf eine geringfügige Modifizierung geplant. Ob und welche Auswirkungen dies haben wird, werden die nächsten Jahre zeigen.

Bei der Ausgleichstaxe zeigt sich, wie ernst diese Novellierung dem Sozialministerium war. Die Klubobfrau Dr. Madeleine Petrovic (GRÜNE) unterstrich, sie sehe durchaus positive Punkte im Entwurf, insbesondere was den Ausbau der Arbeitsassistenz und die Einschränkung der Ausnahmeregelungen bei der Pflichtzahl betreffe. Insgesamt könne sie aber kein positives Statement abgeben, weil, so die Abgeordnete, „die lächerlich geringe Ausgleichstaxe“ nicht erhöht wird.

Schon Anfang der 90er Jahre hatte der damalige Sozialminister Hesoun angekündigt, daß die Ministerien in Zukunft selbst ihre Ausgleichstaxe zahlen werden. Doch noch immer werden diese Beträge zentral bezahlt und fast kein Ministerium hat Interesse, die Beschäftigungspflicht zu erfüllen, der freiheitliche Abg. Josef Meisinger bemängelte dies daher im Sozialausschuß.

Zukünftig sollen die Mittel des Ausgleichstaxfonds präventiv für Personen verwendet werden können, um damit zu verhindern, daß sie arbeitslos werden.

Die Pflichtzahl ist wieder nicht nach deutschem Vorbild geändert worden. (Österreich: 4 Behinderte pro 100 MitarbeiterInnen, Deutschland: 6 pro 100).

„Mit der Novelle ist uns eine zeitgemäße Adaption gelungen, von der die behinderten Menschen profitieren werden. Ich bin mir sicher, daß wir der Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt ein entscheidendes Stück näher gekommen sind“, so Sozialministerin Lore Hostasch (SPÖ).

„Erwartungsgemäß hat die Regierung die wirklichen heißen Eisen nicht einmal angegriffen“, kritisierte der liberale Abg. Volker Kier. „Die katastrophale Beschäftigungssituation wird sich für behinderte Arbeitsuchende dadurch sicher nicht verbessern.“

Zur Erinnerung:
Allein seit 1995 ist die Zahl der arbeitslosen behinderten Menschen (anspruchsberechtigt im Sinne des Gesetzes) von 30.068 auf über 38.000 im laufenden Jahr 1998 angestiegen.

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