Mag. Herbert Haupt, der Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen, zog heute bei einer Pressekonferenz in Wien seine Bilanz "365 Tage Behindertenanwaltschaft".
Mehr als 970 Anfragen ergingen an Mag. Herbert Haupt, den Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen, im heurigen Jahr. Die Beratung und Unterstützung wurde u.a. im Rahmen der Sprechtage bei den Landesstellen der Bundessozialämter durchgeführt.
Auch wenn es „oftmals Kritik“ an seinem Ansatz allgemeine Behindertenberatung durchzuführen gegeben habe, so werde er daran festhalten, weil man sich „nicht nur die interessanten Stellen des Gesetzes herauspicken kann“, so Haupt.
Der jährliche Tätigkeitsbericht der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen werde erstmals am 1. Juni 2007 vorliegen. Dieser werde auch Anregungen zur Verbesserung verstärkt beinhaltet, kündigt er an.
Behinderteneinstellungsgesetz
Zu Diskriminierungen in der Arbeitswelt komme es insbesondere bei der Arbeitsvermittlung und es würden sich auch verstärkt Menschen mit weniger als 50 % Behinderung melden, erläutert Haupt.
Der Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung fordert SPÖ und ÖVP auf, im Rahmen der laufenden Koalitionsverhandlungen „unbedingt auch die Behindertenmilliarde fortzuführen“. Hier sei es auffällig ruhig, aber er gehe davon aus, dass diese wichtige Maßnahme fortgesetzt werde.
Behindertengleichstellungsgesetz
In einem bunten Reigen erwähnt er im Rahmen seines Jahresrückblicks Beispiele von Diskriminierungen und Verbesserungsvorschläge.
Von der neuen ORF-Führung erhofft er mehr Aktivitäten bei der Untertitelung als unter der bisherigen Generaldirektorin Lindner. Es gehe nicht an Betroffene „auf den St. Nimmerleinstag zu verweisen“.
Scharf kritisiert er bauliche Barrieren. „Die zwei jüngst eröffneten Finanzämter in Weiz und in Wien/Donaustadt waren wieder nicht barrierefrei“. Sie müssen nachträglich angepasst werden, berichtet er. Die Zusammenarbeit „zwischen Leistungsanbietern und Behindertenorganisationen“ ist auszubauen. „Die Anfänge sind zart aber viel versprechend“, meint Haupt.
Sehr verärgert berichtet er über einen Schulneubau in Tirol, der bewusst nicht barrierefrei errichtet worden sei. Da aber die Länder nicht durch das Behindertengleichstellungsgesetz gebunden sind, „könne man nur betteln“. In diesem Fall leider erfolglos.
Er hoffe auf eine Bundesstaatsreform, die hier Klarheiten und Verbindlichkeiten bringe. Derzeit seien Niederösterreich und Salzburg „die Bremser“ unter den Bundesländern, wenn es um eine länderübergreifende Verpflichtung zu barrierefreiem Bauen gehe, berichtet der Gleichbehandlungsanwalt im Rahmen der Pressekonferenz.
Haupt hat die Bundesministerien gebeten, ihm ihre Etappenpläne zu übersenden, damit er diese an Interessierte weiterleiten könne. „Mehr Geld für Chancengleichheit“ fordert Haupt von der Bundesregierung und verweist auf das am 1. Jänner 2007 beginnende EU-Jahr der Chancengleichheit.
Beispiel: Finanzämter
Ich glaube daher, dass in diesem Bereich es auch endlich an der Zeit wäre, dass Generalsanierungen im Bundesbereich ausschließlich barrierefrei durchgeführt werden. Für mich ist es nach wie vor unverständlich, dass die jüngsten zwei eröffneten Finanzämter nach Generalsanierung wieder nicht barrierefrei sind.
Beispiel: Schule in Tirol
Ich darf Ihnen einen Fall aus dem Tiroler Unterland schildern. Am Arlberg, sicher keine Finanzschwache Region, geht man daran ein Hauptschule neu zu bauen. Man hat pro Jahr zwischen 12 und 15 Skihaxn und Skihände, und einige Kinder mit Behinderungen, die Barrierefreiheit durchaus im Unterricht brauchen würden.
Die zuständigen Bürgermeister waren nicht bereit, trotz Intervention der Behindertenorganisationen, trotz Intervention des Bundessozialamtes, trotz meiner Intervention und meiner Intervention auch beim Land Tirol, hier umzudenken und den Neubau der Schule barrierefrei zu gestalten.
Forderungen
Auch wenn es noch keinen Tätigkeitsbericht über das Jahr 2006 der Anwaltschaft gebe, folgende Forderungen stellte Haupt schon zum Jahresabschluss:
- Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch im Behindertengleichstellungsgesetz
- Senkung des Kostenrisikos in gerichtlichen Verfahren
- Einbeziehung des gesamten Bildungsbereiches
- Rechtsanspruch auf integrative Ausbildung
- Kein Ausschluss von bestimmten Berufsgruppen
- Einführung eines Pflichtfaches „Barrierefreies Bauen“
- Wohnbauförderung nur für barrierefreies Bauen
Weiters fordert er die Vergabe von Kassenverträgen nur bei barrierefreien Arztpraxen. „Die Burgenländische macht dies seit 1998“, berichtet er und nennt auch das positive Beispiel von Wien, wo die Ärztekammer mit BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben zusammenarbeitet. „Doch hier sei noch viel zu tun, da in Wien sehr wenige Arztpraxen barrierefrei sind“, so Haupt.
Auch setzt er sich für die Erfüllung von Qualitätskriterien bei ärztlichen Sachverständigen ein, weil es hier immer wieder zu Problemen komme.
Klagen
Auf BIZEPS-INFO Nachfrage gibt er bekannt, dass ihm noch keine Gerichtsentscheide im Rahmen des Behindertengleichstellungspaketes bekannt sind. „Nach unserem Informationsstand sind derzeit fünf Verfahren gerichtsanhängig“, so Haupt gegenüber BIZEPS-INFO. Diese Verfahren seien aus dem Arbeitsbereich und werden von der Arbeiterkammer unterstützt. Doch dort gebe es – im Gegensatz zum Behindertengleichstellungsgesetz – auch schon länger rechtliche Bestimmungen, gibt Haupt zu bedenken.
Einige weitere Fälle sind derzeit noch im Stadium des Schlichtungsverfahrens, bei denen bei erfolgloser Schlichtung mit Vorbehalt eine Klage bei Gericht eingebracht werden kann.
Schlichtungen
Im Rahmen des Behindertengleichstellungspaketes wurden 119 Schlichtungen beim Bundessozialamt eingeleitet (Stand 14. Dezember 2006). 38 davon im Rahmen des Behindertengleichstellungsgesetzes, 81 im Rahmen des Behinderteneinstellungsgesetzes. Bisher wurde nur in zwei Verfahren Mediation in Anspruch genommen, bedauert Haupt.
„Von 119 Schlichtungen sind bereits 85 Schlichtungen beendet. Die meisten Schlichtungen erfolgen in Wien (66 Schlichtungsverfahren). In Salzburg und Vorarlberg fand bis dato noch kein Schlichtungsverfahren statt“, gibt der Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen auf BIZEPS-INFO Nachfrage bekannt.
Ausblick
Die Anwaltschaft plant zwei Gerichtsverfahren (eines im Arbeitsbereich und eines im Freizeitbereich). Doch in diesen Verfahren sind die Schlichtungen nicht abgeschlossen bzw. die Klagsvorbereitungen noch nicht vollendet.
„Ich bin jetzt auch für die Vergabe von Studien zuständig und werde als Erstes erheben lassen, welche volkswirtschaftlichen Kosten durch diese dauernde Frustration entstehen“, kündigte Haupt vor einem Jahr an. Die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen konnte beim Sozialministerium erreichen, dass nicht verwendete Mittel für Studien für Klagen umgewidmet werden konnten.
Sehr froh ist Haupt darüber, dass mit dem neuen Sachwalterrecht ab 1. Jänner 2007 deutliche Verbesserungen kommen werden. Er hofft auf „zufrieden stellende Lösungen im Pflegebereich“ und Budgetmittel zur Senkung des Kostenrisikos in gerichtlichen Verfahren.
Grundsätzlich zieht er eine „positive Bilanz“ zu den neuen rechtlichen Bestimmungen und ortet eine „Aufbruchstimmung“, so Haupt, der aber gleich wieder einschränkt: „Manches läuft aber sehr bürokratisch ab und das ist negativ.“