Brauchen wir eine Quote in den Medien?

Es gibt Journalistinnen und Journalisten. Und es gibt Menschen mit Behinderung, die über ihr Leben schreiben (können). Von Margit Glasow

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Dieser Einteilung begegne ich immer wieder und sie scheint sehr tief im Denken vieler Menschen verwurzelt zu sein. Ich behaupte, es gibt viele Journalistinnen und Journalisten mit Behinderung. Leider wird ihre Kompetenz viel zu selten genutzt.

Deutlich geworden ist mir das wieder am Beispiel des in der letzten Woche im „Spiegel“ erschienenen Artikels „Was bricht, das bricht“. In diesem Artikel wird anhand eines Treffens der Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Osteogenesis imperfecta (Glasknochen) Betroffene e. V. in Duderstadt beschrieben, was es heißt, mit dieser seltenen Erkrankung zu leben.

Natürlich ist es erst einmal als sehr positiv zu bewerten, dass ein politisches Magazin wie der „Spiegel“ ein solches Thema aufgreift. Keine Frage. Wie dieser Artikel allerdings daherkommt, ist die andere. Es werden die medizinischen Besonderheiten beschrieben und erklärt, dass sich im Laufe der Zeit eine gewisse Lässigkeit einstellt, die Knochen brechen eben schneller. Und es wird von einer Mutter erzählt, wie es ihr ergangen ist, als sie erfuhr, dass ihr zu erwartendes Kind mit Glasknochen auf die Welt kommen würde. „Ich wollte nicht wissen, wie ein 80 Zentimeter großes Mädchen aussieht, eine Achtjährige, kaum höher als ein Couchtisch“, wird sie zitiert.

Alles korrekt und nachvollziehbar. Und trotzdem beschleicht mich dabei das Gefühl, dass hier von Exoten berichtet wird, die eben anders sind. Es fehlt für meinen Geschmack etwas in diesem Artikel. Das, was ein solches Leben ausmacht, dass es mehr ist als die Summe von gebrochenen Knochen, der Schmerzen und Operationen. Das alles kommt zu kurz. Und das ist wohl auch verständlich, denn wie sollen sich Nichtbetroffene vorstellen, wie eine Behinderung sich wirklich anfühlt? Das will ich niemandem zum Vorwurf machen.

Für umso wichtiger halte ich es daher, dass Journalistinnen und Journalisten mit Behinderung selbst in den Medien zu Wort kommen. Und damit meine ich nicht die einschlägigen Fachmagazine zum Thema Behinderung.

Meiner Ansicht nach geht es dabei nicht nur um die breitere Darstellung des Themas „Leben mit Behinderung“ allgemein. Es geht vor allem um das „Wie“. Wie stelle ich ein Leben mit Behinderung dar? Geht es nur um die gesundheitlichen, medizinischen Aspekte? Um die Defizite? Oder geht es darum aufzuzeigen, dass man trotz dieser Einschränkungen seinen Platz in dieser Gesellschaft finden kann. Dass es um Menschen geht, die ganz „normale“ Lebenskonzepte haben und diese auch umsetzen wollen und können. Diese Art der Betrachtung fehlt für meine Begriffe in den Medien immer noch weitgehend.

In der letzten Zeit wird viel über die Frauen-Quote in den Chefetagen der Wirtschaft – und auch der Medien – diskutiert. Ich selbst war immer skeptisch, was so eine gesetzliche Regelung wirklich bewirken kann, wenn der politische Wille fehlt. Doch inzwischen frage ich mich, ob eine „Behinderten“-Quote vielleicht dazu beitragen könnte, das Bild von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit zu verändern, den Umgang miteinander einfach normaler werden zu lassen. Wenn im Fernsehen zum Beispiel regelmäßig ein Moderator im Rollstuhl zu sehen ist und es Gang und Gebe wird, dass Journalisten mit Behinderung vor Ort recherchieren, um beispielsweise über Lokaltermine in der regionalen Zeitung zu berichten.

Und dass die „Spiegel“-Redaktion, wenn sie einen Artikel über das Leben mit Osteogenesis imperfecta plant, sich einmal umschaut, ob es unter den Betroffenen vielleicht Profis gibt, die über dieses Thema schreiben können. Die Journalistin Rebecca Maskos zum Beispiel hat in der ersten Ausgabe des Magazins „inklusiv!“ genau über die Tagung in Duderstadt einen Artikel geschrieben. Und darin wird klar, dass ein Leben mit dieser Einschränkung eben mehr ist, als darüber nachzudenken, wie oft die Knochen brechen und welche Körpergröße man erreicht.

Für mich bleibt die Frage, wie eine gute, authentische Berichterstattung in diesem Bereich möglich wird. Voraussetzung dafür ist natürlich in erster Linie, dass es genug Menschen mit Behinderung gibt, die sich trauen, ihre journalistische Kompetenz zu zeigen, und sich einmischen wollen. Ob eine Quote dabei helfen könnte, dass mehr betroffene Journalistinnen und Journalisten eine Chance erhalten, die sie sonst nicht bekommen würden, müsste man breit diskutieren. Aber vielleicht ist das auch alles nur eine schöne Illusion

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