Behindertengleichstellung laut Küberl „ein gerupftes Huhn“

Caritas-Präsident zu Gesetz: "Parlament muss korrigieren"

Behindert ist, wer behindert wird
Caritas

„Grundsätzlich begrüßen wir, dass durch den Ministerratsbeschluss ein nächster Schritt bei der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes genommen wurde. Auf dem Weg von der Begutachtung zum Ministerrat hat dieses Gesetz allerdings zu viele Federn lassen müssen.“ Mit diesen Worten kommentiert Caritas-Präsident Franz Küberl das Gesetz, das heute den Ministerrat passierte.

Positiv sei, dass bei der Definition von Barrierefreiheit nun auf den neuesten Stand der Technik explizit hingewiesen werde. Die explizite Erwähnung der Sinnesbehinderung sei eine Verbesserung. Auch die Belästigung von Menschen mit Behinderung sei erfasst. Unerwünschte, unangebrachte und anstößige Verhaltensweisen gegenüber Menschen mit Behinderung, bei der die Würde des Betroffenen verletzt werde, seien in Zukunft verboten.

Erhebliche Defizite ortet Präsident Küberl bei der Umsetzung der Barrierefreiheit. Während im Begutachtungsentwurf noch eine Klagsmöglichkeit auf Unterlassung und Beseitigung der Barriere vorgesehen war, will der Ministerrat offenbar nur noch die Klage auf Schadenersatz zulassen. Damit verliert dieses Gesetzesvorhaben einen ganz wesentlichen Kern.

„Das ist nicht nachvollziehbar und es kann auch nicht im Interesse der Wirtschaft sein, sich mit Schadenersatzklagen konfrontiert zu sehen, während es darum geht, eine bauliche oder verkehrstechnische Barriere zu beseitigen.“

Das Gesetz stellt auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen und Betriebe ab, hat ein Schlichtungsverfahren dem Klagsweg vorgeschaltet und sieht vor, dass durch zumutbare Maßnahmen ein Weg zur Beseitigung der Barriere gefunden werden soll. Diese Instrumente laufen aber ins Leere, wenn die betroffenen Menschen mit Behinderung nur auf Schadenersatz klagen können. Gerade für Neubauten, Umbauten oder auch Neuanschaffungen bei Verkehrsmitteln fordert Caritas-Präsident Küberl Nachbesserungen, sodass das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz auch wirklich Wirkung zeigt. Gebt dem Huhn die Federn zurück, weil es ansonsten erfriert.

Der Caritas-Präsident sieht auch bei den Übergangsbestimmungen für den Altbestand an Bauten und Verkehrsanlagen und -einrichtungen noch Verhandlungsbedarf. Diese Barrieren sind erst ab 2016 vom Behindertengleichstellungsgesetz erfasst.

Küberl: „Im Klartext ist das ein falsches Signal. Wir brauchen nicht Stillstand bis 2016 sondern einen echten Übergang.“ Daher sollten zumutbare Maßnahmen, abgestellt auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit jedenfalls schon vorher verpflichtend umgesetzt werden müssen, fordert der Caritas-Präsident. Hier brauche es flexible Lösungsmodelle. Oft reiche eine Aluminiumrampe für die Zugänglichkeit zu einem Geschäft oder Lokal, die Erhöhung der Frequenz barrierenfreier Züge bringt Erleichterungen oder auch das Anbringen einer Wegweistafel in Blindenschrift hilft schon weiter.

Ein Schritt in die richtige Richtung sei, dass für den Verkehr und den Baubereich des Bundes Etappenpläne zur barrierefreien Ausgestaltung auszuarbeiten sind. Es finde sich im Gesetz zwar eine Frist für die Fertigstellung des Etappenplans (31. Dezember 2006), aber keine Frist für dessen Umsetzung. Küberl: „Auch hier muss das Parlament noch nachbessern.“

Für „bedenklich“ hält der Caritas-Präsident auch die Änderung, dass die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR) bei einer Diskriminierung nicht als Nebenintervenient an die Seite des Betroffenen dem Verfahren beitreten kann: „Personen mit langjährigen negativen Erfahrungen brauchen eine Institution, die ihnen beim erreichen ihrer Rechte beisteht.“

Küberl begrüßt, dass der Ministerrat beschlossen hat, auch Materiengesetze mit diskriminierenden Bestimmungen zu ändern. Auch die Anerkennung der Gebärdensprache im Bundesverfassungsgesetz sei positiv. Enttäuscht zeigte sich Küberl, dass nicht schon im heutigen Ministerrat die Verfassungsbestimmung zur Anerkennung der Gebärdensprache beschlossen wurde. Die Anerkennung der Gebärdensprache ist für die gesellschaftliche Teilhabechancen gehörloser Menschen unverzichtbar.

Offen ist für Küberl auch noch die Harmonisierung der bundesländerweise unterschiedlichen Bauordnungen. Die Gleichstellung in Vorarlberg könne nicht anders aussehen als im Burgenland, so Küberl. Die Beseitigung von Barrieren sind Investitionen, sind Aufträge an die Wirtschaft. Es sind auch Maßnahmen, die breiten Bevölkerungsschichten zugute kommen, auch alten Menschen oder Eltern, die mit Kinderwägen unterwegs sind.

„Die Integration von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft muss auf allen Ebenen weiter voran getrieben werden“, fordert der Caritas Präsident abschließend.

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