Am 6. Mai 2010 zog Dr. Erwin Buchinger, Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen, ein erstes Resümee über seine Tätigkeit.
Erwin Buchinger wurde vom Sozialminister mit Jahresanfang für vier Jahre bestellt und berichtet im Rahmen einer Pressekonferenz unter dem Titel „Zwischen Hoffnung und Sorge“ in Wien über „zahlreiche Antrittsbesuche bei Vertreterinnen und Vertretern der Politik auf Bundes- und Landesebene, bei den Behindertenorganisationen“.
Er konnte sich dabei „ein klares Bild über die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung machen“ und hat als Themenschwerpunkte für seine Arbeit „Arbeit, Bildung und Barrierefreiheit“ definiert.
Arbeit
Buchinger thematisierte die derzeit äußerst schwierige Situation behinderter Personen am Arbeitsmarkt und wies darauf hin, dass beispielsweise im März 2010 die Arbeitslosigkeit generell gesunken, während diejenige von Menschen mit Behinderung weiter gestiegen ist.
Als Konsequenz fordert er daher Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit behinderter Menschen und kritisiert, dass „die aktuelle politische Diskussion sich derzeit fast ausschließlich auf den Kündigungsschutz beschränkt“.
Bildung
Im Bildungsbereich zeigt er fehlende Ressourcen für Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf auf und verlangt eine Lösung des Problems über den Finanzausgleich zwischen Bund und Bundesländern.
Er erinnert an die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und die darin enthaltenen Verpflichtung „zur Einführung eines integrativen Bildungssystems“.
„Da Bildung inklusiv sein muss, bekennt sich Herr Behindertenanwalt Dr. Erwin Buchinger dazu, die Sonderschulen mittelfristig abzulösen und alle Kinder integrativ in Schulen zu unterrichten, um auch hier die gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderungen erzielen zu können“, wird in den Presseunterlagen unmissverständlich festgehalten.
Der gewünschte Zeitrahmen für das Ende der Sonderschulen sei zehn Jahre. „Das heißt, dass ab nächstem Schuljahr kein Kind mehr neu in die Sonderschule kommen würde“, wird Buchinger in der Tiroler Tageszeitung zitiert.
Barrierefreiheit
Im Bereich Barrierefreiheit verweist er auf die Selbstverpflichtung des Bundes im Behindertengleichstellungsgesetz: „Die von den Bundesministerien vorgelegten Etappenpläne zur Umsetzung der Barrierefreiheit von Bundesgebäuden bis Ende 2015 müssen eingehalten werden.“
Doch Buchinger ist skeptisch und befürchtet, dass die fristgerechte Umsetzung „zur Halbzeit nicht garantiert“ ist.
Geplante Einsparungen
Auch wenn in der Öffentlichkeit noch keine Details des Sparpakets der Bundesregierung bekannt sind, geht Buchinger in seinen Unterlagen darauf ein: „In der derzeitigen Diskussion über mögliche Einsparungen im Sozialbereich spricht sich der Behindertenanwalt vehement gegen Kürzungen aus. Der Behindertenanwalt wird auf keinen Fall einer Umwandlung des bestehenden Pflegegeldes in Sachleistungen zustimmen. Das Pflegegeld bietet vielen Personen die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Leben, nämlich durch die Organisation Pflege und Betreuung nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dies wiederum entspricht der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.“
Was Buchinger von Haupt unterscheidet
Dr. Erwin Buchinger legt seine Arbeit in der Behindertenanwaltschaft sichtbar anders an, als dies sein Vorgänger getan hat. Während Mag. Herbert Haupt sich primär als Ombudsmann für alle behinderungsbedingten Probleme gefühlt hat, vermittelt Buchinger den Eindruck, die Behindertenanwaltschaft auf den Kernbereich – Gleichstellungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit – zurückzubringen.
Seit Buchinger in der Behindertenanwaltschaft tätig ist, betreibt er intensiv Öffentlichkeitsarbeit und meldet sich häufig zu tagesaktuellen Themen zu Wort, die einen behinderungspolitischen Hintergrund haben.
Auch in der Beratungstätigkeit unterscheidet sich sein Vorgehen von dem seines Vorgängers. Erstmals wurde deutlich wahrnehmbar kommuniziert, welche Anliegen an die Behindertenanwaltschaft getragen wurden und dabei aufgeschlüsselt, ob diese in das gesetzlich umrissene Tätigkeitsfeld – nämlich die Behindertengleichstellung – fallen.
Anlässlich der Pressekonferenz wurde folgende Statistik für den Zeitraum 1. Jänner bis 5. Mai 2010 veröffentlicht.
Von den 259 bearbeiteten Akten waren „gleichstellungsrelevant bzw. zumindest mit deutlichem Bezug zur Zuständigkeit“ nur 94 Sachverhalte. Die überwiegende Mehrheit – nämlich 165 Sachverhalte hatten „keinen oder nur einen untergeordneten Bezug“ zur gesetzlichen Aufgabe der Behindertenanwaltschaft.
Auch wenn diese Zahlen noch unerfreulich sind, zeugen sie doch von einem geänderten Amtsverständnis des Gleichstellungsanwalts Buchingers. Die Veröffentlichung zeigt klar auf, dass ein Problembewusstsein innerhalb der Behindertenanwaltschaft geschaffen wurde. Dies muss als äußerst positiv bewertet werden.