COVID-19 und Besuchsregelungen in Einrichtungen der stationären Pflege und Betreuung

Seit Beginn der Corona-Krise im März 2020 spielte der Schutz besonders vulnerabler Menschen im Handeln der Verantwortlichen sowie in der öffentlichen, medialen Berichterstattung und Diskussion eine wichtige Rolle. Besonders betroffen waren und sind institutionell lebende alte Menschen, aber auch Menschen mit Behinderungen in Wohn- und/oder Betreuungseinrichtungen.

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Neben Freiheitsbeschränkungen in Zusammenhang mit COVID-19-Maßnahmen waren vor allem Besuchsregeln und Betretungsverbote von Einrichtungen zentrales Thema. Wie inzwischen klar geworden ist, führten diese Maßnahmen für Menschen in Pflegeeinrichtungen weit über den durch die COVID-19-Verordnungen gedeckten Zeitraum hinaus zu einer weitgehenden sozialen Isolation. Dies führte wiederum bei vielen Menschen zur Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes und zu psychischen Problemen wie Depressionen.

Besuchsverbot
Erich Wahl

Es kam zu zahlreichen Beschwerden über rigide Besuchsregelungen, Ausgangsverbote und Androhungen von bis zu 14 Tagen Isolierung nach Verlassen des Heimes. So wurden z. B. Spaziergänge außerhalb des Einrichtungsareals untersagt, Kontakte zu Familienmitgliedern oder die Teilnahme an Familienfeiern nicht erlaubt.

Trotz gegenteiliger Erklärungen der Heime wurden der Bewohnervertretung immer wieder Hinweise zugetragen, dass BewohnerInnen das Verlassen der Einrichtungen erheblich erschwert bzw. gänzlich unmöglich gemacht wurde. Viele Einrichtungen schossen mit ihren Maßnahmen weit über das Ziel hinaus!

Ebenso problematisch wurden die Haltung und die Kommunikation in und mit den Einrichtungen wahrgenommen. So wurde kaum zwischen gesetzlichen Grundlagen, Regeln und Empfehlungen unterschieden. Ein Widerspruch gegen das politisch aufgeladene Narrativ der bedingungslosen und erfolgreichen Beschützung der BewohnerInnen wurde von den Verantwortlichen in den Einrichtungen, in Politik und Verwaltung tendenziell als Querulanz eingeordnet.

Die damit einhergehende Entmündigung von BewohnerInnen und deren Angehörigen in Hinblick auf die selbstbestimmte Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen, Empfehlungen und Regeln rückte die Heime wieder in Richtung totaler Institutionen.

Fast gänzlich ignoriert wurde die Tatsache, dass ein Einbringen des Virus von außen nicht nur durch BesucherInnen oder BewohnerInnen erfolgen kann, sondern weitaus wahrscheinlicher durch das Personal erfolgt, das, so wie die gesamte Bevölkerung seit 1. Mai, keinen besonderen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit und der sozialen Kontakte unterworfen war.

Es wäre zu erwarten, dass angesichts der nun wieder steigenden Infektionszahlen und neuerlich notwendiger Schutzmaßnahmen mit mehr Augenmaß reagiert wird.

Die neue COVID-19-Maßnahmenverordnung sieht ab 03.11.2020 jedenfalls vor, dass die von den Betreibern der Einrichtungen im Rahmen des zu erarbeitenden COVID-19-Präventionskonzept vorgesehenen Maßnahmen nicht unverhältnismäßig sein oder zu unzumutbaren Härtefällen führen dürfen.

In diesem Zusammenhang weist VertretungsNetz darauf hin, dass für BewohnerInnen von Pflegeeinrichtungen, Behinderteneinrichtungen, und Kinder- und Jugendeinrichtungen die gleichen gesetzlichen Vorschriften gelten wie für alle anderen Menschen in Österreich. Auch institutionell betreute Menschen haben das gleiche Recht auf persönliche Freiheit, wie alle anderen BürgerInnen.

Eingriffe in dieses Recht müssen gesetzlich legitimiert sein. Ein undifferenzierter und restriktiver Umgang mit Besuchen führt zu sozialer Isolation und kann zu Verschlechterungen des allgemeinen Gesundheitszustandes, zum Beispiel bei Demenzkranken, führen. Dies ist auch in Hinblick auf zukünftige Maßnahmen bei wieder steigenden Infektionszahlen zu berücksichtigen.

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Ein Kommentar

  • Ich stimme Ihren Ausführungen zu 100% zu – danke für Ihren Artikel.