Die Europäische Kommission zeigt bisher keine Reaktion auf die Kritik, dass in Bulgarien EU-Fördergelder dazu verwendet werden, eine große Anzahl von Institutionen für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen zu errichten.
Die Bauvorhaben widersprechen laut UN-Sonderberichterstatter, Dainius Pūras, Bulgariens Verpflichtungen zur De-Institutionalisierung. Die bulgarische Regierung versucht zu relativieren.
Interessensvertretungen leiteten Gerichtsverfahren ein
In Bulgarien werden Institutionen zur Unterbringung von 1020 Menschen mit Behinderungen gebaut, die durch EU-Fonds gefördert werden.
Daher haben das Europäische Netzwerk für Selbstbestimmtes Leben (ENIL), das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Sofia (CIL Sofia) und die Validity Foundation bereits im September 2019 Gerichtsverfahren gegen die Europäische Kommission eingeleitet, die nach wie vor laufen. (Siehe auch ENIL-Presseaussendung vom 17. Juli 2020)
Sonderberichterstatter übte Kritik an mangelnder Handlungsbereitschaft
Im März 2020 meldete sich dann Sonderberichterstatter Pūras zu Wort und stellte klar, dass Institutionalisierung in Hinblick auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) eine klare Form der Diskriminierung darstellt.
Er forderte Bulgarien und die Europäische Union dazu auf, ihrer Verpflichtung zur Einhaltung internationaler menschenrechtlicher Übereinkommen nachzukommen. Außerdem rief er die Europäische Kommission dazu auf, Maßnahmen zu setzen, um mutmaßliche Vertragsverletzungen zu unterbinden und zukünftigen vorzubeugen.
Bulgarien versucht zu relativieren
Die bulgarische Regierung versuchte daraufhin, die Bauprojekte als Ausnahmefälle zu rechtfertigen und machte darauf aufmerksam, dass es bereits viele Maßnahmen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen wie Persönliche Assistenz oder Arbeitsschutzmaßnahmen gäbe.
ENIL, CIL Sofia und die Validity Foundation bezeichnen diese Einschätzungen als realitätsfern. Dies belegen auch wissenschaftliche Untersuchungen.
Keine Reaktion von Seiten der Europäischen Kommission
Die Europäische Kommission hat bis heute weder Schritte gesetzt, um zu sichern, dass Bulgarien EU-Fördermittel gesetzeskonform und der UN-BRK entsprechend einsetzt, noch hat sie Stellung zur Kritik des Sonderberichterstatters genommen.
Die Frage bleibt also offen, wie gewährleistet wird, dass Struktur- und Investitionsfonds der EU dazu verwendet werden, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und nicht dazu, große Institutionen durch kleinere zu ersetzen.
Ähnliche Problematik in Österreich
Auch in Österreich dürften EU-Fördermittel nach wie vor zur Neuerrichtung von Wohneinrichtungen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen eingesetzt werden.
Das haben die Selbstbestimmt Leben Bewegung Österreich (SLIÖ) und ENIL kürzlich durch Recherchen aufgedeckt.
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