Buchinger antwortet auf Fragen zum Thema Pflegevorsorge und Persönliche Assistenz

Unter dem Titel "Persönliche Assistenz - Erfahrungen und Notwendigkeiten" veranstaltete BIZEPS - Zentrum für Selbstbestimmtes Leben am 17. und 18. Oktober 2007 einen Kongress in Wien.

Schachtel mit Aufdruck: Fragen an BM Erwin Buchinger
Tolliner, DI Klaus

Im Rahmen dieser Veranstaltung sollte Sozialminister Dr. Erwin Buchinger (SPÖ) das Referat „Wer bezahlt Persönliche Assistenz in Österreich?“ halten und für eine Fragerunde zur Verfügung stehen. Durch eine kurzfristige Verschiebung des Ministerrates war er leider verhindert.

Fragen

Es wurde vereinbart, dass die Fragen an den Minister gesammelt werden und er sie schriftlich beantwortet. Wir bringen in der Folge die Abschrift der Fragen sowie die Antworten von Sozialminister Buchinger:

  • „Es wurden drei Arbeitsgruppen zur Weiterentwicklung der Pflegevorsorge eingerichtet. Inwiefern ist beabsichtigt, in diesen Arbeitskreisen das Thema Persönliche Assistenz einfließen zu lassen bzw. deren Umsetzung zu thematisieren?“ (Klaus Widl, CBMF)
  • „Gesetzt dem Fall, der Pilotversuch wird fortgeführt, sind längerfristige Lösungen, d.h. eine längerfristige Finanzierung über 6 Monate hinaus geplant? “ (Autor/in unbekannt)
  • „Bekomme ich ab 1. April 2008 die 24-Stunden-Assistenz weiterhin finanziert? (Ich befinde mich zurzeit im Modellversuch) “ (Autor/in unbekannt)
  • „Wann wird es eine offene Pflegegeldstufe geben? “ (Autor/in unbekannt)
  • „Werden Sie eine Arbeitsgruppe zum Thema Persönliche Assistenz unter Einbeziehung der Betroffenen einsetzen?“
    (Autor/in unbekannt)
  • „Behinderte Menschen, welche aufgrund ihres geringen Einkommens keine Steuern zahlen, können weder Krankheitskosten noch pauschalierte Absetzbeträge steuerlich geltend machen und werden dadurch in ihrer ohnehin schon schweren Situation nochmals bestraft. Wann wird sich das ändern? “ (Gertrude Jauk, KOBV)
  • „Bitte um Mitteilung, wann die Zusage vom 28. März 2007, den ‚Partnerhundeerlass’ zu ändern, eingelöst wird.“ (Dr. Helge Wanecck, Freunde der Rehabilitationshunde Österreich)
  • „Wann und in welcher Form wird es konkrete Termine mit der Stadt Wien zur Fortführung der „Persönlichen Assistenz“ geben?“ (Autor/in unbekannt)
  • „Wer ist in den 3 Arbeitsgruppen (seit Oktober 2007) vertreten? (Fraktionen, NGO’s, Vereine, etc.) “ (Autor/in unbekannt)
  • „Im freien Europa muss die freie Wahl für einen Arbeitsplatz gewährleistet werden. Was will Ihre Regierung tun, um Assistenz-, Budgetleistungen auch ins Ausland zu gewährleisten?“ (Uwe Frevert)
  • „Wann wird die Richtlinie für PAA so geändert, dass auch im Urlaub, Krankenstand und Kur die Assistenz vom Bund finanziert wird?“ (Thorpe)
  • „Wie können Sie sich vorstellen, dass der Bund die Länder bei der Finanzierung von „Persönlicher Assistenz“ unterstützt? Beführworten Sie für Österreichs behinderte Menschen ein persönliches Budget? Wenn ja, was werden Sie dafür tun?“ (Thorpe)
  • „Besteht die Möglichkeit, dass das Angebot der Persönlichen Assistenz, bundesweit geregelt und finanziert wird? (Kompetenzstreitigkeiten der Bundesländer)“ (Autor/in unbekannt)
  • „Persönliche Assistenz ermöglicht Chancengleichheit, Teilhabe und Selbstbestimmung für behinderte Menschen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, PA in Österreich zu schaffen? Was werden Sie dazu tun? “ (Autor/in unbekannt)
  • „Wir haben heute erschütternde Zahlen gehört, wie in unseren Nachbarländern Staatsbudgets für Menschen mit Behinderung verwendet werden. So werden in Deutschland nur 7 % der Mittel für integrative Maßnahmen eingesetzt, 93 % für aussondernde. In der Schweiz ist dieses Verhältnis mit 5 % zu 95 % noch schlechter. Wie sieht das bei uns aus, wie soll sich dieses Verhältnis in Zukunft verbessern?“ (Martin Datzinger)
  • „Wer bzw. was ist in Österreich die Ursache, – dass Persönliche Assistenz in der Sozialpolitik des letzten Jahres kaum bis gar keine Rolle spielte? – dass die enorme Unterdeckung des Pflegegeldes (RH-Bericht vom September: nur 7 % bis 25 %) ruhigen Gewissens fortgeführt wird? (Keine Anpassung, keine Nachvalorisierung, offene PG-Stufe) (Bitte nicht auf den Föderalismus ausreden, der Bund kann Rahmenbedingungen vorgeben)“ (Gerhart Lichtenauer, „Daheim statt Heim“)
  • „Wäre es nicht möglich, die Persönliche Assistenz auch bundesweit, sowie die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz bereits eingeführt wurde, möglich zu machen?“ (Autor/in unbekannt)

Brief mit den gesammelten Antworten

Brief von Sozialminister Dr. Erwin Buchinger (GZ: BMSK-40005/0030-IV/9/2007) an BIZEPS vom 28. Jänner 2008:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Vorerst möchte ich für die Verhinderung meiner Teilnahme bei Ihrem Kongress „Persönliche Assistenz – Erfahrungen und Notwendigkeiten“ um Verständnis bitten und nehme zu den mir übermittelten Fragen wie folgt Stellung:

Pflegevorsorge:
Im Rahmen der Arbeitsgruppe „Neugestaltung der Pflegevorsorge“, die am 10. Oktober 2007 wieder einberufen wurde, und in der die Gebietskörperschaften, die Sozialpartner, die NGO’s, bestimmte Berufsverbände sowie die Interessenvertretungen älterer und behinderter Menschen vertreten sind, wurden drei Untergruppen zu folgenden Themenbereichen eingesetzt:

  • Untergruppe 1: „Finanzierung (incl. Organisationsfragen)“,
  • Untergruppe 2: „Pflegegeld (incl. Qualitätssicherung) und betreuende Angehörige“ und
  • Untergruppe 3: „Sachleistungen (incl. Qualitätssicherung)“.

Die Frage einer Erhöhung des Pflegegeldes wird ebenso wie die Thematik einer „offenen Pflegegeldstufe“ derzeit in der Arbeitsgruppe diskutiert. In diesem Zusammenhang darf ich auch auf das Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode verweisen, das unter anderem vorsieht, das Pflegegeld des Bundes in dieser Gesetzgebungsperiode einmal selektiv nach Pflegestufe zu valorisieren. Ich werde mich für eine möglichst baldige Erhöhung des Pflegegeldes einsetzen und habe dabei auch die Unterstützung der Bundesländer.

Persönliche Assistenz:
Persönliche Assistenz (PAA) zum Ermöglichen einer weitgehend unabhängigen und selbst bestimmten Lebensführung stellt eine äußerst wichtige Unterstützung zur gleichberechtigten Teilnahme von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft dar. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Förderung der Persönlichen Assistenz in den Kompetenzbereich der Länder fällt, sie wird auch bereits in einigen Bundesländern aus Mitteln der Behindertenhilfe unterstützt.

Der Bund hat keine Möglichkeit, einen rechtlichen Rahmen für Leistungen der Behindertenhilfe der Länder vorzugeben. Daher ist es für den Bund auch weder möglich, Persönliche Assistenz bundesweit einzuführen noch sie zu fördern.

Er kann Maßnahmen zur Förderung der gleichberechtigten Teilnahme von Menschen mit Behinderung lediglich im Rahmen seiner Kompetenzen setzen. In diesem Zusammenhang wurde die Förderung der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz eingeführt. Diese wird als wichtige Unterstützung der beruflichen Teilhabe durch das BSB im Rahmen bundeseinheitlicher Richtlinien gewährt.

Dem Einwand, dass die Persönliche Assistenz in der Sozialpolitik des letzten Jahres keine Rolle spielte, kann ich nicht zustimmen. Das Angebot der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz wurde im Jahr 2004 als Pilotprojekt ins Leben gerufen und anschließend bundesweit ausgebaut. Um die Leistung der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz den praktischen Erfahrungen anzupassen, wird die Maßnahme unter Einbeziehung der Betroffenen laufend weiterentwickelt.

Während im Jahr 2005 insgesamt 136 Personen gefördert wurden, waren es 2006 bereits 193 Personen, die eine vom BMSK geförderte Assistenzleistung in Anspruch nahmen. Diese Anzahl hat sich im Jahr 2007 auf 255 Personen erhöht. Dabei wurden allein für die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (PAA) im Jahr 2007 rund € 1,7 Mio. ausgegeben. Schätzungen zufolge wird sich der finanzielle Aufwand für die Maßnahme im Jahr 2008 auf ca. € 1,9 – 2 Mio. erhöhen.

Im Jahr 2008 werden die Förderungen des Bundes ausgebaut, indem für Lebenssituationen wie Krankheit, Rehabilitation und Urlaub eine zusätzliche Förderung von Assistenzleistungen bis zum Stundenausmaß des letzten Betreuungsmonats gewährt werden kann. Mit dieser Regelung konnte ein weiterer Schritt zu einer umfassenden und bedarfsgerechten Lösung im Bereich der Persönlichen Assistenz gesetzt werden.

Derzeit wird Persönliche Assistenz für Hilfestellungen außerhalb des Arbeitsplatzes als Leistung des Fonds Soziales Wien (FSW) in Form eines befristeten Pilotprojektes gefördert (bis 31.03.2008). Erfreulicherweise führt der FSW nun die Förderungen für die Persönliche Assistenz im Privatbereich als dauerhafte Unterstützungsleistung weiter.

Hinsichtlich der Transferierung von Assistenzleistungen in andere Staaten muss erwähnt werden, dass die angesprochenen Leistungen darauf abzielen, Menschen mit Behinderungen an den Arbeitsmarkt heranzuführen und die Beschäftigung dieses Personenkreises in Österreich zu unterstützen. Sämtliche Angebote richten sich sowohl an Menschen mit Behinderungen als auch an Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen oder beschäftigen wollen, im Bundesgebiet. Gegenständliche Leistungen werden aufgrund ihrer Art nicht ins Ausland exportiert.

Partnerhunde:
Die Änderung des Erlasses betreffend die Zusatzeintragung von „Partnerhunden“ wurde ausgearbeitet und steht die Umsetzung unmittelbar bevor.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass Fragen die steuerliche Absetzbarkeit von Krankheitskosten von Menschen mit Behinderung betreffend in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Finanzen fallen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Erwin Buchinger

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