„Bettler aus Blickfeld zu entfernen, löst soziale Probleme nicht“

Grazer Bischofsvikar Schnuderl, Caritas-Chef Küberl und "Vinzi"-Pfarrer Pucher äußern sich kritisch zu steirischer "Bettlerdebatte"

Bettler
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Vertreter der katholischen Kirche in der Steiermark haben sich jetzt in der Grazer „Bettlerdebatte“ kritisch zu Wort gemeldet: Bischofsvikar Heinrich Schnuderl und Caritasdirektor Franz Küberl betonten, die bestehende Gesetzeslage reiche aus, „um Ausbeutung zu verhindern und gegen organisierte Bettelei vorzugehen“.

Vorausgegangen waren Bestrebungen, die Bettelei-Bestimmungen in der Steiermark weiter zu verschärfen. Nach einem Vorstoß des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl befassten sich die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP mit einer diesbezüglichen Änderung des Landessicherheitsgesetzes. Schon jetzt allerdings sind organisierte Bettelei und Ausbeutung etwa von Kindern verboten. Der Polizei konnte bisher keine Nachweise über organisiertes Betteln in der steirischen Landeshauptstadt erbringen.

In der aktuellen Bettlerdebatte gehe es „vordergründig darum, vor allem bettelnde Menschen mit Beeinträchtigungen so rasch wie möglich aus dem Gesichtsfeld der Grazerinnen und Grazer zu bringen“, heißt es in einer Aussendung der Diözese Graz-Seckau. Bischofsvikar Schnuderl – als Grazer Stadtpfarrpropst von den in der Grazer Innenstadt bettelnden Menschen mit zum Teil „furchtbaren körperlichen Behinderungen“ unmittelbar betroffen – äußerte Verständnis dafür, dass manche Leute diesen Anblick „als Provokation empfinden“.
Aber: „Als Christ muss ich mir vor Augen halten, dass Gott selbst uns gerade in den schwächsten Gliedern der Gesellschaft ansieht“. Er warnte vor „einfachen Rezepten“ im Umgang mit der Problematik: „Wenn diese Menschen aus dem Gesichtsfeld entfernt werden, ist das soziale Problem dahinter ja nicht gelöst“.

Die steirische Caritas ist mit den Lebensumständen der Roma in ostmitteleuropäischen Ländern wie der Slowakei, Bulgarien oder Rumänien durch Hilfsprojekte bestens vertraut, wies Caritasdirektor Küberl hin. Er betonte die Notwendigkeit nachhaltiger Hilfe: „Eine echte soziale Integration der Roma ist eine Frage von Generationen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass bei gutem Willen der Betroffenen, aber auch der politisch Verantwortlichen, sehr viel gelingen kann“. Vor allem Bildung sieht Küberl als „Schlüssel für eine bessere Zukunft.“

Gerade Roma mit körperlichen Beeinträchtigungen würden als Angehörige einer ethnischen Minderheit und als Behinderte oft doppelt diskriminiert, so Küberl. Die Gesetzeslage weiter zu verschärfen hält er wie Bischofsvikar Schnuderl nicht für zielführend: „Kein Gesetz und auch kein Sozialstaat können die persönliche Verantwortung ersetzen, ob mir die Würde auch solcher Menschen tatsächlich am Herzen liegt.“

Auch „Vinzi“-Pfarrer Pucher übt Kritik

Scharfe Kritik an der harten politischen Linie sowohl von ÖVP als auch SPÖ übte der Grazer „Vinzi“-Pfarrer Wolfgang Pucher im Gespräch mit „Kathpress“. Dem Bürgermeister der deklarierten Menschenrechtsstadt Graz, Siegfried Nagl, warf er vor, mit der Aufforderung, Bettlern „keinen Cent“ zu geben, von seinen christdemokratischen Wurzeln weit abzurücken. Nagl unterstelle, es schade, wenn man bedürftigen Menschen etwas gibt.

Pucher bestätigte, dass in jüngster Zeit zu den aus der Ostslowakei stammenden Roma auch neue Gruppen aus Bulgarien nach Graz gekommen seien. Wenn diese Fahrgemeinschaften bildeten, um „in einem der immer noch reichsten Länder der Welt“ um Spenden zu bitten, könne aber nicht von organisierter Bettelei gesprochen werden. Es könne nicht nachgewiesen werden und stimme auch nicht, dass die Erträge an „Bettelei-Unternehmer“ abgeliefert werden müssen, wie dies Landeshauptmann Franz Voves behauptet habe.

Manchmal zögen auch Passanten falsche Schlüsse, so Pucher weiter: Es gebe in Graz eine wegen ihres Leidens als „Zitterfrau“ benannte Bettlerin, von der sich niemand vorstellen könne, dass sie ohne fremde Hilfe an ihren „Stammplatz“ in der Grazer City gelange. Doch die Frau wohne seit Jahren in einem Grazer Caritas-Heim und schaffe es mit ihrem Rollstuhl tatsächlich alleine, ihren Bettelplatz aufzusuchen.

Speziell Roma seien immer wieder mit Vorurteilen und Diskriminierungen konfrontiert, weiß Pucher. Er wandte sich scharf gegen eine Politik, die Stimmung gegen offenkundig bedürftige Menschen mache. Gerade die Kirche dürfe da „nicht wegschauen“, so der Grazer Pfarrer.

Auch Behinderte vor „Missbrauch“ schützen?

Laut Medienberichten ist eine Verschärfung der Bettelei-Bestimmungen in der Steiermark durch die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP in Vorbereitung. Landeshauptmann Voves sagte der ÖVP zu, die SPÖ sei bereit, eine Verschärfung in Richtung eines Verbots der organisierten Bettelei mitzutragen. Das Gesetz müsse sich jedoch gegen die Hintermänner richten und dürfe nicht gegen die Bettler selbst gerichtet sein.

Vor allem das verstärkte Auftreten von behinderten Bettlern in Graz hatte Bürgermeister Nagl dazu bewogen, eine Änderung des Landesgesetzes zu fordern. Zum einen soll – wie in Wien – das „organisierte Betteln“ verboten werden, zum anderen sollen die Kriterien präzisiert und erweitert werden: Das schon verbotene „aufdringliche Betteln“ soll enger gefasst werden und der Passus der Schutzbedürftigkeit, der sich derzeit auf Kinder beschränkt, auf Kranke und Behinderte erweitert werden. Verhindert werden soll jedenfalls, so verlautete aus dem Büro Nagls, dass Personen missbraucht würden, deren Behinderungen nicht behandelt oder sogar bewusst herbeigeführt worden seien.

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