Das 2. Erwachsenenschutzgesetz hat mit 1. Juli 2018 das Sachwalterrecht abgelöst. Doch bei der Umsetzung und den notwendigen Übergängen bleiben vielfach noch Fragen offen.

Vor knapp 10 Jahren bestellte das Bezirksgericht für den heute 42-jährigen Stefan Müller (Name geändert) einen Sachwalter. Mit der Funktion wurde ein guter Bekannter seiner betagten Mutter betraut.
Die Angelegenheiten des Sachwalters waren zu Beginn sehr umfangreich. Vor ein paar Jahren wurden sie von den umfassenden alle Angelegenheiten auf drei Bereiche eingeschränkt: die Einkommensverwaltung, die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten sowie den Abschluss von Rechtsgeschäften, die über das Alltägliche hinausreichen.
Herr Müller arbeitet in einem sozialökonomischen Betrieb. Auch hier wird er in Alltagsfragen, insbesondere bei organisatorischen Anforderungen der eigenen Mietwohnung, unterstützt.
Das neue Erwachsenenschutzgesetz wird sich auch auf das Leben von Stefan Müller auswirken. Nicht in allen Lebensbereichen, es wird aber mehr Selbstbestimmung in der Vertretung nach außen, besonders im Bereich der Entscheidungen über die Finanzen, geben.
Überleitung der Sachwalterschaft
Mit dem Erwachsenenschutzgesetz wurden alle bislang bestehenden Sachwalterschaften in das neue Recht übergeleitet. Es gibt sie also nicht mehr, die Sachwalterschaft in dem bekannten Umfang. Auch die Bezeichnung wurde auf gerichtliche Erwachsenenvertreterin und gerichtlicher Erwachsenenvertreter geändert.
Dabei stehen bei der Reform nicht nur neue Begriffe im Vordergrund, obwohl Worte und Bezeichnungen schon wichtig sind. Besonders, wenn diese mit Abwertung oder Kränkung verbunden sind, wie Kritikerinnen und Kritiker am alten Sachwalterrecht bemängelten.
Wichtig ist, dass nun für alle bisherigen Sachwalterschaften das neue Erwachsenenschutzgesetz grundsätzlich Anwendung findet.
Übergangsbestimmungen setzen Grenzen
Nur wenige Übergangsbestimmung verzögern im Einzelfall die Wirksamkeit: Während zukünftig eine gerichtliche Erwachsenenvertretung immer nach längstens 3 Jahren endet und nur in einem neuen Verfahren wieder befristet erneuert werden kann, gibt es für die übergeleiteten Vertretungsverhältnisse eine längere Frist bis Ende 2023.
Eine weitere Übergangsbestimmung regelt die nun nicht mehr eingeschränkte rechtliche Handlungsfähigkeit. Für übergeleitete gerichtliche Erwachsenenvertretungen wird ein gesetzlicher Genehmigungsvorbehalt bis Ende Juni 2019 festgelegt, der nicht modifiziert werden kann.
Dies bedeutet für Stefan Müller, dass er noch ein Jahr bei Entscheidungen im Wirkungsbereich seines Vertreters dessen Zustimmung benötigt. Das sollte aber nicht bedeuten, dass sich für ihn keine Änderung einstellt und die alte Beschränkung der Geschäftsfähigkeit fortgesetzt wird.
Die Übergangsbestimmungen sind als Zugeständnis an alle beteiligten Menschen einzustufen, damit ein reibungsloses Umsetzen der großen Reform gelingt. Dabei ist es wichtig, dass durch den plötzlichen Wegfall von Schutz- und Kontrollbestimmungen – die zum Teil als bevormundend oder einschränkend erlebt werden – die schutzberechtigten Menschen keinen Nachteil erfahren. Daher die stufenweise Umsetzung.
In Zukunft wird es nur in wenigen Einzelfällen, bei ganz bestimmt bezeichneten Rechtsgeschäften, einen gerichtlich angeordneten Genehmigungsvorbehalt geben können, der aber eine ernstliche und erhebliche Gefährdung voraussetzt. Die Schwelle für eine Einschränkung wird deutlich angehoben.
In der Übergangsphase stehen dem gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt jene neuen Bestimmungen des Erwachsenenschutzgesetzes gegenüber, die von der Erwachsenenvertreterin / dem Erwachsenenvertreter eine aktive Unterstützung der in der Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigten Person fordern.
Damit ist sichergestellt, dass die Einschränkung des Sachwalterrechts durch diese Übergangsbestimmung nicht einfach verlängert wird. Vielmehr gilt es, den sanften und erfolgreichen Übergang zu Selbstbestimmung – auch durch verschiedene Unterstützungsmaßnahmen der Länder und Gemeinden – zu fördern.
Selbstbestimmung und Alltagsgeschäfte
Der gerichtliche Erwachsenenvertreter von Herrn Müller ist unverändert für einen umfangreichen Wirkungsbereich zuständig, der im Widerspruch mit den neuen Bestimmungen steht. Denn seit Juli dürfen die Arten der Angelegenheiten nur konkret und gegenwärtig zu besorgende Rechtsgeschäfte umfassen.
Spätestens bei der Überprüfung Ende 2023 wird das Gericht den Wirkungsbereich konkretisieren, vorausgesetzt, es ist weiterhin die gerichtliche Erwachsenenvertretung unvermeidlich. Natürlich kann diese notwendige Konkretisierung bereits vorher erfolgen.
Der jährliche Lebenssituationsbericht, in dem die Erwachsenenvertreterin / der Erwachsenenvertreter über die notwendigen Vertretungshandlungen berichtet und einen Ausblick auf die Notwendigkeit im kommenden Jahr gibt, könnte für das Gericht einen Anlass bieten, dem Gesetz folgend eine präzise Beschreibung der Angelegenheit zu beschließen.
Ein ganz wichtiges und unterstützendes Element für die Selbstbestimmung trotz Vertretung sind die Bestimmungen der sogenannten Vermögenssorge im Erwachsenenschutzgesetz. Einkommen und Vermögen hat der Befriedigung angemessener Bedürfnisse zu dienen, die von der vertretenen Person bis zur Gefährdungsgrenze bestimmt werden können.
Für Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens hat die Erwachsenenvertreterin / der Erwachsenenvertreter die notwendigen Barmittel zu überlassen oder ein entsprechendes Konto einzurichten.
Reform mit Leben erfüllen
Das Erwachsenenschutzgesetz ist in Kraft und Übergangsbestimmungen sollen helfen, diese große Reform erfolgreich umzusetzen sowie Übergänge zu erleichtern. Die mit dem Erwachsenenschutzgesetz vollzogene grundlegende Haltungsänderung erfordert aktive Unterstützung trotz Vertretung.
Schon jetzt und nicht nur von den Erwachsenenvertreterinnen und -vertretern, sondern besonders durch Länder, Gemeinden, Banken, Behörden und dem Lebensumfeld. Dieser Herausforderung muss sich unsere Gesellschaft stellen.