Natürlich sind blinde Frauen, genau wie sehende, sehr unterschiedlich und nicht jede wird Barbie mögen. Ein Kommentar.
„Vor 65 Jahren ist die Barbie-Puppe in die Spielzeugläden eingezogen und ist seitdem ein Kassenschlager. Immer wieder wurde die Puppe wegen eines unrealistischen Körperbildes kritisiert. Ein neues Modell soll dabei helfen, das zu ändern. Der Spielzeughersteller Mattel setzt mit der blinden Barbie den eigenen Angaben nach seine Bemühungen fort, ein breiteres Abbild der Gesellschaft zu zeigen. Eine immer größer werdende Kollektion mit integrativen Modellen solle dazu beitragen und deshalb gibt es die Barbie nun auch mit einer Sehbehinderung. Die neue Puppe hat einen Stock und trägt eine Sonnenbrille, wie das Unternehmen mitteilte“, heißt es in einem Bericht des Bayerischen Rundfunks auf BR24.
Diese Neuheit hat die blinde Journalistin Jennifer Sonntag veranlasst, folgenden Kommentar für die kobinet-nachrichten zu verfassen, in dem sie u.a. der Frage nachgeht, inwieweit die blinde Barbie empowernd oder nicht ist.
Kommentar von Jennifer Sonntag
Blinde Barbie, empowernd oder nicht? Als feministische Autorin war ich vom Erscheinen der blinden Barbie durchaus begeistert, denn in meinem Buch „Hinter Aphrodites Augen“ erzählten viele blinde Frauen, dass sie in ihrer Kindheit und Jugend von sehenden Menschen häufig gesagt bekamen:
„Du kannst keine langen Haare tragen, die kannst du als blindes Mädchen nicht pflegen“, oder: „Du darfst keinen kurzen Rock tragen, dann musst du dich nicht wundern, wenn dir als behinderte junge Frau etwas passiert“ oder “Versteck deine Augen, die sehen hässlich aus“.
Barbie sieht das anders: Sie trägt ein kurzes Röckchen, lange Haare und zeigt ihre Augen, die sie auch schminken möchte. Aber auch ihre Brillen gehören ganz selbstverständlich dazu, genau wie ihr Langstock.
Dieser Empowerment-Moment hat vielen sehbehinderten und blinden Mädchen und Frauen gefehlt. Es gab diese Vorbilder auf dem Spielzeugmarkt und auch in vielen anderen Bereichen nicht. Dass eine blinde Barbie geschminkt ist, sorgt für Irritationen.
Seit vielen Jahren kämpfe ich gegen das Vorurteil an, dass blinde Frauen sich nicht für diese Themen interessieren. Und wieder bringe ich eines meiner Bücher ins Spiel. In „Der Geschmack von Lippenrot“ gebe ich blinden Frauen Tipps zum Schminken, zu Mode und Stil.
Mit der Veröffentlichung des Barbie-Films berichtete ich bereits von einer Helen-Keller-Puppe, die mit einem Braille-Buch ausgestattet ist. Innerhalb meiner Barbie-Sozialisation war ich stets auf der Suche nach Exemplaren, die neben der blonden Standardausführung andere Haar- oder Hautfarben hatten oder Diversität in jeglicher Form abbildeten.
Natürlich sind blinde Frauen, genau wie sehende, sehr unterschiedlich und nicht jede wird Barbie mögen. Sie ist eine Modepuppe und ein kommerzielles Produkt. Beides kann man kritisieren: die Modeindustrie und den Kapitalismus, da bin ich dabei.
Aber ich bin auch Barbie-Fan, sammle die Dia-De-Muertos-Puppen und würde mir auch die blinde Barbie kaufen, sobald Mattel sie mit einem Blindenführhund ausstattet.
Klaudia Karoliny,
11.08.2024, 11:23
Das mit dem Blindenführhund als Ergänzung ist eine gute Idee!
Yasemin,
04.08.2024, 21:40
OK. Aber wie soll man zur Barbie sprechen, wenn die nicht sieht? Da fehlt doch die sehende Betreuerbarbie, über die die Bestellung im Restaurant abläuft. Und der Notarbarbie, wenn die blinde Barbie auch mal einen Computer kaufen möchte.
Klaudia Karoliny
11.08.2024, 11:25
Warum so zynisch?