Busse mit Hublift oder Rampe?

Als ich diesen Sommer einen Monat in Helsinki verbracht habe, konnte ich ein interessantes Experiment durchführen: Den Vergleich von Niederflur-Bussen mit Klapprampe und mit Plattform-Hublift aus RollstuhlfahrerInnen-Sicht.

Flagge Finnland
European Commission Audiovisual Library

In meiner Heimatstadt Bremen sind Niederflurwagen mit elektrisch betriebenem Hublift vorne bei der ersten Tür der Standard. In Helsinki nutzt man Niederflurwagen mit manuell betriebenen Klapprampen in der Mitte des Busses.

Den Bremer Hublift können die FahrerInnen ohne Aufzustehen per Knopfdruck bedienen und haben ihn die ganze Zeit direkt im Blick. Helsinkis FahrerInnen sind angewiesen, ihren Platz zu verlassen, um die Rampe per Hand auszuklappen, wenn RollstuhlfahrerInnen mitfahren möchten. Zu meinem Erstaunen haben sie dies jedoch nur in Ausnahmefällen getan.

Rasch bin ich dazu über gegangen, bei Ankunft des Busses schon auf Höhe der FahrerInnentür zu stehen, um schnell und mit einem möglichst strahlenden Lächeln auf Finnisch um „Verzeihung“ und die Rampe bitten zu können. Nicht zu vergessen die mehreren Dankesbekundungen pro Ein- und Ausstieg, wenn es denn geklappt hat. Ich habe mich noch nie so oft nacheinander bedankt.

Selbstverständliches Recht

Eigentlich finde ich es unangebracht, mich für die ganz normale Nutzung eines Busses überhaupt zu bedanken. Ich sage häufig ein paar andere, freundliche Kleinigkeiten zu den FahrerInnen. Aber kein „Danke“ für etwas, das für nichtbehinderte Menschen ein selbstverständliches Recht ist. Bei dem Aufwand, den sich die FahrerInnen mit den Klapprampen machten, schienen mir umfangreiche Bedankungen allerdings nötig.

Trotz all meiner Dankbarkeit sind die meisten FahrerInnen jedoch lieber sitzen geblieben. Meistens haben sich irgendwann andere Passagiere darum bemüht, die Rampe für mich aus- und wieder einzuklappen.

Erfahrungen

Nach meiner Statistik sind nur ca. 15 % der FahrerInnen ohne besonderen Aufwand meinerseits ordnungsgemäß zur Rampe gekommen und dabei auch noch freundlich gewesen. Ein größerer Anteil war mürrisch und leicht verärgert, „für mich“ aufstehen zu müssen.

Ein paar Mal habe ich die FahrerInnen zwar dazu bewegen können, auszusteigen und zur Mitteltür zu kommen – aber trotzdem wollten sie die Rampe nicht ausklappen, sondern mich lieber per Hand in den Bus kippen. Dann mussten wir erst einige Zeit streiten, bis ich endlich die Rampe nutzen konnte.

Ca. 10 % der Fahrer (alle männlich) sind wegen der Belästigung durch meinen Einstiegswunsch sogar aggressiv geworden. Zur Strafe haben sie dann entweder auf mich geschimpft, mich mit aggressiven Gesten gescheucht oder die Rampe mit Schwung vor mir auf den Boden geworfen. Dadurch ist der Straßendreck so aufgewirbelt worden, dass ich danach regelmäßig meine Hose abschütteln musste, um den Dreck wieder auf den Boden zu befördern. Die höher fliegenden Teilchen habe ich ins Gesicht bekommen. Dann habe ich bedauert, mein Auto nicht mit nach Helsinki genommen zu haben.

Normalerweise habe ich das Problem, andere davon abzuhalten, mir zu „helfen“, wenn ich es gar nicht brauche. Für viele nichtbehinderte Menschen bin ich ein begehrtes Hilfeobjekt, besonders für Männer. Das kann auch anstrengend sein.

Wie schwierig wäre es erst gewesen, die FahrerInnen zum ordnungsgemäßen Gebrauch der Rampe zu bewegen, wenn ich ein weniger beliebtes Hilfeobjekt wäre?

Genervte BusfahrerInnen

Gewiss, die unwilligen FahrerInnen haben sich schlecht benommen. Auch wenn sie der Aufwand mit der Klapprampe stört, sollten sie höflich und respektvoll bleiben und ihren Unwillen nicht an den behinderten Fahrgästen auslassen.

Nach meiner Helsinki-Reise glaube ich allerdings, dass mit genau solchen Reaktionen grundsätzlich bei einem Teil der FahrerInnen zu rechnen ist.

Es kann sein, dass Helsinkis BusfahrerInnen unfreundlicher sind, als ihre KollegInnen in anderen Städten. Aber es wird immer einige FahrerInnen ärgern, wenn sie extra aufstehen, das Wechselgeld und andere Wertgegenstände einpacken, an den Ausklapp-Haken denken und zur mittleren Tür gehen zu müssen. Besonders, wenn der Zeitplan eng ist oder es draußen regnet.

Diesen Ärger lassen sie bei entsprechender Mentalität am schwächsten Glied aus: An den RollstuhlfahrerInnen, die aus ihrer Sicht die Mühe verursachen.

Das ist für mich ein Grund, auf elektrische Hublifte als Einstiegshilfe für Busse und Bahnen zu schwören und manuelle Klapprampen zu scheuen. Ich möchte nicht den Zeitdruck und im ungünstigen Fall den Ärger über zusätzlichen Aufwand der BusfahrerInnen abkriegen.

Ein anderer Grund für Hublifte ist, dass die Rampen je nach Höhenunterschied an der jeweiligen Haltestelle abenteuerlich steil werden können.

Was passiert bei Defekten?

Ein Hauptargument für Klapprampen lautet, dass sie weniger defekt-anfällig sind, als Hublifte. Einerseits stimmt das. Andererseits ist das kein Problem, wenn defekte Hublifte genauso schnell repariert werden, wie defekte Automatik-Türen. Das Problem ist weniger die Technik des Hublifts, als die Einstellung zur Frage, ob der Hublift eine notwendige Voraussetzung für die Verkehrstauglichkeit des Busses ist und umgehend repariert wird oder nicht.

In meiner ersten Woche in Helsinki bin ich mit einem Bus mit einer defekten Rampe gefahren, dem ich wieder in der zweiten und noch einmal in der letzten Woche begegnet bin, ohne dass sich am Zustand der Rampe etwas gebessert hätte. Auch einzelne andere Rampen wiesen Defekte auf, die sichtlich schon lange bestanden.

Natürlich ist es 10-mal besser, Busse mit Klapprampen zu haben, als ganz ohne Einstiegshilfe. Und auch bei uns in Bremen gibt es manchmal Probleme mit Bus und Bahn. Aber wenn ich meine Bus-Erlebnisse in Helsinki mit denen in Bremen vergleiche, fällt mir die Entscheidung leicht.

Vergleich mit Bremen

Wenn man den Vergleich mit dem Bremer Standard (alle städtischen Busse haben elektrische Hublifte) nicht kennt, sieht man das vielleicht anders.

Das eindrücklichste Argument für Hublifte ist für mich aber folgendes: Einen Monat lang bin ich in Helsinki jeden Tag mehrmals mit dem Bus gefahren. Kein einziges Mal bin ich dabei einer/m anderen RollstuhlfahrerIn begegnet.

Wenn sie gut mit den Rampen-Bussen zurecht kämen, hätte ich ähnlich oft RollstuhlfahrerInnen treffen müssen, wie in Bremen. Nämlich häufig und als ganz normalen Anteil der Fahrgäste. Einen ganzen Monat lang keine andere/n RollstuhlfahrerIn – ist eine deutliche Aussage über die Qualität der Nutzbarkeit der Busse.

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16 Kommentare

  • wie heißt die Rampe im Bus

    • Ich verstehe deine Frage leider nicht ganz. Was genau möchtest du zur Rampe wissen?

  • Die Niederflurbusse von dem Verkehrsverbund Niedersachsen haben in der Mitte auch eine manuelle Rampe, die man mit der Hand bedienen muß, so daß der oder die Rollstuhlfahrer/in unbeschert in den Bus rollen kann.

  • Ich bin auch kein Freund von Klapprampen, aber ich kann auch nicht nur den Hublift als das absolute ansehen der weg zur Barrierefreiheit bei Bus und Bahnen ist für mich aber nur der bodengleiche Einstieg, da er auch für Menschen die gehbehindert oder einen Rolator benutzen am besten funktioniert.
    Ausserdem kann man dann da Einsteigen wo eine Tür ist. Leider gibt es bis heute kein System was optimal für alle funktioniert.

  • Wir haben im Jahr 2009 eine Integrationsreise mit einem Reisebus mit Rollstuhllift, Behindertentoilette und Transportsitz im Mittelgang des Busses von Saarbrücken nach Berlin durchgeführt mit acht Rollstuhlfahrern, von denen 3 nicht umsteigen konnten und dabei neben Reichtag einschl. Kuppel und Friedrichstadtpalast sehr viel gesehen und vor Allem eine streßfreie Reise gehabt. Wer kennt im Raum Bremen und umzu ein Busunternehmen mit einem entsprechenden Bus?

  • Liebe Kassandra, vielen Dank für diesen Bericht. In der Tendenz, nicht jedoch in dieser Dramatik, habe ich es erwartet. Von selbstbestimmter Teilhabe oder Teilnahme am öffentlichen Leben kann man hier wirklich nicht sprechen. Auch fand ich sehr gut,dass du einen durchaus auch kritischen Vergleich gezogen hast. Das erhöht die Objektivität. Ich bin froh, dass wir es geschafft haben, dass System mit den Hubliften durch zu setzen.

  • Toll, gleich 9 Antworten auf meinen Artikel!
    Vielen Dank an die AbsenderInnen des freundlichen Lobs, an meinen treuesten „Fan“ Herrn „Ein netter Mensch“, außerdem an Martin Ladstätter dafür, dass es sich immer so schnell und gut um meine Artikel kümmert! :-)

    Eins muss ich dem Artikel noch nachfügen:
    Stimmt, eine funktionierende Klapprampe ist besser, als ein defekter Hublift.
    Aber ich spreche mich nicht für defekte Hublifte aus, sondern für funktionierende!
    Wahrscheinlich kann man sich nicht vorstellen, dass Hublifte tatsächlich funktionieren, wenn man die Bremer Verhältnisse nicht kennt. Mit entsprechender Wartung ist es die Ausnahme, dass die Hublifte streiken.

    Natürlich kann man sich auch in Bremen über den öffentlichen Personennahverkehr ärgern, z.B. bei manchmal vorkommendem, unangemessenen FahrerInnenverhalten oder wenn man nicht mitfahren kann, weil schon 2 oder mehr RollstuhlfahrerInnen oder Kinderwagen an Bord sind oder weil nicht alle FahrerInnen Defekte am Hublift schnell genug melden oder weil die Kurve zwischen Eingangstür und Stellfläche in den Bussen für manche E-Rolli-FahrerInnen zu eng ist oder…

    Aber normalerweise funktionieren die Hublifte bei uns. Wenn man sie als selbstverständlichen und notwendigen Bestandteil eines Busses ansieht, muss die Wartung und Reparatur kein Problem sein.

    Ich kann nur alle rollstuhlfahrenden LeserInnen einladen, bei einem Kurzurlaub in Bremen die Freiheit einer weitgehend unbehinderten Mobilität zu genießen!

    Unsere barrierefreie Jugendherberge in zentraler + wunderschöner Lage direkt an der Weser hat 9 Rollstuhl-Zimmer im Angebot.

    Schön, dass einige WienerInnen positive Erfahrungen mit der Klapprampenbedienung durch korrekte FahrerInnen gemacht haben. Ich habe gehört, dass eine Menge Arbeit aus der Behindertenbewegung (in Form von Schulungen der FahrerInnen, Beschwerden etc.) nötig war, um die FahrerInnen zu dem jetzigen Stand zu bringen. Vielen Dank an die Aktiven, die sich über Jahre darum gekümmert haben!

  • @Ein netter Mensch: Tippfehler ausgebessert. Danke für den Hinweis.

  • Wieder ein brillianter Artikel von Ihnen! Gestatten Sie mir allerdings ein kleine Anmerkung: bitte, es heißt „Standard“ nicht „Standart“ (1. Absatz im Text). Danke!

  • Ein sehr interessanter Bericht! Ich muss auch zugeben, das Ergebnis hat mich auch etwas überrascht. Ich persönlich kenne die Lage nun in Wien, und da ist es nicht so schlimm. Solche Probleme gab es vielleicht nur am Anfang nach der Umstellung auf Niederflurbusse. Eigentlich muss ich Thomas Stix zustimmen. Ich gedenke dabei an eine bestimmte Situation! Was passiert, wenn man gerade in dem Autobus sitzt, aussteigen will, und in dem Moment gibt der Hublift den Geist auf!? Mir ist dabei die altmodische Variante viel lieber! Vor allem noch dazu, ich selbst bin mit einem E-Rolli unterwegs!

    Vielleicht noch ein kleiner Tipp!
    Wenn der Bus stehen bleibt und man sich in der offene Vordertür stellt, dann hat der Fahrer oder die Fahrerin keine Möglichkeit wegzufahren!

    PS: Ist zwar selten notwendig in Wien, aber manchmal eine nette Lösung. ;)

  • Puh – ich bin SOOOOOO begeistert von der Zusammenfassung von Kassandra! Ich lebe in Linz und wir sind da ebenso beglückt mit Ausklapprampen – will ab nun eine Statistik führen, aber mir kommen ihre / deine Zahlen realistisch vor und ich bin SEHR dankbar auch. Mal sehen, was die Linz-Linien dazu meinen? Ich melde nur jede wirkliche Augenscheinlichkeit an Verfehlungen, die kleinen Verletzungen bleiben mir und kommen jetzt wieder heraus, wo ich den Beitrag von Kassandra-Bericht über Helsinki lese.

  • Danke für den ausführlichen Bericht! Tut mir leid, dass sie derartig schlimme Erfahrungen machen mussten! Gibt es denn eine Beschwerdemöglichkeit in Finnland?

    Ich habe im letzten Jahr erstmals die Lösung mit den Klappen in der Mitte in Salzburg ausprobiert, die Fahrer waren fst alle freundlich, nur ein Mal erwischte ich am Telefon eine inkomptente und sehr unfreundliche Person.

    Man muss hier nämlich immer vorher anrufen, weil es nur so wenig Niederflurbusse gibt, dass man wissen sollte, wann einer fährt, sonst wartet man in der Kälte. Aber die Fahrer, die sonst nicht immer so freundlich sind, waren – zumindest mir gegenüber – durchaus hilfsbereit und meist nett.

  • Ich habe mit großem Interesse den Beitrag gelesen. Irgendwie deckt es sich komplett mit meinen Erfahrungen in Wien mit den ausklappbaren Rampen. Auch hier finden es die FahrerInnen nicht nötig, aufzustehen. Andere Fahrgäste müssen oft einspringen. Aussprüche wie: „hier werd ich ja schmutzig“ seitens der FahrerInnen sind keine Seltenheit. Es ist auch vorgekommen, dass Busse ganz schnell abgefahren sind, ohne mich mitzunehmen.
    Leider kann ich den Unterschied zum Hublift nicht beurteilen, denn damit hatte ich noch keine Erfahrung.
    Eines steht fest: Barrierefreiheit bezieht sich nicht alleine auf technische Hilfsmittel, sondern spielt sich auch auf zwischenmenschlicher Ebene ab.

  • Ich dachte, dass unsere Europäischen Freunde im hohen Norden dem Thema Behinderung sehr offen gegenüberstehen würden … Daher irritiert mich dieser Artikel ein bisschen. Ich fahre in Wien selten mit dem Bus, aber die paar Mal wo ich es gemacht habe, waren die Fahrer nie unhöflich und haben die Klapprampe ohne Umstände für mich bedient. Prinzipiell bin ich für Lösungen die wenig technisch-elektronische Elemente beinhalten, denn diese erhöhen die Reperaturanfälligkeit. Eine funktionierende Klapprampe find ich jedenfalls besser als einen defekten Hublift.

  • Wollen wir jetzt Diskussionen der 1990er Jahre wieder aufwärmen? Dass die meisten Verkehrsunternehmen von Hubliften oder elektrischen Rampen auf Klapprampen umgestiegen sind, lag hauptsächlich an Beschaffungs- und Instandhaltungskosten in Relation zu häufigen Ausfällen. Dennoch nutzen in Berlin oder Mainz heute deutlich mehr Rollstuhlfahrer den ÖPNV als vor zehn Jahren … Wenn das in Helsinki anders ist, kann das z.B. auch an einem höheren Motorisierungsgrad etc. pp. liegen.


  • Abgesehen von ihrem Vergleich bezüglich der Anzahl an Benützern in Bremen/Helsinki, die sicher von mehreren Faktoren abhängt, kann ich ihnen nur zustimmen.