Beschwerden an die Volksanwaltschaft oftmals auf Personalknappheit zurückzuführen

Volksanwaltschaftsausschuss befasst sich mit bislang höchstem Beschwerdeaufkommen im Jahr 2022

Parlament
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Durch die Pandemie und die Energiekrise seien die Menschen im letzten Jahr auf mehr Unterstützung der Volksanwaltschaft angewiesen gewesen, meinte Volksanwältin Gaby Schwarz im Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats, wo heute der jährliche Tätigkeitsbericht des Kontrollorgans zur Diskussion stand.

Demnach wurden im Jahr 2022 so viele Beschwerden wie nie zuvor an die Volksanwaltschaft herangetragen, beinahe 24.000 an der Zahl. Die meisten davon betrafen die Bereiche Soziales und Gesundheit sowie die Innere Sicherheit, zudem war die Volksanwaltschaft mit Beschwerdewellen in Bezug auf den Klimabonus und den Energiekostenausgleich konfrontiert.

Es sei gelungen, allen Beschwerden nachzukommen und den Kontakt zur Bevölkerung trotz der Pandemie aufrechtzuerhalten, sagte die Volksanwältin zur Ausschussvorsitzenden Martina Diesner-Wais (ÖVP). Spürbar groß sei derzeit das Bedürfnis nach persönlichen Vorsprachen bei Sprechtagen, aber auch durch Telefonate, Videokonferenzen, per E-Mail, Online-Formular und Post würden laut Schwarz Beschwerden eingebracht werden.

Oftmals seien diese auf Personalmängel und Überlastung zurückzuführen, meinte sie ebenso wie die Volksanwälte Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz. Laut Schwarz gelte es insbesondere im Justizbereich entgegenzuwirken und finanzielle Anreize zu schaffen. Dem Amtsärztemangel etwa sei mit einer Lohnerhöhung und einem flexibleren Dienstzeitmodell begegnet worden, was Rosenkranz als Erfolg wertete.

Achitz ging auf die Qualität und den Personalschlüssel im Pflegebereich ein. Dort wo dessen Verteilung gut funktioniere, gebe es bessere Stimmung, weniger Ausfälle und dadurch weniger Belastung.

Nach wie vor coronabedingte Beschwerden

Bereits das dritte Jahr in Folge sah sich die Volksanwaltschaft mit zahlreichen Beschwerden aufgrund von COVID-19-Absonderungen konfrontiert. Probleme hätte es auch beim Corona-Bonus für das Gesundheitspersonal gegeben, etwa aufgrund der uneinheitlichen Auszahlungspraxis in den Bundesländern, wie Volksanwalt Bernhard Achitz berichtete. Die Corona-Einmalzahlungen hätten zu viel Unmut geführt.

Der Bereich Soziales und Gesundheit würde stets ein hohes Beschwerdeaufkommen verzeichnen, was Volksanwalt Achitz gegenüber Rudolf Silvan (SPÖ) einerseits auf die Größe des Ressorts, andererseits auf die Emotionalität des Themenspektrums zurückführte. Da die Behörden Ermessensspielraum hätten, könne die Volksanwaltschaft ihm zufolge in Einzelfällen gut wirksam werden.

Heimopferrente für Betroffene von „Taubstummen-Anstalten“

Von Petra Bayr (SPÖ) und Ulrike Fischer (Grüne) wurde der Anstieg an Anträgen für die Heimopferrente hinterfragt. 2022 gab es rund 500 Anträge und 175 Zuerkennungen, was laut Volksanwalt Achitz wohl auch auf das Ende der Pandemie, aber vor allem auf den neugewonnenen Zugang zur Gehörlosencommunity zurückzuführen sei.

In den anspruchsberechtigen Zeitraum sei es wohl auch in „Taubstummen-Anstalten“ zu systematischer Gewalt gekommen. In diesem Zusammenhang betonte Achitz, dass die Entschädigungszahlungen des Bundes wieder aufgenommen und Lücken im Gesetz für Mindestsicherungsbezieher:innen geschlossen werden sollten.

Lange Verfahrensdauer bei Asyl- und Fremdenrecht

Stetig hoch sei die Anzahl an Beschwerden über die Dauer von Aufenthaltstitel-, Staatsbürgerschafts- und Asylverfahren, wobei Volksanwalt Rosenkranz gegenüber Reinhold Einwallner (SPÖ) und Heike Grebien (Grüne) relativierte, dass bei steigenden Asylanträgen folglich auch die Beschwerdefälle zunehmen.

Seiner Wahrnehmung nach würde auch die Thematisierung in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ zu einem anschließenden Anstieg an vergleichbaren Beschwerden führen, etwa hinsichtlich der Situation im Wiener Magistrat 35. Der neuen Leitung sei die Problematik dort bewusst, sagte Rosenkranz unter Bezugnahme auf den Personalengpass. Durch den Gesetzesbeschluss zur Ermöglichung der Doppelstaatsbürgerschaft für die Nachkommen von NS-Opfer sei es außerdem zu einer hohen Nachfrage gekommen.

Aufenthaltsbedingungen im Straf- und Maßnahmenvollzug

Über den Status Quo im Straf- und Maßnahmenvollzug informierten sich Romana Deckenbacher (ÖVP) und Johannes Margreiter (NEOS). Die Maßnahmenvollzugsreform werde in Bezug auf die Entlassenen-Nachsorge von Seiten der Volksanwaltschaft mit Sorge vernommen, sagte Volksanwältin Schwarz.

Mit dem Justizministerium sei man im regelmäßigen Austausch und erwarte ferner demnächst einen Bericht zum sensiblen Thema Suizid im Justizanstalten. Es gebe einen Bedarf an besonders geschultem Personal. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die präventive Menschenrechtskontrolle untersuchte die Volksanwaltschaft die Lebens- und Aufenthaltsbedingungen von inhaftierten Jugendlichen und leitete daraus Empfehlungen für eine verbesserte Betreuung im Jugendstrafvollzug ab, erläuterte Schwarz.

Zentrales Anliegen seien die für den Kontakt mit dem sozialen Umfeld wichtigen Besuchszeiten, welche aufgrund der oft weiten Wegstrecken ein Handicap zur Resozialisierung der Jugendlichen darstellen würden.

Beschwerdeflut zu ausbleibendem Klimabonus und Energiekostenausgleich

Mehr als 500 Personen beschwerten sich im vergangenen Jahr bei der Volksanwaltschaft, weil sie den Klimabonus samt Teuerungsausgleich nicht erhalten hätten. Im Jahr 2023 kamen bereits 700 Beschwerden dazu, informierte Volksanwalt Rosenkranz FPÖ-Mandatar Christian Lausch.

Ein erneuter Beschwerdeansturm bei der nächsten Auszahlung sei ebenso zu erwarten wie Nachfragen zu unterschiedlichen Betragshöhen, meinte er. Problematisch sei für das auszahlende Klimaministerium, dass keine Kontodaten gespeichert werden dürften.

Die Finanzverwaltung sei noch nie mit derart vielen Beschwerden befasst gewesen, wie im Zusammenhang mit dem Energiekostenausgleich, sagte Volksanwältin Schwarz zu Peter Weidinger (ÖVP). Es komme nach wie vor zu Beschwerden, weil einige Personengruppen nicht anspruchsberechtigt seien. Zu einer Ausweitung mit einer entsprechenden gesetzlichen Änderung sei es trotz Anregung seitens der Volksanwaltschaft aber nicht gekommen.

Schwerpunkte im Bereich präventive Menschenrechtskontrolle

Ein von SPÖ-Mandatarin Petra Bayr angesprochener Prüfschwerpunkt der Volksanwaltschaft im Bereich der präventiven Menschenrechtskontrolle ist die sexuelle Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderungen. Derzeit würden Erhebungen in den Behinderteneinrichtungen laufen und die Ergebnisse im Laufe des Jahres vorgestellt werden, gab Volksanwalt Achitz zu wissen. Das Bewusstsein dafür scheine je nach Einrichtung zu variieren, wie auch die gesetzlichen Grundlagen in den Ländern.

Generell gelte es bei der präventiven Menschenrechtskontrolle darum, auf mögliche Problematiken aufmerksam zu machen – Achitz nannte etwa die viele Nachtdienststunden und knappen Personalressourcen in Pflegeheimen – bevor es zu Vorfällen komme. Werner Herbert (FPÖ) brachte dies unter anderem zur Sprache.

Weitere Themen waren das Führerscheinwesen, das Erwachsenenschutzrecht, die Auslagerung von Visaanträgen, die Familienbeihilfe und Hürden bei den Krankenversicherungen.

Nach der Debatte wurde der Bericht einstimmig zur Kenntnis genommen. Die Volksanwaltschaft beging im Jahr 2022 ihr 45-jähriges Bestehen als Kontrollorgan für Missstände in der öffentlichen Verwaltung. Ihr verfassungsrechtliches Mandat zur präventive Menschenrechtskontrolle hat sie seit 2012 inne.

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