Behindertenrechtskonvention erfordert mehr Engagement der Länder

Österreich ratifizierte 2008 das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen, kurz UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) genannt.

Deckblatt BIZEPS-Broschüre: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2016
BIZEPS

Damit verpflichtet sich die Republik, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und schlussendlich zu gewährleisten.

Der Fortschritt bei der Umsetzung dieses internationalen Vertrages wird periodisch im Rahmen der Staatenprüfung durch den dafür eingerichteten UN-Ausschuss kritisch durchleuchtet. Bei der letzten Überprüfung gab es für Österreich eine Menge Kritik und Anregungen, deren Erledigung bis zur nächsten Kontrolle im Jahr 2018 noch großteils aussteht.

Kritik an fremdbestimmter Entscheidung

Ganz deutlich stellt sich der Ausschuss gegen die im Sachwalterrecht vorgesehene fremdbestimmte Entscheidung und fordert, diese durch unterstützte Entscheidungsfindung für Menschen mit Beeinträchtigungen zu ersetzen. Mit dieser Kritik unterstützte das Überprüfungsorgan der Vereinten Nationen die Bemühungen zur Reform des Sachwalterrechts.

In einer intensiven Vorbereitungsphase, in der Menschen mit Beeinträchtigungen, verschiedene NGOs und InteressenvertreterInnen vorbildhaft einbezogen wurden, konnte das neue Erwachsenenschutzgesetz erarbeitet werden.

Ab Mitte 2018 soll durch das neue Gesetz und die neuen Vertretungsformen ein wesentlicher Schritt zur Einhaltung des Artikels 12 der UN-BRK – Gleiche Anerkennung vor dem Recht – gelungen sein.

Durch mehr Selbstbestimmung und gleiche Rechte verändern sich auch andere Lebensbereiche: die Einkommenssicherung, die Verwaltung der eigenen Finanzen, das Stellen von Anträgen und die Vertretung vor Behörden und Ämtern, aber auch bei Vertragsabschlüssen mit Dienstleistern – um nur einige Beispiele zu nennen.

Wohnen muss selbstbestimmt sein

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, die Entscheidung treffen zu können, wo und mit wem man zusammenleben möchte. Dabei gibt es für alle Menschen natürliche Grenzen auf Grund von faktischen und finanziellen Rahmenbedingungen.

Während im Jahr 2014 insgesamt durchschnittlich 4,6% des Einkommens für Wohnenergie ausgegeben wurden, mussten energiearme Haushalte mehr als das Vierfache – nämlich 22,8% ihres verfügbaren Einkommens – für Heizen, Warmwasser und Strom aufwenden.

Durch Artikel 19 der UN-BRK wird selbstbestimmtes Leben und Inklusion in der Gemeinschaft abgesichert. Die Realität sieht für Menschen mit Beeinträchtigungen oft anders aus: Die fehlende Persönliche Assistenz im Alltag verhindert ein selbstbestimmtes Wohnen in den eigenen vier Wänden.

Bisher gibt es in Österreich, abgesehen von Assistenz am Arbeitsplatz, kein funktionierendes Angebot an Persönlicher Assistenz für Menschen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen. Bestehende, und oft von SozialpolitikerInnen beworbene Angebote, schließen ausdrücklich diesen Personenkreis aus und begrenzen die Leistung auf Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen.

Dies verstößt klar gegen die UN-BRK und verhindert selbstbestimmte Entscheidungen im Wohnbereich. Einen Lichtblick bietet ein Mini-Projekt Persönliche Assistenz für 20 Personen in Salzburg: Hier wird keine Personengruppe von der Leistung ausgeschlossen. Einschränkend muss auf den sehr kleinen Umfang des Projekts – nur rund 20 Personen – hingewiesen werden.

Wartelisten bestätigen Missstand

In Oberösterreich kämpfen engagierte AktivistInnen von der Plattform für bedarfsgerechte Persönliche Assistenz seit Jahren für ein besseres Angebot und entsprechende selbstbestimmte Unterstützung.

Obwohl die UN-BRK natürlich auch die Länder und Gemeinden an ihre Zielsetzungen bindet, bestehen hier dramatische Defizite. In Wien werden aktuell Leistungskürzungen bei der Persönlichen Assistenz diskutiert.

In Oberösterreich belegen elendslange Wartelisten die Säumigkeit der Landespolitik. 300 Menschen mit Beeinträchtigungen warten hier auf das Angebot Persönlicher Assistenz, 1.500 weitere Personen auf mobile Unterstützungsangebote. Und weil das System so defizitär ist, wird von Behörden, von Angehörigen und von der Politik oft an stationäre Einrichtungen gedacht.

Als Folge des bestehenden Defizits an mobilen und selbstbestimmten Angeboten breitet sich der Fürsorgegedanke aus, und die Empfehlung einer stationären Einrichtung oder im besten Fall einer Wohngemeinschaft wird als logische Konsequenz gesehen.

Aber auch hier warten in Oberösterreich unglaublich viele Menschen auf eine entsprechende Wohneinrichtung: Laut Plattform sind es bereits 3.400 Menschen mit Beeinträchtigungen, die auf dieser Warteliste ausharren.

Länder und Gemeinden müssen handeln

Die UN-BRK kann und soll als zentraler Antrieb für die notwendige Verbesserungen in diesem Bereich gesehen werden. Eine radikale Veränderung der Ausrichtung der Länderpolitik ist erforderlich: Weg von der fürsorgeorientierten Sozialpolitik und dem Gewähren von Leistungen, hin zum Ermöglichen von selbstbestimmtem Leben und entsprechenden Angeboten.

Auf Länderebene können bei entsprechender Ausstattung die Landes-Monitoring-Ausschüsse eine wichtige Funktion bei der Überwachung der Umsetzung der UN-BRK übernehmen. Nicht überall funktionieren die eingesetzten, tendenziell unabhängigen Ausschüsse bereits reibungslos oder werden erst – wie in Salzburg – aufgebaut.

Die Verpflichtung für das Schaffen funktionierender Monitoring-Ausschüsse trifft durch die entsprechende Vorgabe der UN-BRK Bund und Länder. In der notwendigen finanziellen Ausstattung mittels eigenen Budgets bleiben alle weiterhin säumig.

Die Umsetzung der Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention muss deutlicher von allen Politik- und Verwaltungsbereichen offensiv angestrebt werden und darf nicht länger bei Budgetdiskussionen permanent negiert werden.

Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Beeinträchtigungen ist möglich, muss möglich sein. Dafür bedarf es kräftiger Anstrengungen der Länder, um im regionalen Bereich entsprechende Voraussetzungen zu schaffen. Sonst bleibt von den mutigen Zielen der UN-BRK nur eine leere Hülle schöner Versprechen übrig!

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