Am 27. April 2004 beschloss der Steiermärkische Landtag die neue Landtagswahlordnung 2004 und die neue Gemeindewahlordnung 2004.
Das sogenannte Demokratiepaket des Bundes vom September 1998 ist den meisten Menschen mit Behinderung wohl noch lebhaft in Erinnerung; wurden damit ja erstmals in der Nationalrats-, Bundespräsidenten- und Europawahlordnung Bestimmungen geschaffen, die z. B. die Verwendung von Wahlschablonen für sehbehinderte und blinde WählerInnen vorsehen oder auch eine Mindestanzahl für körperbehinderte WählerInnen barrierefrei erreichbarer Wahllokale gesetzlich normieren.
Nun hat auch der Steiermärkische Landtag am 27. April 2004 die Neufassungen der Steiermärkischen Landtagswahlordnung (LTWO) und der Steiermärkischen Gemeindewahlordnung (GWO) beschlossen und darin insbesondere folgende Behindertengleichstellungsmaßnahmen für Gemeinderats- und Landtagswahlen in der Steiermark getroffen:
- Wahlkartenwahlmöglichkeit für Personen, die ihr Wahllokal wegen mangelnder Geh- oder Transportfähigkeit aus Krankheits-, Alters- oder sonstigen Gründen am Wahltag nicht besuchen können
- nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten ist zumindest ein für körperbehinderte WählerInnen barrierefrei erreichbares Wahllokal pro Gemeinde vorzusehen
- nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten sind auch geeignete Leitsysteme in Wahllokalen für schwer sehbehinderte und blinde WählerInnen vorzusehen
- die Möglichkeit der Mitnahme einer Geleitperson für körper- und sinnesbehinderte, schwer sehbehinderte und blinde WählerInnen ist normiert
- ein Recht auf Wahlschablonen für schwer sehbehinderte und blinde WählerInnen besteht nun ebenfalls
- die Wahlzellen sind ausreichend auszuleuchten
- die Einrichtung besonderer Wahlsprengel für WählerInnen, die in Heil- oder Pflegeanstalten untergebracht sind ist vorgesehen
- die Bereitstellung besonderer Wahlkommissionen für bettlägrige WählerInnen und geh- und transportfähige WahlkartenwählerInnen ist auch geregelt
Schon in der Arbeitsgruppe des Bundeskanzleramtes Verfassungsdienst zur Durchforstung des Bundesrechts nach behindertendiskriminierenden Bestimmungen wurde die auch in der Nationalratswahlordnung im Jahr 1998 noch enthaltene verfassungswidrige Bestimmung, dass die ärztliche Leitung Personen in Pflegeanstalten und Krankenhäusern aus gewichtigen medizinischen Gründen die Ausübung des Wahlrechts untersagen kann, heiß diskutiert und letztlich durch das Demokratiepaket des Bundes vom September 1998 beseitigt.
Derartige Bestimmungen, durch die die ärztliche Leitung einer Pflegeanstalt gehfähigen und bettlägrigen Pfleglingen aus „gewichtigen medizinischen Gründen“ die Ausübung des Wahlrechts im Einzelfall untersagen kann, finden sich bislang auch in § 65 Abs. 3 der Steiermärkischen Gemeindewahlordnung und in § 67 Abs. 3 der Steiermärkischen Landtagswahlordnung; mit der Wahlrechtsnovelle 2004 werden diese Behindertendiskriminierungen nun endlich beseitigt.
Aber auch die alt bekannten und bislang auch im Steiermärkischen Wahlrecht vorhandenen sprachlichen Diskriminierungen – z. B. „Bresthafte“ in § 58 Abs. 1 GWO oder „Gebrechliche“ in §§ 24 Abs. 1 und 61 LTWO – werden mit dieser Neufassung der Steiermärkischen Landtags- und Gemeindewahlordnung beseitigt.