Tomas Caspers - Behinderung ist die mangelnde Fähigkeit, mit schlechtem Design umgehen zu können.

„Behinderung ist die mangelnde Fähigkeit, mit schlechtem Design umgehen zu können.“

Tomas Caspers brachte in seinem Referat "Design barrierefrei" bei der Veranstaltung "Warum barrierefreies Internet?" von "accessible media" am 12. Oktober 2006 in Wien humorvolle Betrachtungen und pointierte Statements.

Was sind die Folgen von schlechtem Design? Caspers nennt technische Barrieren und eine Klage wegen Diskriminierung, wie sie jüngst dem US-Einzelhändler „target“ widerfahren ist.

Auch in Österreich kann seit 1. Jänner 2006 eine Schadenersatzklage wegen einer nicht barrierefreien Internetseiten eingereicht werden.

Web 2.0

In aller Munde ist derzeit das Wort „Web 2.0“. War das Web in seiner Grundkonzeption als Informationsweitergabe gedacht sei nun vom „Lesen-Schreiben-Ausführen Web“ die Rede. Caspers erläutert – etwas weniger sperrig – anhand von Beispielen:

„Web 2.0 ist, …

  • … wenn du dich statt in der Karaoke-Bar bei Youtube gleich weltweit zum Affen machst.
  • … wenn du sogar für deine Lieblings-Dönerbuden eine Google-Map anlegst.“

Doch was muss passieren, „damit Menschen mit Behinderungen von den neuen Möglichkeiten des Netzes profitieren können?“, fragt er das Publikum bei der Veranstaltung von „accessible media“.

Aus dem statischen Medium wird ein dynamisches Echtzeit-Medium. Daraus ergibt sich mehr Kompfort für den Nutzer, wenn er diesen nutzen kann. Aus dem passiven Einbahnstraßen-Medium wird ein Werkzeug, so Caspers weiter.

Mehr an Dynamik

„Typisch für alle genannten Beispiele ist ein Mehr an Dynamik. Dynamik, die in den Richtlinien und Verordnungen zur Barrierefreiheit so nicht vorgesehen war oder sogar ausgeschlossen ist“, umreißt er das Problem. Er zeigt anhand von Beispielen, wie neue Techniken („Progessive Enhancement„) versuchen, das Problem zu lösen.

„Die wirklich spannende Aufgabe ist also, die direkte Zugänglichkeit dieser Applikationen für die Hilfsmittel von Menschen mit Behinderung herzustellen“, hält Caspers fest. Es sei nicht die Frage, „ob“ man neue Technologien des Web 2.0 barrierefrei umsetzen soll, sondern „wie“.

Barrierefreiheit

Der Begriff „Barrierefreiheit“ kommt ursprünglich aus der Behindertenbewegung und da sollte er auch bleiben, erläutert er mit Nachdruck. Barrierefreiheit bezeichnet „bestimmte Qualitäten gestalteter Lebensbereiche, wodurch diese für Menschen mit Behinderung nutzbar sind.“

Auch wenn man Behinderung defizitorientiert oder soziologisch definieren kann, sei dies eigentlich nicht so wichtig, weil „diese Diskussion den durchschnittlichen Webentwickler nicht im Mindesten interessiert“.

Caspers kommt dann aber mit einer – zugegebenermaßen – mehrdeutigen Definition: „Behinderung ist die mangelnde Fähigkeit, mit schlechtem Design umgehen zu können.“ Ein Satz, über den man ruhig länger nachdenken sollte.

Was Barrierefreiheit nicht ist

Viel wurde bei der Veranstaltung schon zum Thema barrierefreies Internet gesagt. Plakativ – aber durchaus erwähnenswert – zeigt Caspers pointiert und mit einem Schuss Humor auf, „was Barrierefreiheit nicht ist“:

  • Ich will das aber so und das habe ich immer so gemacht.“ Barrierefreiheit bedeutet, Vorkehrungen für Fälle zu treffen, in denen der Nutzer bestimmte Eigenschaften nicht ändern kann. Fälle, in denen der Nutzer bestimmte Dinge ändern kann, aber nicht will, stellen keine Barriere dar.
  • Das tut‘s aber nicht in [ungeeignetes Programm einfügen]“ Medienunabhängigkeit ist ein wichtiges Ziel barrierefreier Webangebote. Ob etwas in einem Handy oder in Netscape 4 nicht funktioniert, ist unbedeutend.
  • Handbücher? Lese ich grundsätzlich nicht!“ Er hält zur Verdeutlichung fest: „Auch von den Nutzern kann erwartet werden, dass sie sich zumindest mit den grundlegenden Funktionen und Konventionen des Webs vertraut machen. Wer sich um 20 Uhr vor das Internet setzt und wartet dass die Nachrichten anfangen ist eventuell im für ihn falschen Medium.“
  • Mein Rechner ist noch auf dem Stand von 1999“ Von einem Screenreader oder anderer assistiver Software, die in ähnlichen Zeiträumen nicht mehr aktualisiert wurden, kann man nicht erwarten, dass sie mit den neuen Möglichkeiten des Webs auch nur ansatzweise zurechtkommt.

Testen

Wenn man einerseits die Fülle der neuen Möglichkeiten und andererseits die Herausforderungen seitens der Barrierefreiheit gegenüberstelle werde eines klar: Es sei eine der wesentlichsten Voraussetzungen Angebote umfangreich zu testen, hält Capers abschließend fest.

Über den Vortragenden

Tomas Caspers ist freier Webentwickler und Berater aus Köln.

Hier können Sie den Vortrag „Design barrierefrei“ nachlesen.

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