Bolivien: Menschen mit Behinderungen protestierten für ihre Rechte

Polizei setzte Wasserwerfer, Pfefferspray und Elektroschocker ein. Nun wurden die Proteste aus Sicherheitsgründen beendet.

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Seit 27. Jänner 2016 protestierten Menschen mit Behinderung in Bolivien für bessere Arbeitsrechte und eine Erhöhung des monatlichen Pflegegeldes.

Begonnen haben die Proteste mit einer Mahnwache in Cochabamba, zu der drei Organisationen der Behindertenbewegung aufgerufen hatten. Im Februar haben sich einige Protestierende an einer Brücke festgehängt, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. (siehe Video)

Nach über 50 Tagen des Protests, hatten sich immer mehr Organisationen der Initiative angeschlossen. Sie formierten sich zu einem Protestmarsch, der sie 230 km von Cochabamba über die Anden nach La Paz führte.

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Gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei

In La Paz kam es am 25. April 2016 das erste Mal zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Von Seiten der Polizei wurden Pfefferspray und Elektroschocker eingesetzt. Protestierende wurden aus ihren Rollstühlen geworfen, oder es wurden ihnen ihre Krücken weggenommen.

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Laut Medienberichten wurden auch Polizisten während dieser Auseinandersetzungen verletzt. Im Juni wurden zwei Protestierende in Cochabamba von einem Auto erfasst und getötet, ist den Berichten zu entnehmen. Auch Filmjournalistinnen und -journalisten, die über die Vorfälle berichten wollten, wurden in ihrer Arbeit behindert.

Die niederländische Organisation zu Behinderung und Entwicklung (Dutch Coalition on Disability and Development) appelliert in einem Schreiben an die bolivianische Botschaft in Den Haag. Sie erinnert an die Verpflichtungen, die Bolivien durch die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen eingegangen ist.

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Die Hintergründe

Felizia Ali, eine Aktivistin mit Behinderung, erklärt ihre Beweggründe des Protests für ein höheres Pflegegeld so: „Diese Unterstützung ist nicht wie ein Geschenk von einem Vater. Diese Unterstützung wird die Ungleichheit reduzieren und uns helfen, Entscheidungen selbst zu treffen. Wenn ich 500Bs (umgerechnet ca. 60 € pro Monat; Anm. d. Red.) habe, wenn ich mit dem Bus fahre, anstatt auf dem Boden zu kriechen wie ein Tier, um einen Sitz zu erreichen, kann ich jemanden bezahlen, der mir hilft mit Würde in den Bus zu kommen.“

Sie unterstreicht: „Das ist der Beginn für unser Leben mit Würde. Die Zeit ist gekommen, Ausgrenzung und Apartheid zu beenden, in der wir seit Generationen leben.“

Den Parlamentarier Edgar Romero zitiert die Huffington Post vom 27. Mai 2016 hingegen so: „Der Staat kann nicht Personen eine Menge Geld geben, die nicht arbeiten oder irgendetwas tun.“

Konkrete Aussagen zur Zahl und Situation von Menschen mit Behinderungen in Bolivien zu treffen, ist schwierig, die Angaben in den Medien sind widersprüchlich. Dies liegt an der Tatsache, dass gerade im ländlichen Bereich viele Menschen mit Behinderungen nicht registriert sind. Dort ist auch, trotz grundsätzlicher Schulpflicht die Analphabeten-Rate unter ihnen hoch.

Aktuelle Entwicklung

Zwischenzeitlich gab es Meldungen, wonach letzte Woche in La Paz von einem Teil der Behindertenbewegung ein Vertrag mit der Regierung geschlossen worden sei. In diesem sei auch ein Ende der Proteste vereinbart worden. Der Vertrag habe nicht die ungeteilte Zustimmung der Protestierenden erhalten, weil die zentrale Forderung nach Erhöhung des Pflegegeldes nicht erfüllt werde. Trotzdem hätten die Bewegungen beschlossen, ihre Wache diese Woche aufzuheben und zurück nach Hause zu reisen. Momentan würden sie um Gelder für den Transport ansuchen.

Die Bewegungen der Menschen mit Behinderungen verweisen darauf, dass man sowohl von Seiten der bolivianischen Bevölkerung als auch international viel Solidarität für die Anliegen gespürt habe. Sie hoffen, dass sie mit ihren Protesten die Aufmerksamkeit auf die Situation von Menschen mit Behinderungen lenken und zu mehr Gerechtigkeit beitragen konnten. Es geht viel um die Solidarität, die sie von der Bevölkerung und weltweit gespürt haben. Teilweise würden die Verantwortlichen in den verschiedenen Bundesländern Dialogbereitschaft signalisieren.

Nun stellt sich heraus, dass offenbar Menschen mit Behinderung auch verhaftet wurden oder sich andere aus Sicherheitsgründen zurückziehen würden, da sie bedroht worden seien. Sie wurden dazu gedrängt, derartige Verträge zu unterschreiben.

Richtig war die Wahrnehmung von Solidarität in der Bevölkerung. Nachdem die Polizei Menschen mit Behinderungen die Teilnahme an der Stadtparade zum Stadtfeiertag in La Paz untersagt hatte, protestierte die Bevölkerung stellvertretend für die Aktivistinnen und Aktivisten mit Behinderung, mit deren Transparenten.

So sahen die Proteste aus

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