Der beherzte Griff in die Klischeekiste verhindert Inklusion!

Wer Meinung macht, trägt auch Verantwortung. Wie weit hier Idealvorstellung und Realität auseinanderklaffen, zeigt ein Pilotprojekt von MediaAffairs, in dessen Rahmen die mediale Darstellung und Inszenierung von Menschen mit Behinderungen im zweiten Quartal 2016 analysiert wurden.

Ergebnisse welche Zeitungen wie viel über Opfer und Helden schreiben
MediaAffairs

Medien wirken! Insbesondere auf die Bewusstseinsbildung – vor allem dort, wo persönliche Erfahrungen, Wissenserwerb vor Ort und face-to-face Kontakte verwehrt bleiben. Zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen ist das oft der Fall, weil sich in einer nicht-inklusiven Gesellschaft Parallelwelten – von der Sonderschule, bis hin zu geschützten Werkstätten – auftun.

Inklusion muss auf unterschiedlichsten Ebenen ansetzen – ein Paradigmenwechsel in der medialen Berichterstattung ist dabei im Hinblick auf soziale Barrieren in der Gesellschaft ein zentraler und notwendiger Punkt.

Die UN-Behindertenrechtskonvention nimmt im Artikel 8 speziell die Medien in die Pflicht und gibt Handlungsempfehlungen. Es wird eine Abkehr von diskriminierenden Rollenbildern und eine auf das Wohltätigkeitsmodell reduzierte Inszenierung behinderter Menschen, hin zu einer positiven, inklusiven Darstellung gefordert.

Pilotprojekt „Mediale Inszenierung von Menschen mit Behinderungen in Massenmedien“

Wie weit hier Idealvorstellung und Realität auseinanderklaffen, zeigt ein Pilotprojekt von MediaAffairs, in dessen Rahmen die mediale Darstellung und Inszenierung von Menschen mit Behinderungen im zweiten Quartal 2016 analysiert wurden.

Dazu wurden die reichweitenstärksten, überregionalen Medien (Krone, Kurier, Standard, Presse, Österreich, Heute, ZIB 1, ZIB 2, z.T. Social Media) des Landes quantitativ und qualitativ ausgewertet.

Einige der wichtigsten Studienergebnisse im Überblick

Menschen mit Behinderungen sind in Medien nach wie vor stark unterrepräsentiert. Wenn dann doch über Menschen mit Behinderungen in den Tageszeitungen berichtet wird, dann hat das oft einen fahlen Beigeschmack. Häufig kommt es zu einer Reduktion der Menschen auf ihre Behinderung oder einer Degradierung zu Objekten.

Vor allem die reichweitenstarken Boulevardblätter greifen mit Vorliebe in die Klischeekiste und erzählen, wenn es um Menschen mit Behinderungen geht, gerne Geschichten von  „bemitleidenswerten Kreaturen“ oder „gehandicapten Superhelden“. Beides lässt sich zwar gut vermarkten, läuft aber an den Lebensrealitäten behinderter Menschen vorbei und widerspricht zudem der Konvention.

  • Menschen mit Behinderungen finden sich in den Massenmedien häufig unter der Wahrnehmungsgrenze.
  • Es zeigt sich ein großes Gefälle zwischen Qualitäts- und Boulevardblättern, nicht nur beim Berichtsvolumen, viel mehr noch beim Themensetting und in der Art der Inszenierung behinderter Menschen. Während Qualitätsblätter verhältnismäßig viel und auch thematisch breit berichten, zeichnen die reichweitenstarken Boulevardblätter „Heute“ und „Österreich“ ein Gesellschaftsbild, welches weitgehend ohne Menschen mit Behinderung auskommt.
  • Das relevanteste Thema im Kontext Behinderung war im Untersuchungszeitraum der Bereich Charity. Vor allem in der „Kronen Zeitung“ wird der Wohltätigkeitsgedanke hervorgestrichen. Auch der medizinische Blick auf behinderte Menschen oder individuelle Schicksale und Geschichten (wie jene von Kira Grünberg) stoßen auf Resonanz und scheinen massentauglich. Weit weniger werden dagegen jene Aspekte aufgegriffen, die sich mit den Rechten behinderter Menschen und deren Lebensalltag beschäftigen.
  • Die Einordnung in Schubladen („Opfer“ oder „HeldInnen“) und Diskriminierungen passieren etwa durch Sprache („das Leben im Rollstuhl ist reich an Entbehrungen“, „vom Leben gezeichnet“, „an den Rollstuhl gefesselt“) und Geschlecht (Frauen mit Behinderungen sind tabu und werden medial ignoriert – Ausnahme Sportstars).
  • Ebenso aussagekräftig ist die Bildsprache: Ein Viertel der Abbildungen behinderter Menschen reduziert diese auf ihre Behinderung, bzw. stellt den Menschen in den Hintergrund (Fotos von hinten, ohne Kopf, Blickwinkel nur auf den Rollstuhl,…)
  • Eine zurückhaltende Politik. Nur drei (!) Prozent der Berichterstattung über Menschen mit Behinderung / das Thema Behinderung sind durch die Politik besetzt. Am politischen Parkett und im aktuell turbulenten Umfeld bleibt für Menschen mit Behinderungen faktisch kein Raum. Soll die UN-Behindertenrechtskonvention fruchten, muss sich aber auch die Politik der Verantwortung stellen.

Fazit

Gut gemeint ist nicht immer gut – das trifft vor allem auf mediale Inszenierung von Menschen mit Behinderungen zu. Gerade das Drängen von Betroffenen in die Opferrolle oder das starre Hervorstreichen des Wohltätigkeitsaspekts fördern Inklusion nicht, sondern verhindern sie eher.

Es gibt aber auch Positivbeispiele – auch in den Boulevardblättern und speziell auf Social Media – die zeigen, dass eine Entwicklung möglich ist. Je reichweitenstärker das Medium, umso mehr Verantwortung trägt es auch, wenn es um die Bewusstseinsbildung in der breiten Öffentlichkeit geht. Erst positive Schritte sind bemerkbar und noch viele mehr sind wünschenswert!

Mehr Infos zur Studie auf www.mediaaffairs.at

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