Ausgangspunkt des parlamentarischen Disputs war indes der zweite Schwerpunkt der Sammelnovelle: die Streichung des Worts "schwerstbehindert" aus dem Schulrecht.
Bei Sonderschulen soll damit künftig die ergänzende Wendung „für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf“ aufscheinen. Die Integrative Schule sei am besten Weg, wiesen MandatarInnen der SPÖ Vorhaltungen der Opposition zurück, die Regierung beschäftige sich zu sehr mit dem formalen Erscheinungsbild der Schulen, anstatt sie wirklich zu reformieren. Die Umbenennung bilde nur eine aussagekräftige Basis dafür.
Von der ÖVP gab es ebenfalls Beifall für die semantische Anti-Diskriminierungsinitiative in Schulgesetzen, da besonders Eltern betroffener SchülerInnen den alten Ausdruck als stark diskriminierend empfunden hätten, wie eine Abgeordnete der Volkspartei vorbrachte. Die Grünen versuchten dennoch, mit einem eigenen Antrag die Abschaffung der Sonderschulen im Sinne eines „Inklusiven Schulsystems“ zu erwirken, blieben mit ihrem Vorstoß aber in der Minderheit.
Trotz der lebhaften Diskussion erhielt der Gesetzesvorschlag schließlich breite Zustimmung im Nationalrat; einzig das Team Stronach lehnte ihn ab. Ein Antrag dieser Oppositionspartei gegen Gendern in Schulbüchern blieb ebenso in der Minderheit.
Heinisch-Hosek will Integration an Schulen sorgsam weiterentwickeln
Die Umbenennung der Sonderschulen sei nur ein „erster Schritt“ für mehr Inklusion an Schulen, weitere würden folgen, versicherte Bildungsministerin Heinisch-Hosek dem Plenum. Zum „sukzessiven Abbau von Sondereinrichtungen“ für SchülerInnen mit Behinderung starte man ab Herbst in den drei Bundesländern Steiermark, Tirol und Kärnten Modellregionen für die Inklusive Schule.
Heinisch-Hosek: „Alle Kinder sollen sich mit ihren Eigenarten in einem Schulsystem wiederfinden, in dem sie sich wohlfühlen“. Essentiell dafür sei, bei der Inklusion allen Arten von Beeinträchtigungen ausreichend Augenmerk zu schenken.
Abgeordneten nehmen Schulreformen unter die Lupe
Wie von Rosenkranz angedeutet, begrüßten im Plenum weitgehend alle Fraktionen die schulrechtliche Verankerung der Wendung „mit erhöhtem Förderbedarf“ anstatt „schwerstberhindert“ als erste Anti-Diskriminierungsinitiative, wenn sie auch nur einen ersten Schritt darstellen könne, wie die Ministerin vielfach bestätigt wurde. Sie freue sich zwar über die auf den Weg gebrachte Beschreibungsänderung für Sonderschulen, meinte etwa Gusenbauer-Jäger (S).
Bildungspolitisches Ziel sei jedoch, möglichst viele SchülerInnen mit Behinderung am „normalen“ Unterricht teilnehmen zu lassen, wiewohl auf Kinder mit besonders hohem Förderbedarf gerade hinsichtlich Ressourcenausstattung Bedacht genommen werden müsse. Sie würdigte zudem die novellierte Regelung, wonach für Kinder, die eine allgemeine Schule integrativ besuchen, ein Jahres- und Abschlusszeugnis am Ende der 8. Schulstufe vorgesehen ist, und die mit der Novelle erfolgte Aktualisierung der Namen von Fremdenverkehrsschulen in die Bezeichnung „Tourismusschulen“.
Das Schulwesen brauche im Sinne der Inklusion eine völlige Strukturänderung um der UN-Behindertenrechtskonvention tatsächlich zu entsprechen – die Umbenennung von Sonderschulen sei nur als „Mini-Schritt“ im Reformprozess zu sehen, hielt Helene Jarmer (G) demgegenüber fest. In einem gemeinsam mit Grünen-Bildungssprecher Harald Walser verfassten Antrag präzisierte sie, welche Maßnahmen für ein echtes Inklusives Schulsystem ihrem Dafürhalten nach nötig sind:
Maßgeblich sei vor allem eine adäquate Infrastruktur der Schulen, daher müssten die bestehenden Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik zur Beratung aller SchulpartnerInnen und zur Ressourcenverwaltung für die Schulstandorte ausgebaut werden. Außerdem solle die Sonderschule als „Sonderanstalt für SchülerInnen mit Behinderung“ im Rahmen dieser Strukturreform abgeschafft werden. Bis 2020, wenn die nächste Prüfung zur Umsetzung der UN-Bestimmungen über Rechte von Menschen mit Behinderung anstehe, benötige Österreich ein Umfeld, in dem „gemeinsames Leben, gemeinsames Lernen, gemeinsames Lehren“ Realität sind, plädierte die Grünen-Behindertensprecherin, die trotz der aktuellen Novelle weiterhin „Segregation“ an Schulen ortet.