24-Stunden-Betreuung weiterhin nicht leistbar. Das sagen nicht nur die Betroffenenorganisationen, sondern auch die Hilfsorganisationen. Resümee: Die Nachfrage nach den neuen Regeln des Pflegepakets werde - wenn überhaupt - "äußerst gering" sein.
Die kürzlich im Parlament beschlossenen Änderungen – genannt „Pflegepaket“ sind mehr Parteipolitik und Ideologie, denn Hilfe für die Betroffenen.
Seit vielen Wochen sagen viele namhafte Expertinnen und Experten, dass die Regelungen, die Sozialminister Dr. Erwin Buchinger (SPÖ) und Wirtschaftsminister Dr. Martin Bartenstein (ÖVP) erstritten haben, weltfremd seien.
Viele Fragen seien noch offen, man spricht von Chaos, Verwirrung und Verunsicherung. „Es ist eine Plagerei“, sagt die Caritas, „es ist eine Zumutung“, das Rote Kreuz. „Wir kennen uns nicht aus“, hört man von Betroffenen, berichtet das Ö1-Abendjournal am 8. Juni 2007.
Keine 24-Stunden-Betreuung
Aus den Medien war zu entnehmen, dass so genannte Hausbetreuungsgesetz keine 24-Stunden-Betreuung ermöglicht, weil es zwar einige arbeitsrechtliche Probleme angeht, aber nur einen Teil der vorgegebenen 24-Stunden-Betreuung abdeckt.
Obwohl Bartenstein und Buchinger dieser Umstand bekannt ist, wird vorsätzlich behauptet, dass es „ein bis zu 24 Stunden“ Betreuungsmodell sei.
Mangelhafte Förderung
Doch es werden noch weitere Unwahrheiten verbreitet. Weil anscheinend schon von Anfang an klar war, dass der Sozialminister mit den Ländern keine Lösung erreichen wird, wurden auch die Kosten viel zu gering angesetzt.
Es wurde laufend behauptet, dass mit 2.500 bis 3.000 Euro eine 24-Stunden-Betreuung finanzierbar wäre. Jedem/Jeder halbwegs Kundigen war klar, dass damit in keinster Weise die Kosten abgedeckt werden können. Warum Buchinger mit Nachdruck trotzdem diese falschen Zahlen weiter verbreitet, bleibt sein Geheimnis.
In der Tageszeitung „Die Presse“ vom 9. Juni 2006 wird dies im Artikel „Pflege: 4500 Euro pro Betreuungsfall“ klar auf den Punkt gebracht.
Schon fast blauäugig wird es, wenn Buchinger davon spricht, dass die Kosten im wesentlichen beim selben Niveau bleiben, um dann im nächsten Interview von Mehrkosten für die Familien von 250 Euro pro Monat zu sprechen.
„Wie sollen sich die Betroffenen auskennen, wenn das manche Experten nicht einmal tun? Die Experten tüfteln ja noch herum, und auch für diejenigen, die sich schon lange damit beschäftigen, ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht ganz klar, was jetzt wirklich beschlossen wurde, weil es Details gibt, die noch offen sind. Umso mehr muss man der betroffenen Bevölkerung einfach Zeit geben“, meint etwa NÖ Patienten- und Pflegeanwalt Gerald Bachinger.
Kaum beschlossen, schon in Überarbeitung
ÖVP-Bundesparteiobmann Mag. Wilhelm Molterer und Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) hatten Verhandlungen über die drei Fragen bei der Pflegelösung – selbstständige Pfleger, Einbeziehung der Pflegestufen 3 und 4, Verlängerung der Amnestieregelung – vereinbart, gibt die ÖVP bekannt. „Und dann richtet Sozialminister Buchinger seinem Bundeskanzler aus, er verhandelt über die Verlängerung der Amnestie nicht. Das geht doch nicht!“, zeigt sich Molterer in einer ÖVP-Aussendung verwundert.
„Das Ganze ist eine ziemliche Zumutung“
Monika Wild vom Roten Kreuz vermutet im Ö1-Journal, dass ein Großteil der Betroffenen im Schwarzarbeitsbereich bleiben wird, weil „es gar nicht anders geht, auch wenn Familien das wollen; sie werden es wahrscheinlich gar nicht schaffen, jemanden legal zu beschäftigen.“ Sie resümiert: „Das Ganze ist eine ziemliche Zumutung.“
Walter Marschitz vom Österreichischen Hilfswerk geht im Kurier davon aus, dass „das Selbständigenmodell zum Regelfall wird“.
Betroffene einbinden; nicht nur informieren
Die Betroffenen haben klar ihren Standpunkt vertreten. Klaus Voget (ÖAR) appellierte „an alle Verantwortlichen den Initiativantrag auf Verlängerung der Amnestie zu unterstützen“ und BIZEPS hielt fest: „Pflegepaket: Kein Schnellschuss wäre besser gewesen„.
Wie wird Buchinger in Zukunft agieren?
Interessant wird sicherlich, wie Sozialminister Buchinger mit dem – auch von ihm verursachten – Chaos nun umgeht. Wird er statt Almosen echte Förderungen schaffen? Wird er von einer „Lösung“ sprechen oder von „einem ersten Schritt“?
Oder, und das bleibt zu hoffen, wird er nun endlich gemeinsam mit den Betroffenen – abseits von Ideologie, dafür aber mit Sachverstand, tragfähige Lösungen präsentieren?