Bioethikkommission: Stellungnahme zu „Sterben in Würde“

Empfehlungen zu ethischen Fragen wie Palliativmedizin, unverhältnismäßigen medizinischen Interventionen und assistiertem Suizid

Dr. Christiane Druml
BIZEPS

„Wir haben in den letzten Monaten eine sehr intensive Diskussion geführt, die sich unter Einbeziehung von Experten den wichtigsten Fragen, die die Würde am Ende des Lebens betreffen, stellt. In dieser Woche haben wir eine gemeinsame Stellungnahme beschlossen“, sagte Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission bei der Pressekonferenz anlässlich der Verabschiedung ihrer Stellungnahme zu „Sterben in Würde: Empfehlungen zur Begleitung und Betreuung von Menschen am Lebensende und damit verbundenen Fragestellungen“ im Bundeskanzleramt, die sie gemeinsam mit dem Leiter der Arbeitsgruppe, dem Intensivmediziner Andreas Valentin, dem Strafrechtsexperten Alois Birklbauer sowie dem Mediziner und Moraltheologen Walter Schaupp abhielt.
Diese Stellungnahme ist weitgehend übereinstimmend beschlossen worden, keine Übereinstimmung konnten wir bei dem Punkt ‚assistierter Suizid‘ erreichen, beide Voten sind in der Stellungnahme nachlesbar.“

Die Kommission fordere jedenfalls einheitlich und dringend eine Stärkung der Palliativ- und Hospizversorgung sowie deren bundesweiten und flächendeckenden Ausbau. „Die Versorgung darf nicht vom Wohnort oder den finanziellen Möglichkeiten der Betroffenen abhängig sein“, unterstrich Druml. Weiteres sehe sie die Priorisierung von universitärer und außeruniversitärer Lehre und Forschung in „Palliative Care“ als unabdingbar an.

Einhellig werde eine weitere Senkung der finanziellen und formalen Hürden für die Errichtung von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht und eine Stärkung des Verantwortungsbewusstseins der Bevölkerung für die Vorsorge im Sinne eines „Advance Care Planning“, also einer individuellen gesundheitlichen Vorausplanung gefordert.

„Als ganz besonders wichtig sieht die Kommission ihre Empfehlungen zur Vermeidung von unverhältnismäßigen medizinischen Interventionen an“, so Valentin. Mit der Forderung nach einer größeren Rechtssicherheit in diesem Bereich solle sichergestellt werden, dass medizinische Interventionen ohne Nutzen oder mit einer höheren Belastung als dem eventuellen Nutzen für Patienten am Lebensende vermieden werden.

Zur Thematik des assistierten Suizids komme die Bioethikkommission mehrheitlich zur Meinung, dass die Weite der österreichischen Regelung zur „Mitwirkung am Selbstmord“ (§ 78 StGB), die als gleichwertige Begehungsformen das Verleiten zum Suizid sowie die Hilfeleistung beim Suizid durch Tun und Unterlassen für strafbar erklärt, überdacht werden sollte: „Dadurch soll vermieden werden, dass Angehörige, nahestehende Personen und Ärzte kriminalisiert werden, die aus Loyalität oder Mitleid gegenüber der suizidwilligen Person – trotz aller Gewissenskonflikte – eine Unterstützung leisten“, so der Jurist Birklbauer.

Unter Beihilfe werde auch verstanden, wenn Angehörige ihren sterbewilligen Verwandten in die Schweiz zu Dignitas begleiten, oder wenn ein Arzt einen sterbewilligen Patienten anhört, ohne ihn gegebenenfalls gleich in eine Psychiatrische Anstalt einzuweisen, erläuterte der Strafrechtler. Durch entsprechend strenge Ausnahmeregelungen solle aber jedenfalls ein Dammbruch vermieden werden.

„16 von 25 Mitgliedern der Kommission empfehlen daher eine Reform des § 78 StGB. Diese soll einerseits dem Schutz vor Fremdbestimmung vulnerabler Personen Rechnung tragen, andererseits eine individuelle Hilfe in Ausnahmefällen zulassen“, so Vorsitzende Druml. „Vorrangig soll jedenfalls immer das Prinzip der Suizidprävention für schwer kranke Menschen betont werden. Nicht zuletzt unter diesem Aspekt kommt der Palliativmedizin eine entscheidende Bedeutung zu.“

Acht Mitglieder der Kommission sehen bei Angehörigen oder betreuenden Ärzten der suizidwilligen Person ebenfalls die Möglichkeit, dass es durch den Suizidwunsch zu gravierenden Gewissenskonflikten kommen kann und empfehlen, dass eine solche Gewissensnot in der ethischen und rechtlichen Urteilsbildung in Fällen von Suizidbeihilfe bei Angehörigen und bei Ärzten zu berücksichtigen sei.

Diese Mitglieder sehen allerdings keine Notwendigkeit zur Änderung des Strafgesetzbuches, sondern empfehlen, dass seitens des Justizministeriums bindende Richtlinien für die Strafverfolgungsbehörden entwickelt werden, in denen eine ethisch fundierte Prüfung konkreter Vorwürfe von Suizidbeihilfe vorgegeben wird. „Wir wollen auf keinen Fall signalisieren, dass assistierter Suizid zum Normalfall der Sterbebegleitung werden kann“, betonte der Mediziner und Theologe Schaupp.

Die Kommission empfiehlt ebenso mit überwiegender Mehrheit – dazu gibt es nur ein Sondervotum – die Beibehaltung der Strafbarkeit hinsichtlich des Tatbestands der Tötung auf Verlangen.

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