Den Anfang machte ein Vorfall in der Zielpunkt-Filiale Jörgerstraße, 1170 Wien am 1. Juli 2002.
Ein Einkauf des Obmanns der Sehbehinderten- und Blindenorganisation „Engel auf Pfoten“ in Begleitung seiner Stellvertreterin und seines Blindenführhundes „Boris“ war die Ursache für eine Realsatire erster Klasse. Dem Dreiergespann wurde vom Filialeiter unter Berufung auf eine interne Information durch die Bezirksinspektorin des Supermarkts, nahegelegt, die Filiale zu verlassen.
Obmann Roland Komuczky richtete daraufhin ein Schreiben an die Geschäftsführung sowie ein E-Mail an das Kundenservice der Zielpunkt GmbH. Im Antwortschreiben des Marketing-Teams (ohne Nennung eines konkreten Verfassers) ist u.a. zu lesen:
Zitat: „Als Sehbehinderter mit Blindenhund, aber ohne Begleitperson, wird Ihnen der Zutritt zu jeder Zielpunkt-Filiale natürlich jederzeit kommentarlos gestattet, da Sie in diesem Falle ja auf die Hilfeleistung Ihres Hundes angewiesen sind. Werden Sie bei Ihren Einkäufen jedoch von einer Begleitperson unterstützt, ist die Leistung des Tieres in der Filiale aber nicht unbedingt erforderlich. In diesem Falle würden wir Sie höflichst ersuchen, Ihren Blindenhund vor dem Geschäft an den dafür vorgesehenen Vorrichtungen anzubringen.“
Hier beginnt die Sommerreise nach Absurdistan. „Der Hund führt zwar den sehbehinderten oder blinden Kunden, die Begleitperson des Vertrauens ist dennoch notwendig, um Preise, Details zur Ware, Ablaufdatum etc. vorzulesen. Das Ansinnen, einen Diensthund, der bis zu Eur 27.000 kostet, vor der Filiale „anzubringen“, ist nicht nachvollziehbar, da dies kein verantwortungsvoller Blindenführhundhalter tun sollte“, erklärt Obmann Roland Komuczky.
Ein Blindenführhund ist außerdem ein dermaßen gut abgerichtetes Tier, dass absolut nichts zu befürchten ist, kein Schnuppern, kein Murren und schon gar keine Vandalenakte oder irgendwelche Spuren, die Hunde im Allgemeinen hinterlassen könnten.
Die Zutrittsmöglichkeit für Blindenführhunde in Lebensmittelgeschäfte ist eindeutig durch die Lebensmittelhygieneverordnung sowie der Wiener Marktordnung geregelt. Von Ausnahmeregelungen im Falle des Beiseins einer Begleitperson ist in den Gesetzen nichts zu lesen.
Der zitierte Vorschlag der Zielpunkt GmbH. verleitet förmlich zu folgenden heiteren Gedankenspielereien.
Variante 1:
Die Begleitperson lässt Blinden sowie Führhund draußen und erledigt den Einkauf via Handy ferngesteuert.
Variante 2:
Blinder und Führhund lassen die Begleitperson draußen. Der Führhund übernimmt die Leistungen der Begleitperson, liest Produktinformationen und Ablaufdaten vor und findet immer einwandfreies Obst oder Gemüse.
Variante 3:
Die Begleitperson gibt sich nicht als Begleitperson zu erkennen, sondern als zufällig helfender Kunde.
Variante 4:
Die Begleitperson passt auf den teuren Führhund auf, während der Blinde den Einkauf buchstäblich im Blindflug erledigt und auf die Hilfe von anderen Kunden oder Personal angewiesen ist.
Der Vorschlag von „Engel auf Pfoten“: Alle drei dürfen den Einkauf gemeinsam absolvieren, um das Höchstmaß an Unterstützung für Menschen mit Behinderung im Sinne eines selbstbestimmten Lebens zu gewährleisten.
„Mein Angebot, Filialleiter im Rahmen unseres Projektes ‚Sehen-Verstehen‘ über den richtigen Umgang mit sehbehinderten Menschen aufzuklären, steht nach wie vor. Auch Vertreter anderer Handelsketten können mit uns gerne Kontakt aufnehmen“, meint abschließend Obmann Komuczky.