Bioethikkommission ist aufgerufen bessere Vorschläge vorzulegen

Huainigg: Urteil von nicht behinderten Experten spiegelt nicht die Lebensrealität behinderter Menschen und deren Meinung wider!

Franz-Joseph Huainigg
ÖAAB

Als „kein Meilenstein, sondern ein unethischer Hüftschuss“, bezeichnet der Abg.z.NR Dr. Franz-Joseph Huainigg die heute bekannt gewordene Entscheidung der Bioethikkommission. Die Bioethikkommission im Bundeskanzleramt hat laut Presseaussendung einstimmig das Schadensersatzrecht-Änderungsgesetz 2011 von Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner abgelehnt.

„Diese Entscheidung hinterlässt bei mir großes Unbehagen“, meint der ÖVP-Sprecher für behinderte Menschen und führt aus: „Wo bleibt die Auseinandersetzung mit den Widersprüchlichkeiten der OGH-Urteile? Wird behindertes und unbehindertes Leben weiterhin unterschiedlich bewertet bleiben? Stellen OGH-Richter weiterhin in Frage, dass behinderte Menschen weniger glücklich sind als nicht behinderte Menschen? – Es wurden weder behinderte Menschen noch Eltern behinderter Kinder von der Ethikkommission angehört. Bei der Entscheidung ausgeblendet wurde die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, welche die derzeitige Rechtslage und Praxis darstellt. Ein einstimmiger Beschluss konnte offenbar nur gefunden werden, da der einzige Behindertenvertreter der Kommission an der Sitzung nicht teilgenommen hat.“

Huainigg erklärt seine Vorbehalte gegen den Kommissionsentscheid wie folgt: „Die Kommission gibt an, dass die ‚der Debatte zugrunde liegenden divergierenden Urteile des OGH unmissverständlich klarmachen, dass die Existenz eines Kindes nicht als Schaden zu qualifizieren ist. Allerdings kann der aus der Unterhaltspflicht der Eltern erwachsende Vermögensnachteil als Schaden einzustufen sein‘. Diese Einschätzung kann ich nicht nachvollziehen, da beispielsweise beim OGH-Urteil des Kärntner Falles die gesamten Unterhaltskosten für das behinderte Kind den klagenden Eltern zugesprochen worden sind. Das heißt de facto, dass das gesamte Leben des unerwünscht geborenen behinderten Buben – einschließlich Kleidung, Erziehung, Nahrung, etc. – zum Schadensfall erklärt worden sind. Dieses Urteil stellt die gesamte Existenz eines behinderten Lebens in Frage. Eine Anerkennung des ‚behinderungsbedingten Mehraufwandes‘ wurde im OGH Entscheid mit der Begründung abgelehnt, dass dies im Widerspruch zum Schadenersatzrecht steht. Gibt es hier wirklich keinen Handlungsbedarf?, fragt sich Huainigg.

Die Kommission führt in ihrer Presseaussendung weiters aus, dass die Entscheidung auf einer „punktuellen Entlassung von Fachärzten aus der Arzthaftung“ beruht. Das wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und daher gleichheitswidrig. Überdies würde diese Haftungsfreistellung die ärztlichen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten im Bereich der Pränataldiagnostik zu ‚Pflichten zweiter Klasse‘ degradieren. Das ließe einen grundlegenden Vertrauensverlust in der Arzt-Patienten-Beziehung befürchten.“

Auch diese Argumentation kann Huainigg nicht nachvollziehen: „Der Arzt muss nach der neuen Gesetzesregelung weiterhin für Schäden, die er verursacht hat, haften. Allerdings wird zwischen einer schicksalhaften Behinderung und ärztlichen Kunstfehlern in der Haftungsfrage unterschieden. Die Sorgfaltspflicht ist jedenfalls weiterhin gewährleistet, da der Arzt haftet, wenn eine therapierbare Behinderung nicht diagnostiziert wurde. Somit werden Ärzte weiterhin um Sorgfalt bemüht sein – auch wenn es um die vorgeburtliche Diagnose von Behinderungen geht. Für Behinderungen, die der Arzt nicht verursacht hat, kann er nicht bis zur gesamten Summe der Lebensexistenz des geborenen Kindes haften. Dies führt in der pränatalen Praxis zu unerträglichen Auswirkungen: Werdende Eltern werden unter Druck gesetzt, schon bei dem geringsten Verdacht auf eine Behinderung abzutreiben bzw. müssen sie seitenweise Dokumente ausfüllen, dass sie jegliches Risiko übernehmen. Den befürchteten Vertrauensverlust im Arzt-Patienten-Verhältnis gibt es schon längst. Hier den Status Quo zu erhalten, ist keine Lösung“, sagt Huainigg.

„Ich fordere daher die Mitglieder der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt auf, im Rahmen der Gesetzesbegutachtung andere Verbesserungsvorschläge einzubringen“, meint Huainigg und erklärt abschließend: „Aus verfassungsrechtlichen (Artikel 7 des BVG), ethischen und rechtspolitischen Gründen ist die jetzige Situation für behinderte Menschen und werdende Eltern unerträglich! Führen wir eine versachlichte Diskussion!“

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